wollene Strümpfe und Beyderwand (ein aus der brau¬ nen Wolle der Haideschnucken und leinenem Garn geweb¬ tes Zeug), das er denn auf dem jenseitigen Elbufer, in den Vierlanden, gleichfalls hausirend, wieder absetzte. Im Winter trieb er einen Handel mit rohen Schreibfedern und ungebleichter Leinewand, die er in den Dörfern der Haide- und Marschgegend aufkaufte und mit Schiffsgelegenheit nach Hamburg brachte. In allen Fällen jedoch mußte sein Gewinn sehr gering seyn, denn wir lebten immer in einiger Armuth.
Soll ich nun von meiner kindlichen Thätigkeit reden, so war sie gleichfalls nach den Jahreszeiten ver¬ schieden. Mit dem anbrechenden Frühling, und so wie die Gewässer der gewöhnlichen Elb-Überschwemmungen ver¬ laufen waren, ging ich täglich, um das an den Binnen¬ deichen und sonstigen Erhöhungen angespülte Schilf zu sammeln und als eine beliebte Streu für unsere Kuh an¬ zuhäufen. Wenn sodann auf der weitausgedehnten Weide¬ fläche das erste Grün hervorkeimte, verlebte ich in Ge¬ meinschaft mit anderen Knaben lange Tage im Hüten der Kühe. Während des Sommers war ich thätig in Be¬ stellung unseres Ackers, auch schleppte ich für das Bedürf¬ niß des Herdes das ganze Jahr hindurch aus der kaum eine Stunde entfernten Waldung trockenes Holz herbey. Zur Zeit der Korn-Ernte sah man mich wochenlang in den Feldern mit Ährenlesen beschäftigt, und später, wenn die Herbstwinde die Bäume schüttelten, sammlete ich Ei¬
wollene Struͤmpfe und Beyderwand (ein aus der brau¬ nen Wolle der Haideſchnucken und leinenem Garn geweb¬ tes Zeug), das er denn auf dem jenſeitigen Elbufer, in den Vierlanden, gleichfalls hauſirend, wieder abſetzte. Im Winter trieb er einen Handel mit rohen Schreibfedern und ungebleichter Leinewand, die er in den Doͤrfern der Haide- und Marſchgegend aufkaufte und mit Schiffsgelegenheit nach Hamburg brachte. In allen Faͤllen jedoch mußte ſein Gewinn ſehr gering ſeyn, denn wir lebten immer in einiger Armuth.
Soll ich nun von meiner kindlichen Thaͤtigkeit reden, ſo war ſie gleichfalls nach den Jahreszeiten ver¬ ſchieden. Mit dem anbrechenden Fruͤhling, und ſo wie die Gewaͤſſer der gewoͤhnlichen Elb-Überſchwemmungen ver¬ laufen waren, ging ich taͤglich, um das an den Binnen¬ deichen und ſonſtigen Erhoͤhungen angeſpuͤlte Schilf zu ſammeln und als eine beliebte Streu fuͤr unſere Kuh an¬ zuhaͤufen. Wenn ſodann auf der weitausgedehnten Weide¬ flaͤche das erſte Gruͤn hervorkeimte, verlebte ich in Ge¬ meinſchaft mit anderen Knaben lange Tage im Huͤten der Kuͤhe. Waͤhrend des Sommers war ich thaͤtig in Be¬ ſtellung unſeres Ackers, auch ſchleppte ich fuͤr das Beduͤrf¬ niß des Herdes das ganze Jahr hindurch aus der kaum eine Stunde entfernten Waldung trockenes Holz herbey. Zur Zeit der Korn-Ernte ſah man mich wochenlang in den Feldern mit Ährenleſen beſchaͤftigt, und ſpaͤter, wenn die Herbſtwinde die Baͤume ſchuͤttelten, ſammlete ich Ei¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0025"n="5"/>
wollene Struͤmpfe und Beyderwand (ein aus der brau¬<lb/>
nen Wolle der Haideſchnucken und leinenem Garn geweb¬<lb/>
tes Zeug), das er denn auf dem jenſeitigen Elbufer, in<lb/>
den Vierlanden, gleichfalls hauſirend, wieder abſetzte. Im<lb/>
Winter trieb er einen Handel mit rohen Schreibfedern und<lb/>
ungebleichter Leinewand, die er in den Doͤrfern der Haide-<lb/>
und Marſchgegend aufkaufte und mit Schiffsgelegenheit<lb/>
nach Hamburg brachte. In allen Faͤllen jedoch mußte ſein<lb/>
Gewinn ſehr gering ſeyn, denn wir lebten immer in einiger<lb/>
Armuth.</p><lb/><p>Soll ich nun von <hirendition="#g">meiner</hi> kindlichen Thaͤtigkeit<lb/>
reden, ſo war ſie gleichfalls nach den Jahreszeiten ver¬<lb/>ſchieden. Mit dem anbrechenden Fruͤhling, und ſo wie die<lb/>
Gewaͤſſer der gewoͤhnlichen Elb-Überſchwemmungen ver¬<lb/>
laufen waren, ging ich taͤglich, um das an den Binnen¬<lb/>
deichen und ſonſtigen Erhoͤhungen angeſpuͤlte Schilf zu<lb/>ſammeln und als eine beliebte Streu fuͤr unſere Kuh an¬<lb/>
zuhaͤufen. Wenn ſodann auf der weitausgedehnten Weide¬<lb/>
flaͤche das erſte Gruͤn hervorkeimte, verlebte ich in Ge¬<lb/>
meinſchaft mit anderen Knaben lange Tage im Huͤten der<lb/>
Kuͤhe. Waͤhrend des Sommers war ich thaͤtig in Be¬<lb/>ſtellung unſeres Ackers, auch ſchleppte ich fuͤr das Beduͤrf¬<lb/>
niß des Herdes das ganze Jahr hindurch aus der kaum<lb/>
eine Stunde entfernten Waldung trockenes Holz herbey.<lb/>
Zur Zeit der Korn-Ernte ſah man mich wochenlang in<lb/>
den Feldern mit Ährenleſen beſchaͤftigt, und ſpaͤter, wenn<lb/>
die Herbſtwinde die Baͤume ſchuͤttelten, ſammlete ich Ei¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[5/0025]
wollene Struͤmpfe und Beyderwand (ein aus der brau¬
nen Wolle der Haideſchnucken und leinenem Garn geweb¬
tes Zeug), das er denn auf dem jenſeitigen Elbufer, in
den Vierlanden, gleichfalls hauſirend, wieder abſetzte. Im
Winter trieb er einen Handel mit rohen Schreibfedern und
ungebleichter Leinewand, die er in den Doͤrfern der Haide-
und Marſchgegend aufkaufte und mit Schiffsgelegenheit
nach Hamburg brachte. In allen Faͤllen jedoch mußte ſein
Gewinn ſehr gering ſeyn, denn wir lebten immer in einiger
Armuth.
Soll ich nun von meiner kindlichen Thaͤtigkeit
reden, ſo war ſie gleichfalls nach den Jahreszeiten ver¬
ſchieden. Mit dem anbrechenden Fruͤhling, und ſo wie die
Gewaͤſſer der gewoͤhnlichen Elb-Überſchwemmungen ver¬
laufen waren, ging ich taͤglich, um das an den Binnen¬
deichen und ſonſtigen Erhoͤhungen angeſpuͤlte Schilf zu
ſammeln und als eine beliebte Streu fuͤr unſere Kuh an¬
zuhaͤufen. Wenn ſodann auf der weitausgedehnten Weide¬
flaͤche das erſte Gruͤn hervorkeimte, verlebte ich in Ge¬
meinſchaft mit anderen Knaben lange Tage im Huͤten der
Kuͤhe. Waͤhrend des Sommers war ich thaͤtig in Be¬
ſtellung unſeres Ackers, auch ſchleppte ich fuͤr das Beduͤrf¬
niß des Herdes das ganze Jahr hindurch aus der kaum
eine Stunde entfernten Waldung trockenes Holz herbey.
Zur Zeit der Korn-Ernte ſah man mich wochenlang in
den Feldern mit Ährenleſen beſchaͤftigt, und ſpaͤter, wenn
die Herbſtwinde die Baͤume ſchuͤttelten, ſammlete ich Ei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/25>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.