Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

schichte, welche Dich weniger als andre Nachrichten aus
dem elterlichen Hause angeht, erzählt habe, so antworte
ich Dir: ,Um Dich auf den Zustand Deines Vaters vor-
zubereiten.'

"Erkennst Du den heitern, lebensfrohen, sorglosen
Amasis aus jenen düsteren Worten wieder, die er dem
samischen Freunde zurief?

"Ach, mein Gatte hat wohl Ursache betrübt zu sein,
und die Augen Deiner Mutter wurden, seit Deiner Ab-
reise nach Persien, niemals trocken. Von dem Kranken-
lager Deiner Schwester eile ich zu Deinem Vater, um ihn
zu trösten und seine Schritte zu leiten.

"Jch benützte die Nacht, um diese Zeilen zu schrei-
ben, obgleich ich wohl des Schlummers bedürfte.

"Hier bin ich von den Wärterinnen, die mich zu
Tachot, Deiner Schwester, Deiner wahren Freundin rie-
fen, unterbrochen worden.

"Wie oft hat die Theure in Fieberphantasieen Deinen
Namen ausgerufen, wie sorglich bewahrt sie jenes Wachs-
bild 68) von Dir, dessen wunderbare Aehnlichkeit von der
Höhe griechischer Kunst und der Meisterschaft des großen
Theodoros zeugt. Morgen wollen wir dasselbe nach Aegina *)
schicken, um es in einer dortigen Werkstatt in Gold nach-
bilden zu lassen. Das zarte Wachs leidet von den heißen
Händen und Lippen Deiner Schwester, die das Bildniß
so oft berühren.

"Jetzt, meine Tochter, nimm all' Deinen Muth zu-
sammen, wie auch ich all' meine Kraft aufbieten will, um
Dir in geordneter Reihenfolge zu erzählen, was die Götter
über unser Haus verhängten.

*) Siehe I. Theil Anmerkung 26.

ſchichte, welche Dich weniger als andre Nachrichten aus
dem elterlichen Hauſe angeht, erzählt habe, ſo antworte
ich Dir: ‚Um Dich auf den Zuſtand Deines Vaters vor-
zubereiten.‘

„Erkennſt Du den heitern, lebensfrohen, ſorgloſen
Amaſis aus jenen düſteren Worten wieder, die er dem
ſamiſchen Freunde zurief?

„Ach, mein Gatte hat wohl Urſache betrübt zu ſein,
und die Augen Deiner Mutter wurden, ſeit Deiner Ab-
reiſe nach Perſien, niemals trocken. Von dem Kranken-
lager Deiner Schweſter eile ich zu Deinem Vater, um ihn
zu tröſten und ſeine Schritte zu leiten.

„Jch benützte die Nacht, um dieſe Zeilen zu ſchrei-
ben, obgleich ich wohl des Schlummers bedürfte.

„Hier bin ich von den Wärterinnen, die mich zu
Tachot, Deiner Schweſter, Deiner wahren Freundin rie-
fen, unterbrochen worden.

„Wie oft hat die Theure in Fieberphantaſieen Deinen
Namen ausgerufen, wie ſorglich bewahrt ſie jenes Wachs-
bild 68) von Dir, deſſen wunderbare Aehnlichkeit von der
Höhe griechiſcher Kunſt und der Meiſterſchaft des großen
Theodoros zeugt. Morgen wollen wir daſſelbe nach Aegina *)
ſchicken, um es in einer dortigen Werkſtatt in Gold nach-
bilden zu laſſen. Das zarte Wachs leidet von den heißen
Händen und Lippen Deiner Schweſter, die das Bildniß
ſo oft berühren.

„Jetzt, meine Tochter, nimm all’ Deinen Muth zu-
ſammen, wie auch ich all’ meine Kraft aufbieten will, um
Dir in geordneter Reihenfolge zu erzählen, was die Götter
über unſer Haus verhängten.

*) Siehe I. Theil Anmerkung 26.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="88"/>
&#x017F;chichte, welche Dich weniger als andre Nachrichten aus<lb/>
dem elterlichen Hau&#x017F;e angeht, erzählt habe, &#x017F;o antworte<lb/>
ich Dir: &#x201A;Um Dich auf den Zu&#x017F;tand Deines Vaters vor-<lb/>
zubereiten.&#x2018;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erkenn&#x017F;t Du den heitern, lebensfrohen, &#x017F;orglo&#x017F;en<lb/>
Ama&#x017F;is aus jenen dü&#x017F;teren Worten wieder, die er dem<lb/>
&#x017F;ami&#x017F;chen Freunde zurief?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, mein Gatte hat wohl Ur&#x017F;ache betrübt zu &#x017F;ein,<lb/>
und die Augen Deiner Mutter wurden, &#x017F;eit Deiner Ab-<lb/>
rei&#x017F;e nach Per&#x017F;ien, niemals trocken. Von dem Kranken-<lb/>
lager Deiner Schwe&#x017F;ter eile ich zu Deinem Vater, um ihn<lb/>
zu trö&#x017F;ten und &#x017F;eine Schritte zu leiten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch benützte die Nacht, um die&#x017F;e Zeilen zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, obgleich ich wohl des Schlummers bedürfte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier bin ich von den Wärterinnen, die mich zu<lb/>
Tachot, Deiner Schwe&#x017F;ter, Deiner wahren Freundin rie-<lb/>
fen, unterbrochen worden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie oft hat die Theure in Fieberphanta&#x017F;ieen Deinen<lb/>
Namen ausgerufen, wie &#x017F;orglich bewahrt &#x017F;ie jenes Wachs-<lb/>
bild <hi rendition="#sup">68</hi>) von Dir, de&#x017F;&#x017F;en wunderbare Aehnlichkeit von der<lb/>
Höhe griechi&#x017F;cher Kun&#x017F;t und der Mei&#x017F;ter&#x017F;chaft des großen<lb/>
Theodoros zeugt. Morgen wollen wir da&#x017F;&#x017F;elbe nach Aegina <note place="foot" n="*)">Siehe <hi rendition="#aq">I.</hi> Theil Anmerkung 26.</note><lb/>
&#x017F;chicken, um es in einer dortigen Werk&#x017F;tatt in Gold nach-<lb/>
bilden zu la&#x017F;&#x017F;en. Das zarte Wachs leidet von den heißen<lb/>
Händen und Lippen Deiner Schwe&#x017F;ter, die das Bildniß<lb/>
&#x017F;o oft berühren.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jetzt, meine Tochter, nimm all&#x2019; Deinen Muth zu-<lb/>
&#x017F;ammen, wie auch ich all&#x2019; meine Kraft aufbieten will, um<lb/>
Dir in geordneter Reihenfolge zu erzählen, was die Götter<lb/>
über un&#x017F;er Haus verhängten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0090] ſchichte, welche Dich weniger als andre Nachrichten aus dem elterlichen Hauſe angeht, erzählt habe, ſo antworte ich Dir: ‚Um Dich auf den Zuſtand Deines Vaters vor- zubereiten.‘ „Erkennſt Du den heitern, lebensfrohen, ſorgloſen Amaſis aus jenen düſteren Worten wieder, die er dem ſamiſchen Freunde zurief? „Ach, mein Gatte hat wohl Urſache betrübt zu ſein, und die Augen Deiner Mutter wurden, ſeit Deiner Ab- reiſe nach Perſien, niemals trocken. Von dem Kranken- lager Deiner Schweſter eile ich zu Deinem Vater, um ihn zu tröſten und ſeine Schritte zu leiten. „Jch benützte die Nacht, um dieſe Zeilen zu ſchrei- ben, obgleich ich wohl des Schlummers bedürfte. „Hier bin ich von den Wärterinnen, die mich zu Tachot, Deiner Schweſter, Deiner wahren Freundin rie- fen, unterbrochen worden. „Wie oft hat die Theure in Fieberphantaſieen Deinen Namen ausgerufen, wie ſorglich bewahrt ſie jenes Wachs- bild 68) von Dir, deſſen wunderbare Aehnlichkeit von der Höhe griechiſcher Kunſt und der Meiſterſchaft des großen Theodoros zeugt. Morgen wollen wir daſſelbe nach Aegina *) ſchicken, um es in einer dortigen Werkſtatt in Gold nach- bilden zu laſſen. Das zarte Wachs leidet von den heißen Händen und Lippen Deiner Schweſter, die das Bildniß ſo oft berühren. „Jetzt, meine Tochter, nimm all’ Deinen Muth zu- ſammen, wie auch ich all’ meine Kraft aufbieten will, um Dir in geordneter Reihenfolge zu erzählen, was die Götter über unſer Haus verhängten. *) Siehe I. Theil Anmerkung 26.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/90
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/90>, abgerufen am 25.11.2024.