Buchstaben anzudeuten, in Hoffnung daß es mir in ruhigen Stunden gelingen würde es auf diese Weise zu vollenden. Ich rollte mein Bild zusammen und that es in einen Köcher, den ich, neben meiner Büchse auf dem Rücken hängend, den langen Marsch von Tournay nach Hameln trug.
Hier ward das Jäger-Corps im Herbst des Jahres 1814 aufgelöst. Ich ging in meine Heimath; mein Vater war todt, meine Mutter noch am Leben und bey meiner ältesten Schwester wohnend, die sich indeß verheirathet und das elterliche Haus angenommen hatte. Ich fing nun sogleich an mein Zeichnen fortzusetzen; ich vollendete zunächst jenes aus Brabant mitgebrachte Bild, und als es mir darauf ferner an passenden Mustern fehlte, so hielt ich mich an die kleinen Ram¬ bergischen Kupfer, die ich mit schwarzer Kreide ins Große ausführte. Hiebey merkte ich jedoch sehr bald den Mangel gehöriger Vorstudien und Kenntnisse; ich hatte so wenig Begriffe von der Anatomie des Menschen wie der Thiere; nicht mehr wußte ich von Behandlung der verschiedenen Baumarten und Gründe, und es kostete mich daher unsägliche Mühe, ehe ich auf meine Weise etwas herausbrachte das ungefähr so aussah.
Ich begriff daher sehr bald, daß, wenn ich ein Künstler werden wolle, ich es ein wenig anders anzu¬ fangen hätte, und daß das fernere Suchen und Tasten auf eigenem Wege ein durchaus verlorenes Bemühen
Buchſtaben anzudeuten, in Hoffnung daß es mir in ruhigen Stunden gelingen wuͤrde es auf dieſe Weiſe zu vollenden. Ich rollte mein Bild zuſammen und that es in einen Koͤcher, den ich, neben meiner Buͤchſe auf dem Ruͤcken haͤngend, den langen Marſch von Tournay nach Hameln trug.
Hier ward das Jaͤger-Corps im Herbſt des Jahres 1814 aufgeloͤſt. Ich ging in meine Heimath; mein Vater war todt, meine Mutter noch am Leben und bey meiner aͤlteſten Schweſter wohnend, die ſich indeß verheirathet und das elterliche Haus angenommen hatte. Ich fing nun ſogleich an mein Zeichnen fortzuſetzen; ich vollendete zunaͤchſt jenes aus Brabant mitgebrachte Bild, und als es mir darauf ferner an paſſenden Muſtern fehlte, ſo hielt ich mich an die kleinen Ram¬ bergiſchen Kupfer, die ich mit ſchwarzer Kreide ins Große ausfuͤhrte. Hiebey merkte ich jedoch ſehr bald den Mangel gehoͤriger Vorſtudien und Kenntniſſe; ich hatte ſo wenig Begriffe von der Anatomie des Menſchen wie der Thiere; nicht mehr wußte ich von Behandlung der verſchiedenen Baumarten und Gruͤnde, und es koſtete mich daher unſaͤgliche Muͤhe, ehe ich auf meine Weiſe etwas herausbrachte das ungefaͤhr ſo ausſah.
Ich begriff daher ſehr bald, daß, wenn ich ein Kuͤnſtler werden wolle, ich es ein wenig anders anzu¬ fangen haͤtte, und daß das fernere Suchen und Taſten auf eigenem Wege ein durchaus verlorenes Bemuͤhen
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Buchſtaben anzudeuten, in Hoffnung daß es mir in
ruhigen Stunden gelingen wuͤrde es auf dieſe Weiſe zu
vollenden. Ich rollte mein Bild zuſammen und that es
in einen Koͤcher, den ich, neben meiner Buͤchſe auf dem
Ruͤcken haͤngend, den langen Marſch von Tournay nach
Hameln trug.
Hier ward das Jaͤger-Corps im Herbſt des Jahres
1814 aufgeloͤſt. Ich ging in meine Heimath; mein
Vater war todt, meine Mutter noch am Leben und
bey meiner aͤlteſten Schweſter wohnend, die ſich indeß
verheirathet und das elterliche Haus angenommen hatte.
Ich fing nun ſogleich an mein Zeichnen fortzuſetzen;
ich vollendete zunaͤchſt jenes aus Brabant mitgebrachte
Bild, und als es mir darauf ferner an paſſenden
Muſtern fehlte, ſo hielt ich mich an die kleinen Ram¬
bergiſchen Kupfer, die ich mit ſchwarzer Kreide ins
Große ausfuͤhrte. Hiebey merkte ich jedoch ſehr bald
den Mangel gehoͤriger Vorſtudien und Kenntniſſe; ich
hatte ſo wenig Begriffe von der Anatomie des Menſchen
wie der Thiere; nicht mehr wußte ich von Behandlung
der verſchiedenen Baumarten und Gruͤnde, und es
koſtete mich daher unſaͤgliche Muͤhe, ehe ich auf meine
Weiſe etwas herausbrachte das ungefaͤhr ſo ausſah.
Ich begriff daher ſehr bald, daß, wenn ich ein
Kuͤnſtler werden wolle, ich es ein wenig anders anzu¬
fangen haͤtte, und daß das fernere Suchen und Taſten
auf eigenem Wege ein durchaus verlorenes Bemuͤhen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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