kaum vier Uhr!" Indeß gingen die Uebrigen und auch ich nahm meinen Hut. "Nun? wollen Sie auch gehen?" sagte Goethe, indem er mich verwundert ansah. Ja, sagte der junge Goethe, Eckermann hat auch vor dem Theater noch etwas zu thun. Ja, sagte ich, ich habe noch etwas vor. "So geht denn, sagte Goethe, indem er bedenklich den Kopf schüttelte, aber ich begreife Euch nicht."
Wir gingen mit Fräulein Ulrike in die oberen Zim¬ mer; der junge Goethe aber blieb unten, um seinem Vater die unselige Eröffnung zu machen.
Ich sah Goethe darauf spät am Abend. Schon ehe ich zu ihm ins Zimmer trat, hörte ich ihn seufzen und laut vor sich hinreden. Er schien zu fühlen, daß in sein Daseyn eine unersetzliche Lücke gerissen wor¬ den. Allen Trost lehnte er ab und wollte von derglei¬ chen nichts wissen. "Ich hatte gedacht, sagte er, ich wollte vor Ihm hingehen; aber Gott fügt es, wie er es für gut findet, und uns armen Sterblichen bleibt weiter nichts, als zu tragen und uns empor zu halten so gut und so lange es gehen will."
Die Großherzogin Mutter traf die Todesnachricht in ihrem Sommeraufenthalte zu Wilhelmsthal, den jungen
kaum vier Uhr!“ Indeß gingen die Uebrigen und auch ich nahm meinen Hut. „Nun? wollen Sie auch gehen?“ ſagte Goethe, indem er mich verwundert anſah. Ja, ſagte der junge Goethe, Eckermann hat auch vor dem Theater noch etwas zu thun. Ja, ſagte ich, ich habe noch etwas vor. „So geht denn, ſagte Goethe, indem er bedenklich den Kopf ſchuͤttelte, aber ich begreife Euch nicht.“
Wir gingen mit Fraͤulein Ulrike in die oberen Zim¬ mer; der junge Goethe aber blieb unten, um ſeinem Vater die unſelige Eroͤffnung zu machen.
Ich ſah Goethe darauf ſpaͤt am Abend. Schon ehe ich zu ihm ins Zimmer trat, hoͤrte ich ihn ſeufzen und laut vor ſich hinreden. Er ſchien zu fuͤhlen, daß in ſein Daſeyn eine unerſetzliche Luͤcke geriſſen wor¬ den. Allen Troſt lehnte er ab und wollte von derglei¬ chen nichts wiſſen. „Ich hatte gedacht, ſagte er, ich wollte vor Ihm hingehen; aber Gott fuͤgt es, wie er es fuͤr gut findet, und uns armen Sterblichen bleibt weiter nichts, als zu tragen und uns empor zu halten ſo gut und ſo lange es gehen will.“
Die Großherzogin Mutter traf die Todesnachricht in ihrem Sommeraufenthalte zu Wilhelmsthal, den jungen
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0015"n="5"/>
kaum vier Uhr!“ Indeß gingen die Uebrigen und auch<lb/>
ich nahm meinen Hut. „Nun? wollen Sie auch<lb/>
gehen?“ſagte Goethe, indem er mich verwundert anſah.<lb/>
Ja, ſagte der junge Goethe, Eckermann hat auch vor<lb/>
dem Theater noch etwas zu thun. Ja, ſagte ich, ich<lb/>
habe noch etwas vor. „So geht denn, ſagte Goethe,<lb/>
indem er bedenklich den Kopf ſchuͤttelte, aber ich begreife<lb/>
Euch nicht.“</p><lb/><p>Wir gingen mit Fraͤulein Ulrike in die oberen Zim¬<lb/>
mer; der junge Goethe aber blieb unten, um ſeinem<lb/>
Vater die unſelige Eroͤffnung zu machen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Ich ſah Goethe darauf ſpaͤt am Abend. Schon<lb/>
ehe ich zu ihm ins Zimmer trat, hoͤrte ich ihn ſeufzen<lb/>
und laut vor ſich hinreden. Er ſchien zu fuͤhlen, daß<lb/>
in ſein Daſeyn eine unerſetzliche Luͤcke geriſſen wor¬<lb/>
den. Allen Troſt lehnte er ab und wollte von derglei¬<lb/>
chen nichts wiſſen. „Ich hatte gedacht, ſagte er, ich<lb/>
wollte <hirendition="#g">vor</hi> Ihm hingehen; aber Gott fuͤgt es, wie er<lb/>
es fuͤr gut findet, und uns armen Sterblichen bleibt<lb/>
weiter nichts, als zu tragen und uns empor zu halten<lb/>ſo gut und ſo lange es gehen will.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Großherzogin Mutter traf die Todesnachricht in<lb/>
ihrem Sommeraufenthalte zu Wilhelmsthal, den jungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[5/0015]
kaum vier Uhr!“ Indeß gingen die Uebrigen und auch
ich nahm meinen Hut. „Nun? wollen Sie auch
gehen?“ ſagte Goethe, indem er mich verwundert anſah.
Ja, ſagte der junge Goethe, Eckermann hat auch vor
dem Theater noch etwas zu thun. Ja, ſagte ich, ich
habe noch etwas vor. „So geht denn, ſagte Goethe,
indem er bedenklich den Kopf ſchuͤttelte, aber ich begreife
Euch nicht.“
Wir gingen mit Fraͤulein Ulrike in die oberen Zim¬
mer; der junge Goethe aber blieb unten, um ſeinem
Vater die unſelige Eroͤffnung zu machen.
Ich ſah Goethe darauf ſpaͤt am Abend. Schon
ehe ich zu ihm ins Zimmer trat, hoͤrte ich ihn ſeufzen
und laut vor ſich hinreden. Er ſchien zu fuͤhlen, daß
in ſein Daſeyn eine unerſetzliche Luͤcke geriſſen wor¬
den. Allen Troſt lehnte er ab und wollte von derglei¬
chen nichts wiſſen. „Ich hatte gedacht, ſagte er, ich
wollte vor Ihm hingehen; aber Gott fuͤgt es, wie er
es fuͤr gut findet, und uns armen Sterblichen bleibt
weiter nichts, als zu tragen und uns empor zu halten
ſo gut und ſo lange es gehen will.“
Die Großherzogin Mutter traf die Todesnachricht in
ihrem Sommeraufenthalte zu Wilhelmsthal, den jungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/15>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.