Finsterniß des unendlichen Raumes als frisches Blau herdurch gesehen wird."
"Diesen Zustand der Atmosphäre nenne ich die Was¬ ser-Verneinung. Denn wie bey dem entgegengesetzten nicht allein häufiges Wasser von oben kommt, sondern auch die Feuchtigkeit der Erde nicht verdunsten und ab¬ trocknen will; so kommt dagegen bey diesem Zustand nicht allein keine Feuchtigkeit von oben, sondern auch die Nässe der Erde selbst verfliegt und geht aufwärts, so daß bey einer Dauer über alle Ordnung hinaus, die Erde, auch ohne Sonnenschein, zu vertrocknen und zu verdörren Gefahr liefe."
So sprach Goethe über diesen wichtigen Gegenstand und ich hörte ihm mit großer Aufmerksamkeit zu.
"Die Sache ist sehr einfach, fuhr er fort, und so am Einfachen, Durchgreifenden halte ich mich und gehe ihm nach, ohne mich durch einzelne Abweichungen irre leiten zu lassen. Hoher Barometer: Trockenheit, Ost¬ wind; tiefer Barometer: Nässe, Westwind, dieß ist das herrschende Gesetz, woran ich mich halte. Wehet aber einmal bey hohem Barometer und Ostwind ein nasser Nebel her, oder haben wir blauen Himmel bey West¬ wind, so kümmert mich dieses nicht und macht meinen Glauben an das herrschende Gesetz nicht irre, sondern ich sehe daraus bloß, daß auch manches Mitwirkende existirt, dem man nicht sogleich beykommen kann."
"Ich will Ihnen etwas sagen, woran Sie sich im
Finſterniß des unendlichen Raumes als friſches Blau herdurch geſehen wird.“
„Dieſen Zuſtand der Atmoſphaͤre nenne ich die Waſ¬ ſer-Verneinung. Denn wie bey dem entgegengeſetzten nicht allein haͤufiges Waſſer von oben kommt, ſondern auch die Feuchtigkeit der Erde nicht verdunſten und ab¬ trocknen will; ſo kommt dagegen bey dieſem Zuſtand nicht allein keine Feuchtigkeit von oben, ſondern auch die Naͤſſe der Erde ſelbſt verfliegt und geht aufwaͤrts, ſo daß bey einer Dauer uͤber alle Ordnung hinaus, die Erde, auch ohne Sonnenſchein, zu vertrocknen und zu verdoͤrren Gefahr liefe.“
So ſprach Goethe uͤber dieſen wichtigen Gegenſtand und ich hoͤrte ihm mit großer Aufmerkſamkeit zu.
„Die Sache iſt ſehr einfach, fuhr er fort, und ſo am Einfachen, Durchgreifenden halte ich mich und gehe ihm nach, ohne mich durch einzelne Abweichungen irre leiten zu laſſen. Hoher Barometer: Trockenheit, Oſt¬ wind; tiefer Barometer: Naͤſſe, Weſtwind, dieß iſt das herrſchende Geſetz, woran ich mich halte. Wehet aber einmal bey hohem Barometer und Oſtwind ein naſſer Nebel her, oder haben wir blauen Himmel bey Weſt¬ wind, ſo kuͤmmert mich dieſes nicht und macht meinen Glauben an das herrſchende Geſetz nicht irre, ſondern ich ſehe daraus bloß, daß auch manches Mitwirkende exiſtirt, dem man nicht ſogleich beykommen kann.“
„Ich will Ihnen etwas ſagen, woran Sie ſich im
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Finſterniß des unendlichen Raumes als friſches Blau
herdurch geſehen wird.“
„Dieſen Zuſtand der Atmoſphaͤre nenne ich die Waſ¬
ſer-Verneinung. Denn wie bey dem entgegengeſetzten
nicht allein haͤufiges Waſſer von oben kommt, ſondern
auch die Feuchtigkeit der Erde nicht verdunſten und ab¬
trocknen will; ſo kommt dagegen bey dieſem Zuſtand
nicht allein keine Feuchtigkeit von oben, ſondern auch
die Naͤſſe der Erde ſelbſt verfliegt und geht aufwaͤrts,
ſo daß bey einer Dauer uͤber alle Ordnung hinaus, die
Erde, auch ohne Sonnenſchein, zu vertrocknen und zu
verdoͤrren Gefahr liefe.“
So ſprach Goethe uͤber dieſen wichtigen Gegenſtand
und ich hoͤrte ihm mit großer Aufmerkſamkeit zu.
„Die Sache iſt ſehr einfach, fuhr er fort, und ſo
am Einfachen, Durchgreifenden halte ich mich und gehe
ihm nach, ohne mich durch einzelne Abweichungen irre
leiten zu laſſen. Hoher Barometer: Trockenheit, Oſt¬
wind; tiefer Barometer: Naͤſſe, Weſtwind, dieß iſt das
herrſchende Geſetz, woran ich mich halte. Wehet aber
einmal bey hohem Barometer und Oſtwind ein naſſer
Nebel her, oder haben wir blauen Himmel bey Weſt¬
wind, ſo kuͤmmert mich dieſes nicht und macht meinen
Glauben an das herrſchende Geſetz nicht irre, ſondern
ich ſehe daraus bloß, daß auch manches Mitwirkende
exiſtirt, dem man nicht ſogleich beykommen kann.“
„Ich will Ihnen etwas ſagen, woran Sie ſich im
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/366>, abgerufen am 25.11.2024.
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