Mein erster Blick war nach der Büste, wo mir denn die herrlichsten Farben der activen Seite, vom blassesten Gelb bis zum dunkelen Rubinroth, zu großer Freude entgegenglänzten. Ich fragte lebhaft, ob man nicht ge¬ neigt seyn wolle, mir dieses Brustbild des großen Hel¬ den zu überlassen? -- Der Wirth erwiederte mir, daß er, aus gleicher Anhänglichkeit für den Kaiser, sich vor kurzem die Büste aus Paris mitgebracht habe; da jedoch meine Liebe die seinige noch um ein gutes Theil zu übertreffen scheine, wie er aus meiner enthusiastischen Freude schließe, so gebühre mir auch der Vorzug des Besitzes, und er wolle sie mir gerne überlassen.
In meinen Augen hatte dieß gläserne Bild einen unschätzbaren Werth, und ich konnte daher nicht umhin, den guten Eigenthümer mit einiger Verwunderung an¬ zusehen, als er es für wenige Franken in meine Hände gab.
Ich schickte es, nebst einer in Mailand gekauften, gleichfalls merkwürdigen Medaille, als ein kleines Reise¬ geschenk an Goethe, der es denn nach Verdienst zu schätzen wußte.
In Frankfurt und später erhielt ich von ihm fol¬ gende Briefe.
Erster Brief.
"Nur mit dem Wenigsten vermelde: daß Ihre bey¬ den Schreiben von Genf glücklich angekommen sind,
Mein erſter Blick war nach der Buͤſte, wo mir denn die herrlichſten Farben der activen Seite, vom blaſſeſten Gelb bis zum dunkelen Rubinroth, zu großer Freude entgegenglaͤnzten. Ich fragte lebhaft, ob man nicht ge¬ neigt ſeyn wolle, mir dieſes Bruſtbild des großen Hel¬ den zu uͤberlaſſen? — Der Wirth erwiederte mir, daß er, aus gleicher Anhaͤnglichkeit fuͤr den Kaiſer, ſich vor kurzem die Buͤſte aus Paris mitgebracht habe; da jedoch meine Liebe die ſeinige noch um ein gutes Theil zu uͤbertreffen ſcheine, wie er aus meiner enthuſiaſtiſchen Freude ſchließe, ſo gebuͤhre mir auch der Vorzug des Beſitzes, und er wolle ſie mir gerne uͤberlaſſen.
In meinen Augen hatte dieß glaͤſerne Bild einen unſchaͤtzbaren Werth, und ich konnte daher nicht umhin, den guten Eigenthuͤmer mit einiger Verwunderung an¬ zuſehen, als er es fuͤr wenige Franken in meine Haͤnde gab.
Ich ſchickte es, nebſt einer in Mailand gekauften, gleichfalls merkwuͤrdigen Medaille, als ein kleines Reiſe¬ geſchenk an Goethe, der es denn nach Verdienſt zu ſchaͤtzen wußte.
In Frankfurt und ſpaͤter erhielt ich von ihm fol¬ gende Briefe.
Erſter Brief.
„Nur mit dem Wenigſten vermelde: daß Ihre bey¬ den Schreiben von Genf gluͤcklich angekommen ſind,
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Mein erſter Blick war nach der Buͤſte, wo mir denn
die herrlichſten Farben der activen Seite, vom blaſſeſten
Gelb bis zum dunkelen Rubinroth, zu großer Freude
entgegenglaͤnzten. Ich fragte lebhaft, ob man nicht ge¬
neigt ſeyn wolle, mir dieſes Bruſtbild des großen Hel¬
den zu uͤberlaſſen? — Der Wirth erwiederte mir, daß
er, aus gleicher Anhaͤnglichkeit fuͤr den Kaiſer, ſich vor
kurzem die Buͤſte aus Paris mitgebracht habe; da jedoch
meine Liebe die ſeinige noch um ein gutes Theil zu
uͤbertreffen ſcheine, wie er aus meiner enthuſiaſtiſchen
Freude ſchließe, ſo gebuͤhre mir auch der Vorzug des
Beſitzes, und er wolle ſie mir gerne uͤberlaſſen.
In meinen Augen hatte dieß glaͤſerne Bild einen
unſchaͤtzbaren Werth, und ich konnte daher nicht umhin,
den guten Eigenthuͤmer mit einiger Verwunderung an¬
zuſehen, als er es fuͤr wenige Franken in meine
Haͤnde gab.
Ich ſchickte es, nebſt einer in Mailand gekauften,
gleichfalls merkwuͤrdigen Medaille, als ein kleines Reiſe¬
geſchenk an Goethe, der es denn nach Verdienſt zu
ſchaͤtzen wußte.
In Frankfurt und ſpaͤter erhielt ich von ihm fol¬
gende Briefe.
Erſter Brief.
„Nur mit dem Wenigſten vermelde: daß Ihre bey¬
den Schreiben von Genf gluͤcklich angekommen ſind,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/249>, abgerufen am 23.11.2024.
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