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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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widerstrebenden Naturen muß man sich zusammennehmen,
um mit ihnen durchzukommen, und dadurch werden alle
die verschiedenen Seiten in uns angeregt und zur Ent¬
wickelung und Ausbildung gebracht, so daß man sich
denn bald jedem Vis-a-vis gewachsen fühlt. So sol¬
len Sie es auch machen. Sie haben dazu mehr An¬
lage als Sie selber glauben; und das hilft nun einmal
nichts, Sie müssen in die große Welt hinein, Sie
mögen sich stellen wie Sie wollen."

Ich merkte mir diese guten Worte und nahm mir
vor, so viel wie möglich danach zu handeln.

Gegen Abend hatte Goethe mich zu einer Spazier¬
fahrt einladen lassen. Unser Weg ging durch Ober¬
weimar über die Hügel, wo man gegen Westen die
Ansicht des Parkes hat. Die Bäume blühten, die Bir¬
ken waren schon belaubt und die Wiesen durchaus ein
grüner Teppich, über welche die sinkende Sonne herstreifte.
Wir suchten malerische Gruppen und konnten die Augen
nicht genug aufthun. Es ward bemerkt, daß weißblühende
Bäume nicht zu malen, weil sie kein Bild machen; so
wie daß grünende Birken nicht im Vordergrunde eines
Bildes zu gebrauchen, indem das schwache Laub dem
weißen Stamme nicht das Gleichgewicht zu halten ver¬
möge; es bilde keine große Partieen, die man durch mächtige
Licht- und Schatten-Massen herausheben könne. "Ruys¬
dael, sagte Goethe, hat daher nie belaubte Birken in den
Vordergrund gestellt, sondern bloße Birken-Stämme,

widerſtrebenden Naturen muß man ſich zuſammennehmen,
um mit ihnen durchzukommen, und dadurch werden alle
die verſchiedenen Seiten in uns angeregt und zur Ent¬
wickelung und Ausbildung gebracht, ſo daß man ſich
denn bald jedem Vis-à-vis gewachſen fuͤhlt. So ſol¬
len Sie es auch machen. Sie haben dazu mehr An¬
lage als Sie ſelber glauben; und das hilft nun einmal
nichts, Sie muͤſſen in die große Welt hinein, Sie
moͤgen ſich ſtellen wie Sie wollen.“

Ich merkte mir dieſe guten Worte und nahm mir
vor, ſo viel wie moͤglich danach zu handeln.

Gegen Abend hatte Goethe mich zu einer Spazier¬
fahrt einladen laſſen. Unſer Weg ging durch Ober¬
weimar uͤber die Huͤgel, wo man gegen Weſten die
Anſicht des Parkes hat. Die Baͤume bluͤhten, die Bir¬
ken waren ſchon belaubt und die Wieſen durchaus ein
gruͤner Teppich, uͤber welche die ſinkende Sonne herſtreifte.
Wir ſuchten maleriſche Gruppen und konnten die Augen
nicht genug aufthun. Es ward bemerkt, daß weißbluͤhende
Baͤume nicht zu malen, weil ſie kein Bild machen; ſo
wie daß gruͤnende Birken nicht im Vordergrunde eines
Bildes zu gebrauchen, indem das ſchwache Laub dem
weißen Stamme nicht das Gleichgewicht zu halten ver¬
moͤge; es bilde keine große Partieen, die man durch maͤchtige
Licht- und Schatten-Maſſen herausheben koͤnne. „Ruys¬
dael, ſagte Goethe, hat daher nie belaubte Birken in den
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[152/0172] widerſtrebenden Naturen muß man ſich zuſammennehmen, um mit ihnen durchzukommen, und dadurch werden alle die verſchiedenen Seiten in uns angeregt und zur Ent¬ wickelung und Ausbildung gebracht, ſo daß man ſich denn bald jedem Vis-à-vis gewachſen fuͤhlt. So ſol¬ len Sie es auch machen. Sie haben dazu mehr An¬ lage als Sie ſelber glauben; und das hilft nun einmal nichts, Sie muͤſſen in die große Welt hinein, Sie moͤgen ſich ſtellen wie Sie wollen.“ Ich merkte mir dieſe guten Worte und nahm mir vor, ſo viel wie moͤglich danach zu handeln. Gegen Abend hatte Goethe mich zu einer Spazier¬ fahrt einladen laſſen. Unſer Weg ging durch Ober¬ weimar uͤber die Huͤgel, wo man gegen Weſten die Anſicht des Parkes hat. Die Baͤume bluͤhten, die Bir¬ ken waren ſchon belaubt und die Wieſen durchaus ein gruͤner Teppich, uͤber welche die ſinkende Sonne herſtreifte. Wir ſuchten maleriſche Gruppen und konnten die Augen nicht genug aufthun. Es ward bemerkt, daß weißbluͤhende Baͤume nicht zu malen, weil ſie kein Bild machen; ſo wie daß gruͤnende Birken nicht im Vordergrunde eines Bildes zu gebrauchen, indem das ſchwache Laub dem weißen Stamme nicht das Gleichgewicht zu halten ver¬ moͤge; es bilde keine große Partieen, die man durch maͤchtige Licht- und Schatten-Maſſen herausheben koͤnne. „Ruys¬ dael, ſagte Goethe, hat daher nie belaubte Birken in den Vordergrund geſtellt, ſondern bloße Birken-Staͤmme,

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/172>, abgerufen am 27.11.2024.