das ungewohnte Essen, den schweren Wein und die Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen, daß in dem herrlichen Lande und der prächtigen Umge¬ bung, ihn so kleine Dinge wie Essen, Trinken und Fliegen hätten incommodiren können."
"Alle solche Neckereien gingen bey Merck unstreitig aus dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er nicht productiv war, sondern im Gegentheil eine ent¬ schieden negative Richtung hatte, so war er immer we¬ niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er suchte unwillkührlich alles hervor, um solchem Kitzel zu ge¬ nügen."
Wir sprachen über Vogel und seine administrativen Talente, so wie über *** und dessen Persönlichkeit, "***, sagte Goethe, ist ein Mann für sich, den man mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬ zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit stimmte; er steht fest, man kann sich an ihm halten, er wird immer auf der Seite des Gesetzlichen seyn."
Wir gingen nach Tisch ein wenig im Garten auf und ab und hatten unsere Freude an den blühenden weißen Schneeglöckchen und gelben Crokus. Auch die Tulpen kamen hervor und wir sprachen über die Pracht und Kostbarkeit der holländischen Gewächse solcher Art. "Ein großer Blumenmaler, sagte Goethe, ist gar nicht mehr denkbar; es wird jetzt zu große wissenschaftliche Wahrheit verlangt, und der Botaniker zählt dem Künst¬
das ungewohnte Eſſen, den ſchweren Wein und die Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen, daß in dem herrlichen Lande und der praͤchtigen Umge¬ bung, ihn ſo kleine Dinge wie Eſſen, Trinken und Fliegen haͤtten incommodiren koͤnnen.“
„Alle ſolche Neckereien gingen bey Merck unſtreitig aus dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er nicht productiv war, ſondern im Gegentheil eine ent¬ ſchieden negative Richtung hatte, ſo war er immer we¬ niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er ſuchte unwillkuͤhrlich alles hervor, um ſolchem Kitzel zu ge¬ nuͤgen.“
Wir ſprachen uͤber Vogel und ſeine adminiſtrativen Talente, ſo wie uͤber *** und deſſen Perſoͤnlichkeit, „***, ſagte Goethe, iſt ein Mann fuͤr ſich, den man mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬ zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit ſtimmte; er ſteht feſt, man kann ſich an ihm halten, er wird immer auf der Seite des Geſetzlichen ſeyn.“
Wir gingen nach Tiſch ein wenig im Garten auf und ab und hatten unſere Freude an den bluͤhenden weißen Schneegloͤckchen und gelben Crokus. Auch die Tulpen kamen hervor und wir ſprachen uͤber die Pracht und Koſtbarkeit der hollaͤndiſchen Gewaͤchſe ſolcher Art. „Ein großer Blumenmaler, ſagte Goethe, iſt gar nicht mehr denkbar; es wird jetzt zu große wiſſenſchaftliche Wahrheit verlangt, und der Botaniker zaͤhlt dem Kuͤnſt¬
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das ungewohnte Eſſen, den ſchweren Wein und die
Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen,
daß in dem herrlichen Lande und der praͤchtigen Umge¬
bung, ihn ſo kleine Dinge wie Eſſen, Trinken und
Fliegen haͤtten incommodiren koͤnnen.“
„Alle ſolche Neckereien gingen bey Merck unſtreitig aus
dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er
nicht productiv war, ſondern im Gegentheil eine ent¬
ſchieden negative Richtung hatte, ſo war er immer we¬
niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er ſuchte
unwillkuͤhrlich alles hervor, um ſolchem Kitzel zu ge¬
nuͤgen.“
Wir ſprachen uͤber Vogel und ſeine adminiſtrativen
Talente, ſo wie uͤber *** und deſſen Perſoͤnlichkeit,
„***, ſagte Goethe, iſt ein Mann fuͤr ſich, den man
mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬
zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit
ſtimmte; er ſteht feſt, man kann ſich an ihm halten,
er wird immer auf der Seite des Geſetzlichen ſeyn.“
Wir gingen nach Tiſch ein wenig im Garten auf
und ab und hatten unſere Freude an den bluͤhenden
weißen Schneegloͤckchen und gelben Crokus. Auch die
Tulpen kamen hervor und wir ſprachen uͤber die Pracht
und Koſtbarkeit der hollaͤndiſchen Gewaͤchſe ſolcher Art.
„Ein großer Blumenmaler, ſagte Goethe, iſt gar nicht
mehr denkbar; es wird jetzt zu große wiſſenſchaftliche
Wahrheit verlangt, und der Botaniker zaͤhlt dem Kuͤnſt¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/339>, abgerufen am 21.11.2024.
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