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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Zeitgenossen gehört, erzählt 146), daß die unglücklichen Sol-
daten sich, nachdem der Mundvorrath ausgegangen war,
so lang' es ging, von Kräutern genährt hätten; als aber
in der Sandwüste jede Vegetation aufhörte, sollen sie, von
verzweifelter Noth getrieben, ihre Zuflucht zu einem Aus-
kunftsmittel genommen haben, welches die Feder sich zu
berichten sträubt. Je zehn Soldaten looseten nämlich mit
einander und verzehrten denjenigen, welcher den unglück-
lichen Treffer gezogen hatte.

Nun zwang man endlich den Wahnsinnigen, heim-
zukehren, um ihm, nachdem man wiederum zu bewohnten
Gegenden gelangt war, nach asiatischer Sklavenart, trotz
seines zerrütteten Geistes, von Neuem blindlings zu ge-
horchen.

Als er mit den Trümmern des Heeres in Memphis
einzog, hatten die Aegypter einen neuen Apis *) gefunden
und feierten, dem in dem heiligen Stiere verborgenen
neu erschienenen Gotte, in herrlichen Kleidern, ein großes
Freudenfest.

Da Kambyses schon zu Theben erfahren hatte, daß
sein gegen die Oase des Ammon 147), in der libyschen Wüste,
geschicktes Heer durch einen Chamsin 148) kläglich umge-
kommen sei, und daß sich die Flotte, der er Karthago zu
erobern befohlen hatte, gegen ihre Stammgenossen zu
ziehen, geweigert habe 149), glaubte der König, daß die
Memphiten, seiner unglücklichen Kriegszüge wegen, jenes
Freudenfest begingen, ließ die vornehmsten Leute der Stadt
berufen, warf ihnen ihr Benehmen vor und fragte sie,
warum sie sich nach seinem Siege störrig und düster, nach
seiner Niederlage ausgelassen fröhlich gezeigt hätten? Da

*) Siehe III. Theil Anmerk. 122.

Zeitgenoſſen gehört, erzählt 146), daß die unglücklichen Sol-
daten ſich, nachdem der Mundvorrath ausgegangen war,
ſo lang’ es ging, von Kräutern genährt hätten; als aber
in der Sandwüſte jede Vegetation aufhörte, ſollen ſie, von
verzweifelter Noth getrieben, ihre Zuflucht zu einem Aus-
kunftsmittel genommen haben, welches die Feder ſich zu
berichten ſträubt. Je zehn Soldaten looſeten nämlich mit
einander und verzehrten denjenigen, welcher den unglück-
lichen Treffer gezogen hatte.

Nun zwang man endlich den Wahnſinnigen, heim-
zukehren, um ihm, nachdem man wiederum zu bewohnten
Gegenden gelangt war, nach aſiatiſcher Sklavenart, trotz
ſeines zerrütteten Geiſtes, von Neuem blindlings zu ge-
horchen.

Als er mit den Trümmern des Heeres in Memphis
einzog, hatten die Aegypter einen neuen Apis *) gefunden
und feierten, dem in dem heiligen Stiere verborgenen
neu erſchienenen Gotte, in herrlichen Kleidern, ein großes
Freudenfeſt.

Da Kambyſes ſchon zu Theben erfahren hatte, daß
ſein gegen die Oaſe des Ammon 147), in der libyſchen Wüſte,
geſchicktes Heer durch einen Chamſin 148) kläglich umge-
kommen ſei, und daß ſich die Flotte, der er Karthago zu
erobern befohlen hatte, gegen ihre Stammgenoſſen zu
ziehen, geweigert habe 149), glaubte der König, daß die
Memphiten, ſeiner unglücklichen Kriegszüge wegen, jenes
Freudenfeſt begingen, ließ die vornehmſten Leute der Stadt
berufen, warf ihnen ihr Benehmen vor und fragte ſie,
warum ſie ſich nach ſeinem Siege ſtörrig und düſter, nach
ſeiner Niederlage ausgelaſſen fröhlich gezeigt hätten? Da

*) Siehe III. Theil Anmerk. 122.
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[221/0231] Zeitgenoſſen gehört, erzählt 146), daß die unglücklichen Sol- daten ſich, nachdem der Mundvorrath ausgegangen war, ſo lang’ es ging, von Kräutern genährt hätten; als aber in der Sandwüſte jede Vegetation aufhörte, ſollen ſie, von verzweifelter Noth getrieben, ihre Zuflucht zu einem Aus- kunftsmittel genommen haben, welches die Feder ſich zu berichten ſträubt. Je zehn Soldaten looſeten nämlich mit einander und verzehrten denjenigen, welcher den unglück- lichen Treffer gezogen hatte. Nun zwang man endlich den Wahnſinnigen, heim- zukehren, um ihm, nachdem man wiederum zu bewohnten Gegenden gelangt war, nach aſiatiſcher Sklavenart, trotz ſeines zerrütteten Geiſtes, von Neuem blindlings zu ge- horchen. Als er mit den Trümmern des Heeres in Memphis einzog, hatten die Aegypter einen neuen Apis *) gefunden und feierten, dem in dem heiligen Stiere verborgenen neu erſchienenen Gotte, in herrlichen Kleidern, ein großes Freudenfeſt. Da Kambyſes ſchon zu Theben erfahren hatte, daß ſein gegen die Oaſe des Ammon 147), in der libyſchen Wüſte, geſchicktes Heer durch einen Chamſin 148) kläglich umge- kommen ſei, und daß ſich die Flotte, der er Karthago zu erobern befohlen hatte, gegen ihre Stammgenoſſen zu ziehen, geweigert habe 149), glaubte der König, daß die Memphiten, ſeiner unglücklichen Kriegszüge wegen, jenes Freudenfeſt begingen, ließ die vornehmſten Leute der Stadt berufen, warf ihnen ihr Benehmen vor und fragte ſie, warum ſie ſich nach ſeinem Siege ſtörrig und düſter, nach ſeiner Niederlage ausgelaſſen fröhlich gezeigt hätten? Da *) Siehe III. Theil Anmerk. 122.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/231>, abgerufen am 11.05.2024.