und doch würden die Bilder nicht hineingehen, so groß sind seine Thaten."
Der Canzler brachte Ludens Geschichte der Deutschen ins Gespräch, und ich hatte zu bewundern, mit welcher Gewandtheit und Eindringlichkeit der junge Goethe dasjenige, was öffentliche Blätter an dem Buche zu tadeln gefunden, aus der Zeit, in der es geschrieben, und den nationalen Empfindungen und Rücksichten die dabey in dem Verfasser gelebt, herzuleiten wußte. Es ergab sich, daß Napoleons Kriege erst jene des Cäsars aufgeschlossen. "Früher, sagte Goethe, war Cäsars Buch freylich nicht viel mehr als ein bloßes Exercitium gelehrter Schulen."
Von der altdeutschen Zeit kam das Gespräch auf die gothische. Es war von einem Bücherschranke die Rede, der einen gothischen Character habe; sodann kam man auf den neuesten Geschmack, ganze Zimmer in altdeutscher und gothischer Art einzurichten und in einer solchen Umgebung einer veralteten Zeit zu wohnen.
"In einem Hause, sagte Goethe, wo so viele Zim¬ mer sind, daß man einige derselben leer stehen läßt und im ganzen Jahr vielleicht nur drey, vier Mal hinein¬ kommt, mag eine solche Liebhaberey hingehen und man mag auch ein gothisches Zimmer haben, so wie ich es ganz hübsch finde, daß Madame Panckoucke in Paris ein chinesisches hat. Allein sein Wohnzimmer mit so frem¬ der und veralteter Umgebung auszustaffiren, kann ich
und doch wuͤrden die Bilder nicht hineingehen, ſo groß ſind ſeine Thaten.“
Der Canzler brachte Ludens Geſchichte der Deutſchen ins Geſpraͤch, und ich hatte zu bewundern, mit welcher Gewandtheit und Eindringlichkeit der junge Goethe dasjenige, was oͤffentliche Blaͤtter an dem Buche zu tadeln gefunden, aus der Zeit, in der es geſchrieben, und den nationalen Empfindungen und Ruͤckſichten die dabey in dem Verfaſſer gelebt, herzuleiten wußte. Es ergab ſich, daß Napoleons Kriege erſt jene des Caͤſars aufgeſchloſſen. „Fruͤher, ſagte Goethe, war Caͤſars Buch freylich nicht viel mehr als ein bloßes Exercitium gelehrter Schulen.“
Von der altdeutſchen Zeit kam das Geſpraͤch auf die gothiſche. Es war von einem Buͤcherſchranke die Rede, der einen gothiſchen Character habe; ſodann kam man auf den neueſten Geſchmack, ganze Zimmer in altdeutſcher und gothiſcher Art einzurichten und in einer ſolchen Umgebung einer veralteten Zeit zu wohnen.
„In einem Hauſe, ſagte Goethe, wo ſo viele Zim¬ mer ſind, daß man einige derſelben leer ſtehen laͤßt und im ganzen Jahr vielleicht nur drey, vier Mal hinein¬ kommt, mag eine ſolche Liebhaberey hingehen und man mag auch ein gothiſches Zimmer haben, ſo wie ich es ganz huͤbſch finde, daß Madame Panckoucke in Paris ein chineſiſches hat. Allein ſein Wohnzimmer mit ſo frem¬ der und veralteter Umgebung auszuſtaffiren, kann ich
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und doch wuͤrden die Bilder nicht hineingehen, ſo groß
ſind ſeine Thaten.“
Der Canzler brachte Ludens Geſchichte der Deutſchen
ins Geſpraͤch, und ich hatte zu bewundern, mit welcher
Gewandtheit und Eindringlichkeit der junge Goethe
dasjenige, was oͤffentliche Blaͤtter an dem Buche zu
tadeln gefunden, aus der Zeit, in der es geſchrieben,
und den nationalen Empfindungen und Ruͤckſichten die
dabey in dem Verfaſſer gelebt, herzuleiten wußte. Es
ergab ſich, daß Napoleons Kriege erſt jene des Caͤſars
aufgeſchloſſen. „Fruͤher, ſagte Goethe, war Caͤſars
Buch freylich nicht viel mehr als ein bloßes Exercitium
gelehrter Schulen.“
Von der altdeutſchen Zeit kam das Geſpraͤch auf
die gothiſche. Es war von einem Buͤcherſchranke die
Rede, der einen gothiſchen Character habe; ſodann kam
man auf den neueſten Geſchmack, ganze Zimmer in
altdeutſcher und gothiſcher Art einzurichten und in einer
ſolchen Umgebung einer veralteten Zeit zu wohnen.
„In einem Hauſe, ſagte Goethe, wo ſo viele Zim¬
mer ſind, daß man einige derſelben leer ſtehen laͤßt
und im ganzen Jahr vielleicht nur drey, vier Mal hinein¬
kommt, mag eine ſolche Liebhaberey hingehen und man
mag auch ein gothiſches Zimmer haben, ſo wie ich es
ganz huͤbſch finde, daß Madame Panckoucke in Paris ein
chineſiſches hat. Allein ſein Wohnzimmer mit ſo frem¬
der und veralteter Umgebung auszuſtaffiren, kann ich
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/313>, abgerufen am 25.11.2024.
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