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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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nicht nach der Krone. Uebrigens war schon mancher per-
sische König der Sohn eines geringeren Weibes als
meiner Sappho 45). Jch weiß sicher, daß mich meine Ver-
wandten nicht tadeln werden, wenn ich ihnen das Kleinod
zeige, welches ich am Nil gewonnen habe."

"Möchte Sappho unserer Nitetis gleichen! Jch liebe
dieselbe, wie meine eigne Tochter, und segne den Tag, an
welchem sie dieses Land betrat. Mit ihren warmen Blicken
hat sie den Starrsinn und Hochmuth meines Sohnes zer-
schmolzen; ihre Güte und Sanftmuth verschönern meine
Nacht und mein Alter, ihr milder Ernst hat Deine Schwe-
ster Atossa aus einem unbändigen Kinde in eine Jungfrau
verwandelt! Rufe jetzt die Mädchen, welche unten im
Garten spielen, damit wir ihnen mittheilen, daß sie durch
Dich eine neue Freundin erhalten sollen."

"Verzeih mir, Mutter," erwiederte Bartja, "wenn
ich Dich bitte, diese Angelegenheit der Schwester zu ver-
schweigen, bis wir die bestimmte Einwilligung des Königs
erlangt haben."

"Du hast recht, mein Sohn. Wir müssen den Mäd-
chen Deinen Wunsch verheimlichen, und wäre es nur, um
ihnen eine mögliche Enttäuschung zu ersparen. Das Fehl-
schlagen einer schönen Hoffnung ist schwerer zu tragen, als ein
unerwartetes Leid; harren wir darum auf die Einwilli-
gung Deines Bruders, welche in seiner jetzigen Stimmung
schwerlich ausbleiben wird. Mögen Dir die Götter ihren
Segen schenken!"

Am frühen Morgen des königlichen Geburtstagsfestes
brachten die Perser am Ufer des Euphrat ihre Opfer dar.
Auf einem künstlichen Berge stand ein ungeheurer silberner
Altar, auf welchem ein mächtiges Feuer, Flammen und
Wohlgeruch gen Himmel sendend, brannte. Weiß geklei-

nicht nach der Krone. Uebrigens war ſchon mancher per-
ſiſche König der Sohn eines geringeren Weibes als
meiner Sappho 45). Jch weiß ſicher, daß mich meine Ver-
wandten nicht tadeln werden, wenn ich ihnen das Kleinod
zeige, welches ich am Nil gewonnen habe.“

„Möchte Sappho unſerer Nitetis gleichen! Jch liebe
dieſelbe, wie meine eigne Tochter, und ſegne den Tag, an
welchem ſie dieſes Land betrat. Mit ihren warmen Blicken
hat ſie den Starrſinn und Hochmuth meines Sohnes zer-
ſchmolzen; ihre Güte und Sanftmuth verſchönern meine
Nacht und mein Alter, ihr milder Ernſt hat Deine Schwe-
ſter Atoſſa aus einem unbändigen Kinde in eine Jungfrau
verwandelt! Rufe jetzt die Mädchen, welche unten im
Garten ſpielen, damit wir ihnen mittheilen, daß ſie durch
Dich eine neue Freundin erhalten ſollen.“

„Verzeih mir, Mutter,“ erwiederte Bartja, „wenn
ich Dich bitte, dieſe Angelegenheit der Schweſter zu ver-
ſchweigen, bis wir die beſtimmte Einwilligung des Königs
erlangt haben.“

„Du haſt recht, mein Sohn. Wir müſſen den Mäd-
chen Deinen Wunſch verheimlichen, und wäre es nur, um
ihnen eine mögliche Enttäuſchung zu erſparen. Das Fehl-
ſchlagen einer ſchönen Hoffnung iſt ſchwerer zu tragen, als ein
unerwartetes Leid; harren wir darum auf die Einwilli-
gung Deines Bruders, welche in ſeiner jetzigen Stimmung
ſchwerlich ausbleiben wird. Mögen Dir die Götter ihren
Segen ſchenken!“

Am frühen Morgen des königlichen Geburtstagsfeſtes
brachten die Perſer am Ufer des Euphrat ihre Opfer dar.
Auf einem künſtlichen Berge ſtand ein ungeheurer ſilberner
Altar, auf welchem ein mächtiges Feuer, Flammen und
Wohlgeruch gen Himmel ſendend, brannte. Weiß geklei-

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[61/0063] nicht nach der Krone. Uebrigens war ſchon mancher per- ſiſche König der Sohn eines geringeren Weibes als meiner Sappho 45). Jch weiß ſicher, daß mich meine Ver- wandten nicht tadeln werden, wenn ich ihnen das Kleinod zeige, welches ich am Nil gewonnen habe.“ „Möchte Sappho unſerer Nitetis gleichen! Jch liebe dieſelbe, wie meine eigne Tochter, und ſegne den Tag, an welchem ſie dieſes Land betrat. Mit ihren warmen Blicken hat ſie den Starrſinn und Hochmuth meines Sohnes zer- ſchmolzen; ihre Güte und Sanftmuth verſchönern meine Nacht und mein Alter, ihr milder Ernſt hat Deine Schwe- ſter Atoſſa aus einem unbändigen Kinde in eine Jungfrau verwandelt! Rufe jetzt die Mädchen, welche unten im Garten ſpielen, damit wir ihnen mittheilen, daß ſie durch Dich eine neue Freundin erhalten ſollen.“ „Verzeih mir, Mutter,“ erwiederte Bartja, „wenn ich Dich bitte, dieſe Angelegenheit der Schweſter zu ver- ſchweigen, bis wir die beſtimmte Einwilligung des Königs erlangt haben.“ „Du haſt recht, mein Sohn. Wir müſſen den Mäd- chen Deinen Wunſch verheimlichen, und wäre es nur, um ihnen eine mögliche Enttäuſchung zu erſparen. Das Fehl- ſchlagen einer ſchönen Hoffnung iſt ſchwerer zu tragen, als ein unerwartetes Leid; harren wir darum auf die Einwilli- gung Deines Bruders, welche in ſeiner jetzigen Stimmung ſchwerlich ausbleiben wird. Mögen Dir die Götter ihren Segen ſchenken!“ Am frühen Morgen des königlichen Geburtstagsfeſtes brachten die Perſer am Ufer des Euphrat ihre Opfer dar. Auf einem künſtlichen Berge ſtand ein ungeheurer ſilberner Altar, auf welchem ein mächtiges Feuer, Flammen und Wohlgeruch gen Himmel ſendend, brannte. Weiß geklei-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/63>, abgerufen am 27.04.2024.