der Muße nicht müde ward, die reizenden Umgebungen immer von neuem zu durchstreifen. Mit einem Schüler Rambergs, einem hoffnungsvollen jungen Künstler, hatte ich eine innige Freundschaft geschlossen; er war auf meinen Wanderungen mein beständiger Begleiter. Und da ich nun auf ein practisches Fortschreiten in der Kunst wegen meiner Gesundheit und sonstigen Umstände fernerhin Verzicht leisten mußte, so war es mir ein gro¬ ßer Trost, mich mit ihm über unsere gemeinsame Freun¬ dinn wenigstens täglich zu unterhalten. Ich nahm Theil an seinen Compositionen, die er mir häufig in der Skizze zeigte und die wir mit einander durchsprachen. Ich ward durch ihn auf manche belehrende Schrift geführt, ich las Winckelmann, ich las Mengs; allein da mir die Anschauung der Sachen fehlte, von denen diese Männer handeln, so konnte ich mir auch aus solcher Lectüre nur das Allgemeinste aneignen und ich hatte davon im Grunde wenig Nutzen.
In der Residenz geboren und aufgewachsen, war mein Freund in geistiger Bildung mir in jeder Hinsicht voran, auch hatte er eine recht hübsche Kenntniß der schönen Literatur, die mir durchaus fehlte. In dieser Zeit war Theodor Körner der gefeierte Held des Tages; er brachte mir dessen Gedichte Leyer und Schwerdt, die denn nicht verfehlten, auch auf mich einen großen Eindruck zu machen und auch mich zur Bewunderung hinzureißen.
der Muße nicht muͤde ward, die reizenden Umgebungen immer von neuem zu durchſtreifen. Mit einem Schuͤler Rambergs, einem hoffnungsvollen jungen Kuͤnſtler, hatte ich eine innige Freundſchaft geſchloſſen; er war auf meinen Wanderungen mein beſtaͤndiger Begleiter. Und da ich nun auf ein practiſches Fortſchreiten in der Kunſt wegen meiner Geſundheit und ſonſtigen Umſtaͤnde fernerhin Verzicht leiſten mußte, ſo war es mir ein gro¬ ßer Troſt, mich mit ihm uͤber unſere gemeinſame Freun¬ dinn wenigſtens taͤglich zu unterhalten. Ich nahm Theil an ſeinen Compoſitionen, die er mir haͤufig in der Skizze zeigte und die wir mit einander durchſprachen. Ich ward durch ihn auf manche belehrende Schrift gefuͤhrt, ich las Winckelmann, ich las Mengs; allein da mir die Anſchauung der Sachen fehlte, von denen dieſe Maͤnner handeln, ſo konnte ich mir auch aus ſolcher Lectuͤre nur das Allgemeinſte aneignen und ich hatte davon im Grunde wenig Nutzen.
In der Reſidenz geboren und aufgewachſen, war mein Freund in geiſtiger Bildung mir in jeder Hinſicht voran, auch hatte er eine recht huͤbſche Kenntniß der ſchoͤnen Literatur, die mir durchaus fehlte. In dieſer Zeit war Theodor Koͤrner der gefeierte Held des Tages; er brachte mir deſſen Gedichte Leyer und Schwerdt, die denn nicht verfehlten, auch auf mich einen großen Eindruck zu machen und auch mich zur Bewunderung hinzureißen.
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der Muße nicht muͤde ward, die reizenden Umgebungen
immer von neuem zu durchſtreifen. Mit einem Schuͤler
Rambergs, einem hoffnungsvollen jungen Kuͤnſtler,
hatte ich eine innige Freundſchaft geſchloſſen; er war
auf meinen Wanderungen mein beſtaͤndiger Begleiter.
Und da ich nun auf ein practiſches Fortſchreiten in der
Kunſt wegen meiner Geſundheit und ſonſtigen Umſtaͤnde
fernerhin Verzicht leiſten mußte, ſo war es mir ein gro¬
ßer Troſt, mich mit ihm uͤber unſere gemeinſame Freun¬
dinn wenigſtens taͤglich zu unterhalten. Ich nahm Theil
an ſeinen Compoſitionen, die er mir haͤufig in der Skizze
zeigte und die wir mit einander durchſprachen. Ich ward
durch ihn auf manche belehrende Schrift gefuͤhrt, ich
las Winckelmann, ich las Mengs; allein da mir die
Anſchauung der Sachen fehlte, von denen dieſe Maͤnner
handeln, ſo konnte ich mir auch aus ſolcher Lectuͤre nur
das Allgemeinſte aneignen und ich hatte davon im Grunde
wenig Nutzen.
In der Reſidenz geboren und aufgewachſen, war
mein Freund in geiſtiger Bildung mir in jeder Hinſicht
voran, auch hatte er eine recht huͤbſche Kenntniß der
ſchoͤnen Literatur, die mir durchaus fehlte. In dieſer
Zeit war Theodor Koͤrner der gefeierte Held des
Tages; er brachte mir deſſen Gedichte Leyer und
Schwerdt, die denn nicht verfehlten, auch auf mich
einen großen Eindruck zu machen und auch mich zur
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/36>, abgerufen am 23.11.2024.
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