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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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es sich auch im Grunde, wegen seiner Länge und ganz
rhetorischen Art, zum Gesang eignete.

Es verging von nun an keine Woche wo ich nicht
durch die Entstehung irgend eines weiteren Gedichts
wäre beglückt worden. Ich war jetzt in meinem vier
und zwanzigsten Jahre; es lebte in mir eine Welt von
Gefühlen, Drang und gutem Willen; allein ich war
ganz ohne alle geistige Cultur und Kenntnisse. Man
empfahl mir das Studium unserer großen Dichter und
führte mich besonders auf Schiller und Klopstock.
Ich verschaffte mir ihre Werke, ich las, ich bewunderte
sie, allein ich fand mich durch sie wenig gefördert; die
Bahn dieser Talente lag, ohne daß ich es damals ge¬
wußt hätte, von der Richtung meiner eigenen Natur
zu weit abwärts.

In dieser Zeit hörte ich zuerst den Namen Goethe
und erlangte zuerst einen Band seiner Gedichte. Ich
las seine Lieder und las sie immer von neuem und
genoß dabey ein Glück, das keine Worte schildern. Es
war mir, als fange ich erst an aufzuwachen und zum
eigentlichen Bewußtseyn zu gelangen; es kam mir vor
als werde mir in diesen Liedern mein eigenes mir bis¬
her unbekanntes Innere zurückgespiegelt. Auch stieß ich
nirgends auf etwas Fremdartiges und Gelehrtes wozu
mein bloß menschliches Denken und Empfinden nicht
ausgereicht hätte, nirgends auf Namen ausländischer
und veralteter Gottheiten, wobey ich mir nichts zu den¬

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es ſich auch im Grunde, wegen ſeiner Laͤnge und ganz
rhetoriſchen Art, zum Geſang eignete.

Es verging von nun an keine Woche wo ich nicht
durch die Entſtehung irgend eines weiteren Gedichts
waͤre begluͤckt worden. Ich war jetzt in meinem vier
und zwanzigſten Jahre; es lebte in mir eine Welt von
Gefuͤhlen, Drang und gutem Willen; allein ich war
ganz ohne alle geiſtige Cultur und Kenntniſſe. Man
empfahl mir das Studium unſerer großen Dichter und
fuͤhrte mich beſonders auf Schiller und Klopſtock.
Ich verſchaffte mir ihre Werke, ich las, ich bewunderte
ſie, allein ich fand mich durch ſie wenig gefoͤrdert; die
Bahn dieſer Talente lag, ohne daß ich es damals ge¬
wußt haͤtte, von der Richtung meiner eigenen Natur
zu weit abwaͤrts.

In dieſer Zeit hoͤrte ich zuerſt den Namen Goethe
und erlangte zuerſt einen Band ſeiner Gedichte. Ich
las ſeine Lieder und las ſie immer von neuem und
genoß dabey ein Gluͤck, das keine Worte ſchildern. Es
war mir, als fange ich erſt an aufzuwachen und zum
eigentlichen Bewußtſeyn zu gelangen; es kam mir vor
als werde mir in dieſen Liedern mein eigenes mir bis¬
her unbekanntes Innere zuruͤckgeſpiegelt. Auch ſtieß ich
nirgends auf etwas Fremdartiges und Gelehrtes wozu
mein bloß menſchliches Denken und Empfinden nicht
ausgereicht haͤtte, nirgends auf Namen auslaͤndiſcher
und veralteter Gottheiten, wobey ich mir nichts zu den¬

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[19/0039] es ſich auch im Grunde, wegen ſeiner Laͤnge und ganz rhetoriſchen Art, zum Geſang eignete. Es verging von nun an keine Woche wo ich nicht durch die Entſtehung irgend eines weiteren Gedichts waͤre begluͤckt worden. Ich war jetzt in meinem vier und zwanzigſten Jahre; es lebte in mir eine Welt von Gefuͤhlen, Drang und gutem Willen; allein ich war ganz ohne alle geiſtige Cultur und Kenntniſſe. Man empfahl mir das Studium unſerer großen Dichter und fuͤhrte mich beſonders auf Schiller und Klopſtock. Ich verſchaffte mir ihre Werke, ich las, ich bewunderte ſie, allein ich fand mich durch ſie wenig gefoͤrdert; die Bahn dieſer Talente lag, ohne daß ich es damals ge¬ wußt haͤtte, von der Richtung meiner eigenen Natur zu weit abwaͤrts. In dieſer Zeit hoͤrte ich zuerſt den Namen Goethe und erlangte zuerſt einen Band ſeiner Gedichte. Ich las ſeine Lieder und las ſie immer von neuem und genoß dabey ein Gluͤck, das keine Worte ſchildern. Es war mir, als fange ich erſt an aufzuwachen und zum eigentlichen Bewußtſeyn zu gelangen; es kam mir vor als werde mir in dieſen Liedern mein eigenes mir bis¬ her unbekanntes Innere zuruͤckgeſpiegelt. Auch ſtieß ich nirgends auf etwas Fremdartiges und Gelehrtes wozu mein bloß menſchliches Denken und Empfinden nicht ausgereicht haͤtte, nirgends auf Namen auslaͤndiſcher und veralteter Gottheiten, wobey ich mir nichts zu den¬ 2 *

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/39>, abgerufen am 21.11.2024.