Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

dadurch nach einigen Jahren eine gewisse Reife zu erlan¬
gen, und sodann weit besser zu vollbringen, was ich jetzt
nur in geringerem Grade zu thun im Stande wäre.

"Gewiß, sagte Schultz, ist die persönliche Einwir¬
kung eines so außerordentlichen Menschen und Meisters
wie Goethe ganz unschätzbar. Ich bin auch herüber¬
gekommen, um mich an diesem großen Geiste einmal
wieder zu erquicken."

Er erkundigte sich sodann nach dem Druck meines
Buches, wovon Goethe ihm schon im vorigen Sommer
geschrieben. Ich sagte ihm, daß ich in einigen Tagen
die ersten Exemplare von Jena zu bekommen hoffe und
daß ich nicht verfehlen würde, ihm eins zu verehren und
nach Berlin zu schicken, im Fall er nicht mehr hier seyn
sollte.

Wir schieden darauf unter herzlichem Händedrücken.



Diesen Abend war ich bey Goethe das erste Mal
zu einem großen Thee. Ich war der erste am Platz
und freute mich über die hellerleuchteten Zimmer, die bey
offenen Thüren eins ins andere führten. In einem der
letzten fand ich Goethe, der mir sehr heiter entgegen kam.
Er trug auf schwarzem Anzug seinen Stern, welches ihn
so wohl kleidete. Wir waren noch eine Weile allein
und gingen in das sogenannte Deckenzimmer, wo das

dadurch nach einigen Jahren eine gewiſſe Reife zu erlan¬
gen, und ſodann weit beſſer zu vollbringen, was ich jetzt
nur in geringerem Grade zu thun im Stande waͤre.

„Gewiß, ſagte Schultz, iſt die perſoͤnliche Einwir¬
kung eines ſo außerordentlichen Menſchen und Meiſters
wie Goethe ganz unſchaͤtzbar. Ich bin auch heruͤber¬
gekommen, um mich an dieſem großen Geiſte einmal
wieder zu erquicken.“

Er erkundigte ſich ſodann nach dem Druck meines
Buches, wovon Goethe ihm ſchon im vorigen Sommer
geſchrieben. Ich ſagte ihm, daß ich in einigen Tagen
die erſten Exemplare von Jena zu bekommen hoffe und
daß ich nicht verfehlen wuͤrde, ihm eins zu verehren und
nach Berlin zu ſchicken, im Fall er nicht mehr hier ſeyn
ſollte.

Wir ſchieden darauf unter herzlichem Haͤndedruͤcken.



Dieſen Abend war ich bey Goethe das erſte Mal
zu einem großen Thee. Ich war der erſte am Platz
und freute mich uͤber die hellerleuchteten Zimmer, die bey
offenen Thuͤren eins ins andere fuͤhrten. In einem der
letzten fand ich Goethe, der mir ſehr heiter entgegen kam.
Er trug auf ſchwarzem Anzug ſeinen Stern, welches ihn
ſo wohl kleidete. Wir waren noch eine Weile allein
und gingen in das ſogenannte Deckenzimmer, wo das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="59"/>
dadurch nach einigen Jahren eine gewi&#x017F;&#x017F;e Reife zu erlan¬<lb/>
gen, und &#x017F;odann weit be&#x017F;&#x017F;er zu vollbringen, was ich jetzt<lb/>
nur in geringerem Grade zu thun im Stande wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gewiß, &#x017F;agte Schultz, i&#x017F;t die per&#x017F;o&#x0364;nliche Einwir¬<lb/>
kung eines &#x017F;o außerordentlichen Men&#x017F;chen und Mei&#x017F;ters<lb/>
wie Goethe ganz un&#x017F;cha&#x0364;tzbar. Ich bin auch heru&#x0364;ber¬<lb/>
gekommen, um mich an die&#x017F;em großen Gei&#x017F;te einmal<lb/>
wieder zu erquicken.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Er erkundigte &#x017F;ich &#x017F;odann nach dem Druck meines<lb/>
Buches, wovon Goethe ihm &#x017F;chon im vorigen Sommer<lb/>
ge&#x017F;chrieben. Ich &#x017F;agte ihm, daß ich in einigen Tagen<lb/>
die er&#x017F;ten Exemplare von Jena zu bekommen hoffe und<lb/>
daß ich nicht verfehlen wu&#x0364;rde, ihm eins zu verehren und<lb/>
nach Berlin zu &#x017F;chicken, im Fall er nicht mehr hier &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;chieden darauf unter herzlichem Ha&#x0364;ndedru&#x0364;cken.</p><lb/>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div>
          <dateline rendition="#right">Dien&#x017F;tag den 14. October 1823.</dateline><lb/>
          <p>Die&#x017F;en Abend war ich bey Goethe das er&#x017F;te Mal<lb/>
zu einem großen Thee. Ich war der er&#x017F;te am Platz<lb/>
und freute mich u&#x0364;ber die hellerleuchteten Zimmer, die bey<lb/>
offenen Thu&#x0364;ren eins ins andere fu&#x0364;hrten. In einem der<lb/>
letzten fand ich Goethe, der mir &#x017F;ehr heiter entgegen kam.<lb/>
Er trug auf &#x017F;chwarzem Anzug &#x017F;einen Stern, welches ihn<lb/>
&#x017F;o wohl kleidete. Wir waren noch eine Weile allein<lb/>
und gingen in das &#x017F;ogenannte Deckenzimmer, wo das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0079] dadurch nach einigen Jahren eine gewiſſe Reife zu erlan¬ gen, und ſodann weit beſſer zu vollbringen, was ich jetzt nur in geringerem Grade zu thun im Stande waͤre. „Gewiß, ſagte Schultz, iſt die perſoͤnliche Einwir¬ kung eines ſo außerordentlichen Menſchen und Meiſters wie Goethe ganz unſchaͤtzbar. Ich bin auch heruͤber¬ gekommen, um mich an dieſem großen Geiſte einmal wieder zu erquicken.“ Er erkundigte ſich ſodann nach dem Druck meines Buches, wovon Goethe ihm ſchon im vorigen Sommer geſchrieben. Ich ſagte ihm, daß ich in einigen Tagen die erſten Exemplare von Jena zu bekommen hoffe und daß ich nicht verfehlen wuͤrde, ihm eins zu verehren und nach Berlin zu ſchicken, im Fall er nicht mehr hier ſeyn ſollte. Wir ſchieden darauf unter herzlichem Haͤndedruͤcken. Dienſtag den 14. October 1823. Dieſen Abend war ich bey Goethe das erſte Mal zu einem großen Thee. Ich war der erſte am Platz und freute mich uͤber die hellerleuchteten Zimmer, die bey offenen Thuͤren eins ins andere fuͤhrten. In einem der letzten fand ich Goethe, der mir ſehr heiter entgegen kam. Er trug auf ſchwarzem Anzug ſeinen Stern, welches ihn ſo wohl kleidete. Wir waren noch eine Weile allein und gingen in das ſogenannte Deckenzimmer, wo das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/79
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/79>, abgerufen am 23.11.2024.