Mit Goethe zu Tisch, mit dem ich mancherley berede. Ich muß ihm von der Stummen von Portici er¬ zählen, die vorgestern gegeben worden, und es kommt zur Sprache, daß darin eigentlich gegründete Motive zu einer Revolution gar nicht zur Anschauung gebracht worden, welches jedoch den Leuten gefalle, indem nun jeder in die leergelassene Stelle das hineintrage, was ihm selber in seiner Stadt und seinem Lande nicht be¬ hagen mag. "Die ganze Oper, sagte Goethe, ist im Grunde eine Satyre auf das Volk, denn wenn es den Liebeshandel eines Fischermädchens zur öffentlichen An¬ gelegenheit macht, und den Fürsten einen Tyrannen nennt, weil er eine Fürstin heirathet, so erscheint es doch wohl so absurd und so lächerlich wie möglich."
Zum Nachtisch zeigte Goethe mir Zeichnungen nach Berliner Redensarten, worunter die heitersten Dinge vorkommen, und woran die Mäßigkeit des Künstlers gelobt wurde, der an die Caricatur nur heran-, aber nicht wirklich hineingegangen.
Dienstag, den 15. März 1831.
Ich beschäftige mich den ganzen Morgen mit dem Manuscript des vierten Bandes von Wahrheit und
Montag, den 14. Maͤrz 1831.
Mit Goethe zu Tiſch, mit dem ich mancherley berede. Ich muß ihm von der Stummen von Portici er¬ zaͤhlen, die vorgeſtern gegeben worden, und es kommt zur Sprache, daß darin eigentlich gegruͤndete Motive zu einer Revolution gar nicht zur Anſchauung gebracht worden, welches jedoch den Leuten gefalle, indem nun jeder in die leergelaſſene Stelle das hineintrage, was ihm ſelber in ſeiner Stadt und ſeinem Lande nicht be¬ hagen mag. „Die ganze Oper, ſagte Goethe, iſt im Grunde eine Satyre auf das Volk, denn wenn es den Liebeshandel eines Fiſchermaͤdchens zur oͤffentlichen An¬ gelegenheit macht, und den Fuͤrſten einen Tyrannen nennt, weil er eine Fuͤrſtin heirathet, ſo erſcheint es doch wohl ſo abſurd und ſo laͤcherlich wie moͤglich.“
Zum Nachtiſch zeigte Goethe mir Zeichnungen nach Berliner Redensarten, worunter die heiterſten Dinge vorkommen, und woran die Maͤßigkeit des Kuͤnſtlers gelobt wurde, der an die Caricatur nur heran-, aber nicht wirklich hineingegangen.
Dienſtag, den 15. Maͤrz 1831.
Ich beſchaͤftige mich den ganzen Morgen mit dem Manuſcript des vierten Bandes von Wahrheit und
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Montag, den 14. Maͤrz 1831.
Mit Goethe zu Tiſch, mit dem ich mancherley berede.
Ich muß ihm von der Stummen von Portici er¬
zaͤhlen, die vorgeſtern gegeben worden, und es kommt
zur Sprache, daß darin eigentlich gegruͤndete Motive zu
einer Revolution gar nicht zur Anſchauung gebracht
worden, welches jedoch den Leuten gefalle, indem nun
jeder in die leergelaſſene Stelle das hineintrage, was
ihm ſelber in ſeiner Stadt und ſeinem Lande nicht be¬
hagen mag. „Die ganze Oper, ſagte Goethe, iſt im
Grunde eine Satyre auf das Volk, denn wenn es den
Liebeshandel eines Fiſchermaͤdchens zur oͤffentlichen An¬
gelegenheit macht, und den Fuͤrſten einen Tyrannen
nennt, weil er eine Fuͤrſtin heirathet, ſo erſcheint es
doch wohl ſo abſurd und ſo laͤcherlich wie moͤglich.“
Zum Nachtiſch zeigte Goethe mir Zeichnungen nach
Berliner Redensarten, worunter die heiterſten Dinge
vorkommen, und woran die Maͤßigkeit des Kuͤnſtlers
gelobt wurde, der an die Caricatur nur heran-, aber
nicht wirklich hineingegangen.
Dienſtag, den 15. Maͤrz 1831.
Ich beſchaͤftige mich den ganzen Morgen mit dem
Manuſcript des vierten Bandes von Wahrheit und
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/319>, abgerufen am 03.12.2024.
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