Goethe ließ den gehefteten neuen Faust hereinbrin¬ gen, und ich war erstaunt über die Masse des Geschrie¬ benen, das im Manuscript als ein guter Folioband mir vor Augen war.
Es ist doch alles, sagte ich, seit den sechs Jahren gemacht, die ich hier bin, und doch haben Sie bey dem andern Vielen, was seitdem geschehen, nur sehr wenige Zeit darauf verwenden können. Man sieht aber wie etwas heranwächst, wenn man auch nur hin und wieder etwas hinzuthut.
"Davon überzeugt man sich besonders wenn man älter wird, sagte Goethe, während die Jugend glaubt, es müsse alles an Einem Tage geschehen. Wenn aber das Glück mir günstig ist, und ich mich ferner wohl befinde, so hoffe ich in den nächsten Frühlingsmonaten am vierten Act sehr weit zu kommen. Es war auch dieser Act, wie Sie wissen, längst erfunden; allein da sich das Übrige während der Ausführung so sehr gestei¬ gert hat, so kann ich jetzt von der früheren Erfindung nur das Allgemeinste brauchen, und ich muß nun auch dieses Zwischen-Stück durch neue Erfindungen so heran¬ heben, daß es dem Anderen gleich werde."
Es kommt doch in diesem zweyten Theil, sagte ich, eine weit reichere Welt zur Erscheinung als im ersten.
"Ich sollte denken, sagte Goethe. Der erste Theil ist fast ganz subjectiv; es ist alles aus einem befange¬ neren, leidenschaftlicheren Individuum hervorgegangen,
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Goethe ließ den gehefteten neuen Fauſt hereinbrin¬ gen, und ich war erſtaunt uͤber die Maſſe des Geſchrie¬ benen, das im Manuſcript als ein guter Folioband mir vor Augen war.
Es iſt doch alles, ſagte ich, ſeit den ſechs Jahren gemacht, die ich hier bin, und doch haben Sie bey dem andern Vielen, was ſeitdem geſchehen, nur ſehr wenige Zeit darauf verwenden koͤnnen. Man ſieht aber wie etwas heranwaͤchſt, wenn man auch nur hin und wieder etwas hinzuthut.
„Davon uͤberzeugt man ſich beſonders wenn man aͤlter wird, ſagte Goethe, waͤhrend die Jugend glaubt, es muͤſſe alles an Einem Tage geſchehen. Wenn aber das Gluͤck mir guͤnſtig iſt, und ich mich ferner wohl befinde, ſo hoffe ich in den naͤchſten Fruͤhlingsmonaten am vierten Act ſehr weit zu kommen. Es war auch dieſer Act, wie Sie wiſſen, laͤngſt erfunden; allein da ſich das Übrige waͤhrend der Ausfuͤhrung ſo ſehr geſtei¬ gert hat, ſo kann ich jetzt von der fruͤheren Erfindung nur das Allgemeinſte brauchen, und ich muß nun auch dieſes Zwiſchen-Stuͤck durch neue Erfindungen ſo heran¬ heben, daß es dem Anderen gleich werde.“
Es kommt doch in dieſem zweyten Theil, ſagte ich, eine weit reichere Welt zur Erſcheinung als im erſten.
„Ich ſollte denken, ſagte Goethe. Der erſte Theil iſt faſt ganz ſubjectiv; es iſt alles aus einem befange¬ neren, leidenſchaftlicheren Individuum hervorgegangen,
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Goethe ließ den gehefteten neuen Fauſt hereinbrin¬
gen, und ich war erſtaunt uͤber die Maſſe des Geſchrie¬
benen, das im Manuſcript als ein guter Folioband mir
vor Augen war.
Es iſt doch alles, ſagte ich, ſeit den ſechs Jahren
gemacht, die ich hier bin, und doch haben Sie bey dem
andern Vielen, was ſeitdem geſchehen, nur ſehr wenige
Zeit darauf verwenden koͤnnen. Man ſieht aber wie
etwas heranwaͤchſt, wenn man auch nur hin und wieder
etwas hinzuthut.
„Davon uͤberzeugt man ſich beſonders wenn man
aͤlter wird, ſagte Goethe, waͤhrend die Jugend glaubt,
es muͤſſe alles an Einem Tage geſchehen. Wenn aber
das Gluͤck mir guͤnſtig iſt, und ich mich ferner wohl
befinde, ſo hoffe ich in den naͤchſten Fruͤhlingsmonaten
am vierten Act ſehr weit zu kommen. Es war auch
dieſer Act, wie Sie wiſſen, laͤngſt erfunden; allein da
ſich das Übrige waͤhrend der Ausfuͤhrung ſo ſehr geſtei¬
gert hat, ſo kann ich jetzt von der fruͤheren Erfindung
nur das Allgemeinſte brauchen, und ich muß nun auch
dieſes Zwiſchen-Stuͤck durch neue Erfindungen ſo heran¬
heben, daß es dem Anderen gleich werde.“
Es kommt doch in dieſem zweyten Theil, ſagte ich,
eine weit reichere Welt zur Erſcheinung als im erſten.
„Ich ſollte denken, ſagte Goethe. Der erſte Theil
iſt faſt ganz ſubjectiv; es iſt alles aus einem befange¬
neren, leidenſchaftlicheren Individuum hervorgegangen,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/285>, abgerufen am 10.05.2024.
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