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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Vorhofe spielenden Kindern vorbei kamen, bemerkte sie ein
kleines Mädchen, welches ihren Freundinnen mit großem
Eifer etwas erzählte. Da befahl sie den Trägern die
Sänfte hinzusetzen und das Kind herbeizurufen.

",Was sagtest Du?' fragte sie die Kleine.

",Jch erzählte den Andern etwas von meiner ältesten
Schwester.'

",Darf ich es auch hören?' fragte Tachot, so freund-
lich bittend, daß die Kleine ohne alle Scheu anhob: ,Pet-
ammon, der Bräutigam meiner Schwester, ist gestern
ganz unerwartet aus Theben heimgekehrt. Als der Jsis-
stern 73) aufging, trat er plötzlich auf unser Dach,
wo Kerimama gerade mit dem Vater das Brettspiel
spielte. Er brachte ihr einen schönen goldenen Brautkranz
mit.'

"Tachot küßte die Kleine und schenkte derselben ihren
kostbaren Fächer. Als wir wieder zu Hause waren, lächelte
sie mir schalkhaft zu und sagte: ,Du weißt ja, liebes
Mütterchen, daß die Worte der Kinder im Vorhofe des
Tempels für Orakelsprüche gehalten werden 74). Wenn
die Kleine nicht gelogen hat, so muß er kommen! -- Hast
Du nicht gehört, daß er auch den Hochzeitskranz mitbrin-
gen wird? O, Mutter, ich weiß es sicher, weiß es ganz
genau, daß ich ihn wiedersehen werde!'

"Als ich Tachot gestern fragte, ob sie etwas an Dich
zu bestellen habe, bat sie mich, Dir zu sagen, sie über-
sende Dir tausend Grüße und Küsse und gedenke, wenn sie
erst kräftiger geworden sei, Dir selbst zu schreiben, denn
sie habe Dir Vieles anzuvertrauen. Das beifolgende Brief-
chen sollst Du Bartja eigenhändig übergeben. Sie hat
die in demselben enthaltenen Grüße mit vieler Mühe selbst
geschrieben.

Vorhofe ſpielenden Kindern vorbei kamen, bemerkte ſie ein
kleines Mädchen, welches ihren Freundinnen mit großem
Eifer etwas erzählte. Da befahl ſie den Trägern die
Sänfte hinzuſetzen und das Kind herbeizurufen.

„‚Was ſagteſt Du?‘ fragte ſie die Kleine.

„‚Jch erzählte den Andern etwas von meiner älteſten
Schweſter.‘

„‚Darf ich es auch hören?‘ fragte Tachot, ſo freund-
lich bittend, daß die Kleine ohne alle Scheu anhob: ‚Pet-
ammon, der Bräutigam meiner Schweſter, iſt geſtern
ganz unerwartet aus Theben heimgekehrt. Als der Jſis-
ſtern 73) aufging, trat er plötzlich auf unſer Dach,
wo Kerimama gerade mit dem Vater das Brettſpiel
ſpielte. Er brachte ihr einen ſchönen goldenen Brautkranz
mit.‘

„Tachot küßte die Kleine und ſchenkte derſelben ihren
koſtbaren Fächer. Als wir wieder zu Hauſe waren, lächelte
ſie mir ſchalkhaft zu und ſagte: ‚Du weißt ja, liebes
Mütterchen, daß die Worte der Kinder im Vorhofe des
Tempels für Orakelſprüche gehalten werden 74). Wenn
die Kleine nicht gelogen hat, ſo muß er kommen! — Haſt
Du nicht gehört, daß er auch den Hochzeitskranz mitbrin-
gen wird? O, Mutter, ich weiß es ſicher, weiß es ganz
genau, daß ich ihn wiederſehen werde!‘

„Als ich Tachot geſtern fragte, ob ſie etwas an Dich
zu beſtellen habe, bat ſie mich, Dir zu ſagen, ſie über-
ſende Dir tauſend Grüße und Küſſe und gedenke, wenn ſie
erſt kräftiger geworden ſei, Dir ſelbſt zu ſchreiben, denn
ſie habe Dir Vieles anzuvertrauen. Das beifolgende Brief-
chen ſollſt Du Bartja eigenhändig übergeben. Sie hat
die in demſelben enthaltenen Grüße mit vieler Mühe ſelbſt
geſchrieben.

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[95/0097] Vorhofe ſpielenden Kindern vorbei kamen, bemerkte ſie ein kleines Mädchen, welches ihren Freundinnen mit großem Eifer etwas erzählte. Da befahl ſie den Trägern die Sänfte hinzuſetzen und das Kind herbeizurufen. „‚Was ſagteſt Du?‘ fragte ſie die Kleine. „‚Jch erzählte den Andern etwas von meiner älteſten Schweſter.‘ „‚Darf ich es auch hören?‘ fragte Tachot, ſo freund- lich bittend, daß die Kleine ohne alle Scheu anhob: ‚Pet- ammon, der Bräutigam meiner Schweſter, iſt geſtern ganz unerwartet aus Theben heimgekehrt. Als der Jſis- ſtern 73) aufging, trat er plötzlich auf unſer Dach, wo Kerimama gerade mit dem Vater das Brettſpiel ſpielte. Er brachte ihr einen ſchönen goldenen Brautkranz mit.‘ „Tachot küßte die Kleine und ſchenkte derſelben ihren koſtbaren Fächer. Als wir wieder zu Hauſe waren, lächelte ſie mir ſchalkhaft zu und ſagte: ‚Du weißt ja, liebes Mütterchen, daß die Worte der Kinder im Vorhofe des Tempels für Orakelſprüche gehalten werden 74). Wenn die Kleine nicht gelogen hat, ſo muß er kommen! — Haſt Du nicht gehört, daß er auch den Hochzeitskranz mitbrin- gen wird? O, Mutter, ich weiß es ſicher, weiß es ganz genau, daß ich ihn wiederſehen werde!‘ „Als ich Tachot geſtern fragte, ob ſie etwas an Dich zu beſtellen habe, bat ſie mich, Dir zu ſagen, ſie über- ſende Dir tauſend Grüße und Küſſe und gedenke, wenn ſie erſt kräftiger geworden ſei, Dir ſelbſt zu ſchreiben, denn ſie habe Dir Vieles anzuvertrauen. Das beifolgende Brief- chen ſollſt Du Bartja eigenhändig übergeben. Sie hat die in demſelben enthaltenen Grüße mit vieler Mühe ſelbſt geſchrieben.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/97>, abgerufen am 28.04.2024.