Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

kraftlos wäre, gegen Mißhelligkeiten anzukämpfen. Unser
Freund hat Recht. Man soll Darius weder einer
Schwäche noch einer Trägheit zeihen dürfen. Wenn ich
nicht die Welt beherrschen kann, so will ich wenigstens
Herr meiner selbst sein!"

Der schöne Jüngling richtete sich bei diesen Worten
in seinem Sattel hoch empor. Sein Begleiter sah ihn
staunend an und rief:

"Wahrlich, Sohn des Hystaspes, ich glaube, daß
Du zu großen Dingen bestimmt bist. Die Götter haben
ihrem Lieblinge Kyros, als Du noch ein Knabe warest,
nicht von ungefähr jenen Traum geschenkt, um deßwillen
Dich derselbe von Deinem Vater in Gewahrsam bringen
ließ."

"Und dennoch sind mir noch keine Flügel gewachsen!"

"Nicht Deinem Körper, wohl aber Deinem Geiste.
Jüngling, Jüngling, Du wandelst eine gefährliche Straße!"

"Braucht der Geflügelte den Abgrund zu fürchten?"

"Ja; wenn seine Kräfte versagen!"

"Jch aber bin stark!"

"Doch Stärkere werden versuchen, Deine Schwingen
zu brechen!"

"Sie mögen kommen! Jch weiß, daß ich nur das
Rechte will, und vertraue meinem Stern!"

"Weißt Du auch, wie derselbe heißt?"

"Er beherrschte die Stunde meiner Geburt und
Anahita 39) ist sein Name."

"Jch glaube ihn besser zu kennen. Heißer Ehrgeiz
nennt sich die Sonne, deren Strahlen Deine Handlungen
leiten. Hüte Dich, Jüngling! Auch ich bin einstmals
jene Straße gewandert, welche entweder zum Ruhm oder
in die Schande, aber nur selten zum wahren Glücke führt.

kraftlos wäre, gegen Mißhelligkeiten anzukämpfen. Unſer
Freund hat Recht. Man ſoll Darius weder einer
Schwäche noch einer Trägheit zeihen dürfen. Wenn ich
nicht die Welt beherrſchen kann, ſo will ich wenigſtens
Herr meiner ſelbſt ſein!“

Der ſchöne Jüngling richtete ſich bei dieſen Worten
in ſeinem Sattel hoch empor. Sein Begleiter ſah ihn
ſtaunend an und rief:

„Wahrlich, Sohn des Hyſtaspes, ich glaube, daß
Du zu großen Dingen beſtimmt biſt. Die Götter haben
ihrem Lieblinge Kyros, als Du noch ein Knabe wareſt,
nicht von ungefähr jenen Traum geſchenkt, um deßwillen
Dich derſelbe von Deinem Vater in Gewahrſam bringen
ließ.“

„Und dennoch ſind mir noch keine Flügel gewachſen!“

„Nicht Deinem Körper, wohl aber Deinem Geiſte.
Jüngling, Jüngling, Du wandelſt eine gefährliche Straße!“

„Braucht der Geflügelte den Abgrund zu fürchten?“

„Ja; wenn ſeine Kräfte verſagen!“

„Jch aber bin ſtark!“

„Doch Stärkere werden verſuchen, Deine Schwingen
zu brechen!“

„Sie mögen kommen! Jch weiß, daß ich nur das
Rechte will, und vertraue meinem Stern!“

„Weißt Du auch, wie derſelbe heißt?“

„Er beherrſchte die Stunde meiner Geburt und
Anahita 39) iſt ſein Name.“

„Jch glaube ihn beſſer zu kennen. Heißer Ehrgeiz
nennt ſich die Sonne, deren Strahlen Deine Handlungen
leiten. Hüte Dich, Jüngling! Auch ich bin einſtmals
jene Straße gewandert, welche entweder zum Ruhm oder
in die Schande, aber nur ſelten zum wahren Glücke führt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="62"/>
kraftlos wäre, gegen Mißhelligkeiten anzukämpfen. Un&#x017F;er<lb/>
Freund hat Recht. Man &#x017F;oll Darius weder einer<lb/>
Schwäche noch einer Trägheit zeihen dürfen. Wenn ich<lb/>
nicht die Welt beherr&#x017F;chen kann, &#x017F;o will ich wenig&#x017F;tens<lb/>
Herr meiner &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der &#x017F;chöne Jüngling richtete &#x017F;ich bei die&#x017F;en Worten<lb/>
in &#x017F;einem Sattel hoch empor. Sein Begleiter &#x017F;ah ihn<lb/>
&#x017F;taunend an und rief:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wahrlich, Sohn des Hy&#x017F;taspes, ich glaube, daß<lb/>
Du zu großen Dingen be&#x017F;timmt bi&#x017F;t. Die Götter haben<lb/>
ihrem Lieblinge Kyros, als Du noch ein Knabe ware&#x017F;t,<lb/>
nicht von ungefähr jenen Traum ge&#x017F;chenkt, um deßwillen<lb/>
Dich der&#x017F;elbe von Deinem Vater in Gewahr&#x017F;am bringen<lb/>
ließ.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dennoch &#x017F;ind mir noch keine Flügel gewach&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht Deinem Körper, wohl aber Deinem Gei&#x017F;te.<lb/>
Jüngling, Jüngling, Du wandel&#x017F;t eine gefährliche Straße!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Braucht der Geflügelte den Abgrund zu fürchten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja; wenn &#x017F;eine Kräfte ver&#x017F;agen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch aber bin &#x017F;tark!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Doch Stärkere werden ver&#x017F;uchen, Deine Schwingen<lb/>
zu brechen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie mögen kommen! Jch weiß, daß ich nur das<lb/>
Rechte will, und vertraue meinem Stern!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weißt Du auch, wie der&#x017F;elbe heißt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er beherr&#x017F;chte die Stunde meiner Geburt und<lb/>
Anahita <hi rendition="#sup">39</hi>) i&#x017F;t &#x017F;ein Name.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch glaube ihn be&#x017F;&#x017F;er zu kennen. Heißer Ehrgeiz<lb/>
nennt &#x017F;ich die Sonne, deren Strahlen Deine Handlungen<lb/>
leiten. Hüte Dich, Jüngling! Auch ich bin ein&#x017F;tmals<lb/>
jene Straße gewandert, welche entweder zum Ruhm oder<lb/>
in die Schande, aber nur &#x017F;elten zum wahren Glücke führt.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] kraftlos wäre, gegen Mißhelligkeiten anzukämpfen. Unſer Freund hat Recht. Man ſoll Darius weder einer Schwäche noch einer Trägheit zeihen dürfen. Wenn ich nicht die Welt beherrſchen kann, ſo will ich wenigſtens Herr meiner ſelbſt ſein!“ Der ſchöne Jüngling richtete ſich bei dieſen Worten in ſeinem Sattel hoch empor. Sein Begleiter ſah ihn ſtaunend an und rief: „Wahrlich, Sohn des Hyſtaspes, ich glaube, daß Du zu großen Dingen beſtimmt biſt. Die Götter haben ihrem Lieblinge Kyros, als Du noch ein Knabe wareſt, nicht von ungefähr jenen Traum geſchenkt, um deßwillen Dich derſelbe von Deinem Vater in Gewahrſam bringen ließ.“ „Und dennoch ſind mir noch keine Flügel gewachſen!“ „Nicht Deinem Körper, wohl aber Deinem Geiſte. Jüngling, Jüngling, Du wandelſt eine gefährliche Straße!“ „Braucht der Geflügelte den Abgrund zu fürchten?“ „Ja; wenn ſeine Kräfte verſagen!“ „Jch aber bin ſtark!“ „Doch Stärkere werden verſuchen, Deine Schwingen zu brechen!“ „Sie mögen kommen! Jch weiß, daß ich nur das Rechte will, und vertraue meinem Stern!“ „Weißt Du auch, wie derſelbe heißt?“ „Er beherrſchte die Stunde meiner Geburt und Anahita 39) iſt ſein Name.“ „Jch glaube ihn beſſer zu kennen. Heißer Ehrgeiz nennt ſich die Sonne, deren Strahlen Deine Handlungen leiten. Hüte Dich, Jüngling! Auch ich bin einſtmals jene Straße gewandert, welche entweder zum Ruhm oder in die Schande, aber nur ſelten zum wahren Glücke führt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/72
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/72>, abgerufen am 27.11.2024.