Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Goethe erzählte mir sodann, daß er mit seiner neuen
Ausgabe der Metamorphose der Pflanzen und
Sorets immer besser gelingenden Übersetzung gut fort¬
schreite. "Es wird ein merkwürdiges Buch werden,
sagte er, indem darin die verschiedensten Elemente zu
einem Ganzen verarbeitet werden. Ich lasse darin einige
Stellen von bedeutenden jungen Naturforschern eintre¬
ten, wobey es erfreulich ist zu sehen, daß sich jetzt in
Deutschland unter den Besseren ein so guter Styl ge¬
bildet hat, daß man nicht mehr weiß ob der eine redet
oder der andere. Das Buch macht mir indeß mehr
Mühe als ich dachte; auch bin ich anfangs fast wider
Willen in das Unternehmen hereingezogen, allein es
herrschte dabey etwas Dämonisches ob, dem nicht zu
widerstehen war.

Sie haben wohl gethan, sagte ich, solchen Einwir¬
kungen nachzugeben, denn das Dämonische scheint so
mächtiger Natur zu seyn, daß es am Ende doch Recht
behält.

"Nur muß der Mensch, versetzte Goethe, auch wie¬
derum gegen das Dämonische Recht zu behalten suchen,
und ich muß in gegenwärtigem Fall dahin trachten,
durch allen Fleiß und Mühe meine Arbeit so gut zu
machen, als in meinen Kräften steht und die Umstände
es mir anbieten. Es ist in solchen Dingen wie mit
dem Spiel, was die Franzosen Codille nennen, wobey
zwar die geworfenen Würfel viel entscheiden, allein wo

Goethe erzaͤhlte mir ſodann, daß er mit ſeiner neuen
Ausgabe der Metamorphoſe der Pflanzen und
Sorets immer beſſer gelingenden Überſetzung gut fort¬
ſchreite. „Es wird ein merkwuͤrdiges Buch werden,
ſagte er, indem darin die verſchiedenſten Elemente zu
einem Ganzen verarbeitet werden. Ich laſſe darin einige
Stellen von bedeutenden jungen Naturforſchern eintre¬
ten, wobey es erfreulich iſt zu ſehen, daß ſich jetzt in
Deutſchland unter den Beſſeren ein ſo guter Styl ge¬
bildet hat, daß man nicht mehr weiß ob der eine redet
oder der andere. Das Buch macht mir indeß mehr
Muͤhe als ich dachte; auch bin ich anfangs faſt wider
Willen in das Unternehmen hereingezogen, allein es
herrſchte dabey etwas Daͤmoniſches ob, dem nicht zu
widerſtehen war.

Sie haben wohl gethan, ſagte ich, ſolchen Einwir¬
kungen nachzugeben, denn das Daͤmoniſche ſcheint ſo
maͤchtiger Natur zu ſeyn, daß es am Ende doch Recht
behaͤlt.

„Nur muß der Menſch, verſetzte Goethe, auch wie¬
derum gegen das Daͤmoniſche Recht zu behalten ſuchen,
und ich muß in gegenwaͤrtigem Fall dahin trachten,
durch allen Fleiß und Muͤhe meine Arbeit ſo gut zu
machen, als in meinen Kraͤften ſteht und die Umſtaͤnde
es mir anbieten. Es iſt in ſolchen Dingen wie mit
dem Spiel, was die Franzoſen Codille nennen, wobey
zwar die geworfenen Wuͤrfel viel entſcheiden, allein wo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <pb facs="#f0327" n="317"/>
          <p>Goethe erza&#x0364;hlte mir &#x017F;odann, daß er mit &#x017F;einer neuen<lb/>
Ausgabe der <hi rendition="#g">Metamorpho&#x017F;e der Pflanzen</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Sorets</hi> immer be&#x017F;&#x017F;er gelingenden Über&#x017F;etzung gut fort¬<lb/>
&#x017F;chreite. &#x201E;Es wird ein merkwu&#x0364;rdiges Buch werden,<lb/>
&#x017F;agte er, indem darin die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Elemente zu<lb/>
einem Ganzen verarbeitet werden. Ich la&#x017F;&#x017F;e darin einige<lb/>
Stellen von bedeutenden jungen Naturfor&#x017F;chern eintre¬<lb/>
ten, wobey es erfreulich i&#x017F;t zu &#x017F;ehen, daß &#x017F;ich jetzt in<lb/>
Deut&#x017F;chland unter den Be&#x017F;&#x017F;eren ein &#x017F;o guter Styl ge¬<lb/>
bildet hat, daß man nicht mehr weiß ob der eine redet<lb/>
oder der andere. Das Buch macht mir indeß mehr<lb/>
Mu&#x0364;he als ich dachte; auch bin ich anfangs fa&#x017F;t wider<lb/>
Willen in das Unternehmen hereingezogen, allein es<lb/>
herr&#x017F;chte dabey etwas Da&#x0364;moni&#x017F;ches ob, dem nicht zu<lb/>
wider&#x017F;tehen war.</p><lb/>
          <p>Sie haben wohl gethan, &#x017F;agte ich, &#x017F;olchen Einwir¬<lb/>
kungen nachzugeben, denn das Da&#x0364;moni&#x017F;che &#x017F;cheint &#x017F;o<lb/>
ma&#x0364;chtiger Natur zu &#x017F;eyn, daß es am Ende doch Recht<lb/>
beha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nur muß der Men&#x017F;ch, ver&#x017F;etzte Goethe, auch wie¬<lb/>
derum gegen das Da&#x0364;moni&#x017F;che Recht zu behalten &#x017F;uchen,<lb/>
und ich muß in gegenwa&#x0364;rtigem Fall dahin trachten,<lb/>
durch allen Fleiß und Mu&#x0364;he meine Arbeit &#x017F;o gut zu<lb/>
machen, als in meinen Kra&#x0364;ften &#x017F;teht und die Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
es mir anbieten. Es i&#x017F;t in &#x017F;olchen Dingen wie mit<lb/>
dem Spiel, was die Franzo&#x017F;en Codille nennen, wobey<lb/>
zwar die geworfenen Wu&#x0364;rfel viel ent&#x017F;cheiden, allein wo<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0327] Goethe erzaͤhlte mir ſodann, daß er mit ſeiner neuen Ausgabe der Metamorphoſe der Pflanzen und Sorets immer beſſer gelingenden Überſetzung gut fort¬ ſchreite. „Es wird ein merkwuͤrdiges Buch werden, ſagte er, indem darin die verſchiedenſten Elemente zu einem Ganzen verarbeitet werden. Ich laſſe darin einige Stellen von bedeutenden jungen Naturforſchern eintre¬ ten, wobey es erfreulich iſt zu ſehen, daß ſich jetzt in Deutſchland unter den Beſſeren ein ſo guter Styl ge¬ bildet hat, daß man nicht mehr weiß ob der eine redet oder der andere. Das Buch macht mir indeß mehr Muͤhe als ich dachte; auch bin ich anfangs faſt wider Willen in das Unternehmen hereingezogen, allein es herrſchte dabey etwas Daͤmoniſches ob, dem nicht zu widerſtehen war. Sie haben wohl gethan, ſagte ich, ſolchen Einwir¬ kungen nachzugeben, denn das Daͤmoniſche ſcheint ſo maͤchtiger Natur zu ſeyn, daß es am Ende doch Recht behaͤlt. „Nur muß der Menſch, verſetzte Goethe, auch wie¬ derum gegen das Daͤmoniſche Recht zu behalten ſuchen, und ich muß in gegenwaͤrtigem Fall dahin trachten, durch allen Fleiß und Muͤhe meine Arbeit ſo gut zu machen, als in meinen Kraͤften ſteht und die Umſtaͤnde es mir anbieten. Es iſt in ſolchen Dingen wie mit dem Spiel, was die Franzoſen Codille nennen, wobey zwar die geworfenen Wuͤrfel viel entſcheiden, allein wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/327
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/327>, abgerufen am 21.11.2024.