Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

auch den Trieb und die Lust zu reden habe, welches sich
doch Beydes in unserm Canzler vereinigt. Napoleon
hatte auch diesen Trieb zu reden, und wenn er nicht
reden konnte, mußte er schreiben oder dictiren. Auch
bey Blücher finden wir, daß er gerne redete, und
zwar gut und mit Nachdruck, welches Talent er in der
Loge ausgebildet hatte. Auch unser Großherzog redete
gerne, obgleich er lakonischer Natur war, und wenn er
nicht reden konnte, so schrieb er. Er hat manche Ab¬
handlung, manches Gesetz abgefaßt, und zwar meisten¬
theils gut. Nur hat ein Fürst nicht die Zeit und die
Ruhe, sich in allen Dingen die nöthige Kenntniß des
Details zu verschaffen. So hatte er in seiner letzten
Zeit noch eine Ordnung gemacht, wie man restaurirte
Gemälde bezahlen solle. Der Fall war sehr artig.
Denn wie die Fürsten sind, so hatte er die Beurtheilung
der Restaurationskosten mathematisch auf Maß und Zah¬
len festgesetzt. Die Restauration, hatte er verordnet,
soll fußweise bezahlt werden. Hält ein restaurirtes Ge¬
mälde zwölf Quadratfuß, so sind zwölf Thaler zu
zahlen; hält es vier, so zahlet vier. Dieß war fürst¬
lich verordnet, aber nicht künstlerisch. Denn ein Gemälde
von zwölf Quadratfuß kann in einem Zustande seyn,
daß es mit geringer Mühe an einem Tage zu restauri¬
ren wäre; ein anderes aber von vier, kann sich der Art
befinden, daß zu dessen Restauration kaum der Fleiß
und die Mühe einer ganzen Woche hinreichen. Aber

auch den Trieb und die Luſt zu reden habe, welches ſich
doch Beydes in unſerm Canzler vereinigt. Napoleon
hatte auch dieſen Trieb zu reden, und wenn er nicht
reden konnte, mußte er ſchreiben oder dictiren. Auch
bey Bluͤcher finden wir, daß er gerne redete, und
zwar gut und mit Nachdruck, welches Talent er in der
Loge ausgebildet hatte. Auch unſer Großherzog redete
gerne, obgleich er lakoniſcher Natur war, und wenn er
nicht reden konnte, ſo ſchrieb er. Er hat manche Ab¬
handlung, manches Geſetz abgefaßt, und zwar meiſten¬
theils gut. Nur hat ein Fuͤrſt nicht die Zeit und die
Ruhe, ſich in allen Dingen die noͤthige Kenntniß des
Details zu verſchaffen. So hatte er in ſeiner letzten
Zeit noch eine Ordnung gemacht, wie man reſtaurirte
Gemaͤlde bezahlen ſolle. Der Fall war ſehr artig.
Denn wie die Fuͤrſten ſind, ſo hatte er die Beurtheilung
der Reſtaurationskoſten mathematiſch auf Maß und Zah¬
len feſtgeſetzt. Die Reſtauration, hatte er verordnet,
ſoll fußweiſe bezahlt werden. Haͤlt ein reſtaurirtes Ge¬
maͤlde zwoͤlf Quadratfuß, ſo ſind zwoͤlf Thaler zu
zahlen; haͤlt es vier, ſo zahlet vier. Dieß war fuͤrſt¬
lich verordnet, aber nicht kuͤnſtleriſch. Denn ein Gemaͤlde
von zwoͤlf Quadratfuß kann in einem Zuſtande ſeyn,
daß es mit geringer Muͤhe an einem Tage zu reſtauri¬
ren waͤre; ein anderes aber von vier, kann ſich der Art
befinden, daß zu deſſen Reſtauration kaum der Fleiß
und die Muͤhe einer ganzen Woche hinreichen. Aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0132" n="122"/>
auch den Trieb und die Lu&#x017F;t zu <hi rendition="#g">reden</hi> habe, welches &#x017F;ich<lb/>
doch Beydes in un&#x017F;erm Canzler vereinigt. <hi rendition="#g">Napoleon</hi><lb/>
hatte auch die&#x017F;en Trieb zu reden, und wenn er nicht<lb/>
reden konnte, mußte er &#x017F;chreiben oder dictiren. Auch<lb/>
bey <hi rendition="#g">Blu&#x0364;cher</hi> finden wir, daß er gerne redete, und<lb/>
zwar gut und mit Nachdruck, welches Talent er in der<lb/>
Loge ausgebildet hatte. Auch un&#x017F;er <hi rendition="#g">Großherzog</hi> redete<lb/>
gerne, obgleich er lakoni&#x017F;cher Natur war, und wenn er<lb/>
nicht reden konnte, &#x017F;o &#x017F;chrieb er. Er hat manche Ab¬<lb/>
handlung, manches Ge&#x017F;etz abgefaßt, und zwar mei&#x017F;ten¬<lb/>
theils gut. Nur hat ein Fu&#x0364;r&#x017F;t nicht die Zeit und die<lb/>
Ruhe, &#x017F;ich in allen Dingen die no&#x0364;thige Kenntniß des<lb/>
Details zu ver&#x017F;chaffen. So hatte er in &#x017F;einer letzten<lb/>
Zeit noch eine Ordnung gemacht, wie man re&#x017F;taurirte<lb/>
Gema&#x0364;lde bezahlen &#x017F;olle. Der Fall war &#x017F;ehr artig.<lb/>
Denn wie die Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;ind, &#x017F;o hatte er die Beurtheilung<lb/>
der Re&#x017F;taurationsko&#x017F;ten mathemati&#x017F;ch auf Maß und Zah¬<lb/>
len fe&#x017F;tge&#x017F;etzt. Die Re&#x017F;tauration, hatte er verordnet,<lb/>
&#x017F;oll fußwei&#x017F;e bezahlt werden. Ha&#x0364;lt ein re&#x017F;taurirtes Ge¬<lb/>
ma&#x0364;lde <hi rendition="#g">zwo&#x0364;lf</hi> Quadratfuß, &#x017F;o &#x017F;ind <hi rendition="#g">zwo&#x0364;lf</hi> Thaler zu<lb/>
zahlen; ha&#x0364;lt es <hi rendition="#g">vier</hi>, &#x017F;o zahlet <hi rendition="#g">vier</hi>. Dieß war fu&#x0364;r&#x017F;<lb/>
lich verordnet, aber nicht ku&#x0364;n&#x017F;tleri&#x017F;ch. Denn ein Gema&#x0364;lde<lb/>
von zwo&#x0364;lf Quadratfuß kann in einem Zu&#x017F;tande &#x017F;eyn,<lb/>
daß es mit geringer Mu&#x0364;he an einem Tage zu re&#x017F;tauri¬<lb/>
ren wa&#x0364;re; ein anderes aber von vier, kann &#x017F;ich der Art<lb/>
befinden, daß zu de&#x017F;&#x017F;en Re&#x017F;tauration kaum der Fleiß<lb/>
und die Mu&#x0364;he einer ganzen Woche hinreichen. Aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0132] auch den Trieb und die Luſt zu reden habe, welches ſich doch Beydes in unſerm Canzler vereinigt. Napoleon hatte auch dieſen Trieb zu reden, und wenn er nicht reden konnte, mußte er ſchreiben oder dictiren. Auch bey Bluͤcher finden wir, daß er gerne redete, und zwar gut und mit Nachdruck, welches Talent er in der Loge ausgebildet hatte. Auch unſer Großherzog redete gerne, obgleich er lakoniſcher Natur war, und wenn er nicht reden konnte, ſo ſchrieb er. Er hat manche Ab¬ handlung, manches Geſetz abgefaßt, und zwar meiſten¬ theils gut. Nur hat ein Fuͤrſt nicht die Zeit und die Ruhe, ſich in allen Dingen die noͤthige Kenntniß des Details zu verſchaffen. So hatte er in ſeiner letzten Zeit noch eine Ordnung gemacht, wie man reſtaurirte Gemaͤlde bezahlen ſolle. Der Fall war ſehr artig. Denn wie die Fuͤrſten ſind, ſo hatte er die Beurtheilung der Reſtaurationskoſten mathematiſch auf Maß und Zah¬ len feſtgeſetzt. Die Reſtauration, hatte er verordnet, ſoll fußweiſe bezahlt werden. Haͤlt ein reſtaurirtes Ge¬ maͤlde zwoͤlf Quadratfuß, ſo ſind zwoͤlf Thaler zu zahlen; haͤlt es vier, ſo zahlet vier. Dieß war fuͤrſt¬ lich verordnet, aber nicht kuͤnſtleriſch. Denn ein Gemaͤlde von zwoͤlf Quadratfuß kann in einem Zuſtande ſeyn, daß es mit geringer Muͤhe an einem Tage zu reſtauri¬ ren waͤre; ein anderes aber von vier, kann ſich der Art befinden, daß zu deſſen Reſtauration kaum der Fleiß und die Muͤhe einer ganzen Woche hinreichen. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/132
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/132>, abgerufen am 28.04.2024.