Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Krösus und Phanes begaben sich gemeinsam in den
Garten, welcher auf der Ostseite des Schlosses mit Baum-
und Sträucherpflanzungen, Wasserkünsten und Blumen-
beeten grünte. Die Züge des Atheners strahlten vor
Wonne, während der entthronte König sorgenvoll vor sich
hinblickte.

"Hast Du bedacht, Hellene, begann der Letztere, welche
Brandfackel Du soeben in die Welt geschleudert hast?"

"Unbedacht zu handeln ist nur Kindern und Narren
eigen."

"Du vergißt die von der Leidenschaft Bethörten."

"Zu diesen gehöre ich nicht."

"Und dennoch ist die Rache die furchtbarste aller
Leidenschaften."

"Nur, wenn sie in blinder Wallung geübt wird. --
Meine Rache ist kühl, wie dieses Eisen; aber ich kenne
meine Pflicht."

"Die erste Pflicht jedes Tugendhaften ist, dem Wohle
seines Vaterlandes sein eignes unterzuordnen."

"Das weiß ich ..."

"Vergißt aber, daß Du den Persern mit dem ägypti-
schen Reiche Deine hellenische Heimat überlieferst!"

"Jch denke anders."

"Glaubst Du, daß Persien das schöne Griechenland
unangefochten lassen wird, wenn alle anderen Küsten des
Mittelmeeres ihm gehören?"

"Keineswegs; wohl aber kenn' ich meine Hellenen
und glaube, daß sie allen Barbarenheeren siegreich wider-
stehen, und, naht die Gefahr, größer sein werden, denn
je. Die Noth wird all' unsre gesonderten Stämme ver-
einen, wird uns zu einem großen, einigen Volke machen
und die Throne der Tyrannen stürzen."

Kröſus und Phanes begaben ſich gemeinſam in den
Garten, welcher auf der Oſtſeite des Schloſſes mit Baum-
und Sträucherpflanzungen, Waſſerkünſten und Blumen-
beeten grünte. Die Züge des Atheners ſtrahlten vor
Wonne, während der entthronte König ſorgenvoll vor ſich
hinblickte.

„Haſt Du bedacht, Hellene, begann der Letztere, welche
Brandfackel Du ſoeben in die Welt geſchleudert haſt?“

„Unbedacht zu handeln iſt nur Kindern und Narren
eigen.“

„Du vergißt die von der Leidenſchaft Bethörten.“

„Zu dieſen gehöre ich nicht.“

„Und dennoch iſt die Rache die furchtbarſte aller
Leidenſchaften.“

„Nur, wenn ſie in blinder Wallung geübt wird. —
Meine Rache iſt kühl, wie dieſes Eiſen; aber ich kenne
meine Pflicht.“

„Die erſte Pflicht jedes Tugendhaften iſt, dem Wohle
ſeines Vaterlandes ſein eignes unterzuordnen.“

„Das weiß ich ...“

„Vergißt aber, daß Du den Perſern mit dem ägypti-
ſchen Reiche Deine helleniſche Heimat überlieferſt!“

„Jch denke anders.“

„Glaubſt Du, daß Perſien das ſchöne Griechenland
unangefochten laſſen wird, wenn alle anderen Küſten des
Mittelmeeres ihm gehören?“

„Keineswegs; wohl aber kenn’ ich meine Hellenen
und glaube, daß ſie allen Barbarenheeren ſiegreich wider-
ſtehen, und, naht die Gefahr, größer ſein werden, denn
je. Die Noth wird all’ unſre geſonderten Stämme ver-
einen, wird uns zu einem großen, einigen Volke machen
und die Throne der Tyrannen ſtürzen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0064" n="54"/>
        <p>Krö&#x017F;us und Phanes begaben &#x017F;ich gemein&#x017F;am in den<lb/>
Garten, welcher auf der O&#x017F;t&#x017F;eite des Schlo&#x017F;&#x017F;es mit Baum-<lb/>
und Sträucherpflanzungen, Wa&#x017F;&#x017F;erkün&#x017F;ten und Blumen-<lb/>
beeten grünte. Die Züge des Atheners &#x017F;trahlten vor<lb/>
Wonne, während der entthronte König &#x017F;orgenvoll vor &#x017F;ich<lb/>
hinblickte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ha&#x017F;t Du bedacht, Hellene, begann der Letztere, welche<lb/>
Brandfackel Du &#x017F;oeben in die Welt ge&#x017F;chleudert ha&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unbedacht zu handeln i&#x017F;t nur Kindern und Narren<lb/>
eigen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du vergißt die von der Leiden&#x017F;chaft Bethörten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zu die&#x017F;en gehöre ich nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dennoch i&#x017F;t die Rache die furchtbar&#x017F;te aller<lb/>
Leiden&#x017F;chaften.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nur, wenn &#x017F;ie in blinder Wallung geübt wird. &#x2014;<lb/>
Meine Rache i&#x017F;t kühl, wie die&#x017F;es Ei&#x017F;en; aber ich kenne<lb/>
meine Pflicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die er&#x017F;te Pflicht jedes Tugendhaften i&#x017F;t, dem Wohle<lb/>
&#x017F;eines Vaterlandes &#x017F;ein eignes unterzuordnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weiß ich ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vergißt aber, daß Du den Per&#x017F;ern mit dem ägypti-<lb/>
&#x017F;chen Reiche Deine helleni&#x017F;che Heimat überliefer&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch denke anders.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Glaub&#x017F;t Du, daß Per&#x017F;ien das &#x017F;chöne Griechenland<lb/>
unangefochten la&#x017F;&#x017F;en wird, wenn alle anderen Kü&#x017F;ten des<lb/>
Mittelmeeres ihm gehören?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Keineswegs; wohl aber kenn&#x2019; ich meine Hellenen<lb/>
und glaube, daß &#x017F;ie allen Barbarenheeren &#x017F;iegreich wider-<lb/>
&#x017F;tehen, und, naht die Gefahr, größer &#x017F;ein werden, denn<lb/>
je. Die Noth wird all&#x2019; un&#x017F;re ge&#x017F;onderten Stämme ver-<lb/>
einen, wird uns zu einem großen, einigen Volke machen<lb/>
und die Throne der Tyrannen &#x017F;türzen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0064] Kröſus und Phanes begaben ſich gemeinſam in den Garten, welcher auf der Oſtſeite des Schloſſes mit Baum- und Sträucherpflanzungen, Waſſerkünſten und Blumen- beeten grünte. Die Züge des Atheners ſtrahlten vor Wonne, während der entthronte König ſorgenvoll vor ſich hinblickte. „Haſt Du bedacht, Hellene, begann der Letztere, welche Brandfackel Du ſoeben in die Welt geſchleudert haſt?“ „Unbedacht zu handeln iſt nur Kindern und Narren eigen.“ „Du vergißt die von der Leidenſchaft Bethörten.“ „Zu dieſen gehöre ich nicht.“ „Und dennoch iſt die Rache die furchtbarſte aller Leidenſchaften.“ „Nur, wenn ſie in blinder Wallung geübt wird. — Meine Rache iſt kühl, wie dieſes Eiſen; aber ich kenne meine Pflicht.“ „Die erſte Pflicht jedes Tugendhaften iſt, dem Wohle ſeines Vaterlandes ſein eignes unterzuordnen.“ „Das weiß ich ...“ „Vergißt aber, daß Du den Perſern mit dem ägypti- ſchen Reiche Deine helleniſche Heimat überlieferſt!“ „Jch denke anders.“ „Glaubſt Du, daß Perſien das ſchöne Griechenland unangefochten laſſen wird, wenn alle anderen Küſten des Mittelmeeres ihm gehören?“ „Keineswegs; wohl aber kenn’ ich meine Hellenen und glaube, daß ſie allen Barbarenheeren ſiegreich wider- ſtehen, und, naht die Gefahr, größer ſein werden, denn je. Die Noth wird all’ unſre geſonderten Stämme ver- einen, wird uns zu einem großen, einigen Volke machen und die Throne der Tyrannen ſtürzen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/64
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/64>, abgerufen am 12.05.2024.