Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

mandem mehr, als bei Deinem künftigen Gatten. -- Wenn
Du ihm, woran ich nicht zweifle, bei der ersten Begeg-
nung wohlgefällst, so kannst Du sein Herz für immer ge-
wonnen haben; solltest Du ihm heute mißfallen, so wird
er Dich, nach seiner schroffen Art, niemals wieder eines
Blickes würdigen. -- Muth, meine Tochter, Muth! vor
allen Dingen beherzige wohl jene Lehren, welche ich Dir
gegeben habe!" Nitetis trocknete eine Thräne und erwie-
derte: "Wie soll ich Dir für all' Deine Güte danken,
Krösus, mein zweiter Vater, mein Beschützer und Rath-
geber! O verlaß mich auch später nicht! Bleibe, wie auf
dieser langen Reise über gefahrvolle Gebirgspässe, mein
Wegweiser und Beschützer, wenn die Bahn meines armen
Lebens über Gram und Sorge führt. Dank, mein Vater,
tausend Dank!"

Bei diesen Worten schlang die Jungfrau ihre vollen
Arme um den Hals des Greises und küßte seinen Mund,
gleich einer zärtlichen Tochter.

Als sie den Hof des dunklen Hauses betrat, kam ihr
ein Mann, dem eine Schaar von asiatischen Dienerinnen
folgte, entgegen. Ersterer, der Oberste der Eunuchen,
einer der vornehmsten persischen Hofbeamten, war groß
und wohlbeleibt. Sein bartloses Angesicht lächelte süßlich,
in seinen Ohren schwenkten sich kostbare Gehänge, seine
Arme und Beine, sein Hals und seine weibisch langen
Gewänder waren mit goldenen Ketten und Ringen über-
deckt, und seine steifen gebrannten Locken, welche eine pur-
purne Binde umwand, strömten durchdringend scharfe
Wohlgerüche aus.

Ehrerbietig verneigte sich Boges (so hieß der Eunuch)
vor der Aegypterin und sprach, seine fleischige mit Ringen
überladene Hand vor den Mund haltend: "Kambyses, der

mandem mehr, als bei Deinem künftigen Gatten. — Wenn
Du ihm, woran ich nicht zweifle, bei der erſten Begeg-
nung wohlgefällſt, ſo kannſt Du ſein Herz für immer ge-
wonnen haben; ſollteſt Du ihm heute mißfallen, ſo wird
er Dich, nach ſeiner ſchroffen Art, niemals wieder eines
Blickes würdigen. — Muth, meine Tochter, Muth! vor
allen Dingen beherzige wohl jene Lehren, welche ich Dir
gegeben habe!“ Nitetis trocknete eine Thräne und erwie-
derte: „Wie ſoll ich Dir für all’ Deine Güte danken,
Kröſus, mein zweiter Vater, mein Beſchützer und Rath-
geber! O verlaß mich auch ſpäter nicht! Bleibe, wie auf
dieſer langen Reiſe über gefahrvolle Gebirgspäſſe, mein
Wegweiſer und Beſchützer, wenn die Bahn meines armen
Lebens über Gram und Sorge führt. Dank, mein Vater,
tauſend Dank!“

Bei dieſen Worten ſchlang die Jungfrau ihre vollen
Arme um den Hals des Greiſes und küßte ſeinen Mund,
gleich einer zärtlichen Tochter.

Als ſie den Hof des dunklen Hauſes betrat, kam ihr
ein Mann, dem eine Schaar von aſiatiſchen Dienerinnen
folgte, entgegen. Erſterer, der Oberſte der Eunuchen,
einer der vornehmſten perſiſchen Hofbeamten, war groß
und wohlbeleibt. Sein bartloſes Angeſicht lächelte ſüßlich,
in ſeinen Ohren ſchwenkten ſich koſtbare Gehänge, ſeine
Arme und Beine, ſein Hals und ſeine weibiſch langen
Gewänder waren mit goldenen Ketten und Ringen über-
deckt, und ſeine ſteifen gebrannten Locken, welche eine pur-
purne Binde umwand, ſtrömten durchdringend ſcharfe
Wohlgerüche aus.

Ehrerbietig verneigte ſich Boges (ſo hieß der Eunuch)
vor der Aegypterin und ſprach, ſeine fleiſchige mit Ringen
überladene Hand vor den Mund haltend: „Kambyſes, der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="3"/>
mandem mehr, als bei Deinem künftigen Gatten. &#x2014; Wenn<lb/>
Du ihm, woran ich nicht zweifle, bei der er&#x017F;ten Begeg-<lb/>
nung wohlgefäll&#x017F;t, &#x017F;o kann&#x017F;t Du &#x017F;ein Herz für immer ge-<lb/>
wonnen haben; &#x017F;ollte&#x017F;t Du ihm heute mißfallen, &#x017F;o wird<lb/>
er Dich, nach &#x017F;einer &#x017F;chroffen Art, niemals wieder eines<lb/>
Blickes würdigen. &#x2014; Muth, meine Tochter, Muth! vor<lb/>
allen Dingen beherzige wohl jene Lehren, welche ich Dir<lb/>
gegeben habe!&#x201C; Nitetis trocknete eine Thräne und erwie-<lb/>
derte: &#x201E;Wie &#x017F;oll ich Dir für all&#x2019; Deine Güte danken,<lb/>
Krö&#x017F;us, mein zweiter Vater, mein Be&#x017F;chützer und Rath-<lb/>
geber! O verlaß mich auch &#x017F;päter nicht! Bleibe, wie auf<lb/>
die&#x017F;er langen Rei&#x017F;e über gefahrvolle Gebirgspä&#x017F;&#x017F;e, mein<lb/>
Wegwei&#x017F;er und Be&#x017F;chützer, wenn die Bahn meines armen<lb/>
Lebens über Gram und Sorge führt. Dank, mein Vater,<lb/>
tau&#x017F;end Dank!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bei die&#x017F;en Worten &#x017F;chlang die Jungfrau ihre vollen<lb/>
Arme um den Hals des Grei&#x017F;es und küßte &#x017F;einen Mund,<lb/>
gleich einer zärtlichen Tochter.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie den Hof des dunklen Hau&#x017F;es betrat, kam ihr<lb/>
ein Mann, dem eine Schaar von a&#x017F;iati&#x017F;chen Dienerinnen<lb/>
folgte, entgegen. Er&#x017F;terer, der Ober&#x017F;te der Eunuchen,<lb/>
einer der vornehm&#x017F;ten per&#x017F;i&#x017F;chen Hofbeamten, war groß<lb/>
und wohlbeleibt. Sein bartlo&#x017F;es Ange&#x017F;icht lächelte &#x017F;üßlich,<lb/>
in &#x017F;einen Ohren &#x017F;chwenkten &#x017F;ich ko&#x017F;tbare Gehänge, &#x017F;eine<lb/>
Arme und Beine, &#x017F;ein Hals und &#x017F;eine weibi&#x017F;ch langen<lb/>
Gewänder waren mit goldenen Ketten und Ringen über-<lb/>
deckt, und &#x017F;eine &#x017F;teifen gebrannten Locken, welche eine pur-<lb/>
purne Binde umwand, &#x017F;trömten durchdringend &#x017F;charfe<lb/>
Wohlgerüche aus.</p><lb/>
        <p>Ehrerbietig verneigte &#x017F;ich Boges (&#x017F;o hieß der Eunuch)<lb/>
vor der Aegypterin und &#x017F;prach, &#x017F;eine flei&#x017F;chige mit Ringen<lb/>
überladene Hand vor den Mund haltend: &#x201E;Kamby&#x017F;es, der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0005] mandem mehr, als bei Deinem künftigen Gatten. — Wenn Du ihm, woran ich nicht zweifle, bei der erſten Begeg- nung wohlgefällſt, ſo kannſt Du ſein Herz für immer ge- wonnen haben; ſollteſt Du ihm heute mißfallen, ſo wird er Dich, nach ſeiner ſchroffen Art, niemals wieder eines Blickes würdigen. — Muth, meine Tochter, Muth! vor allen Dingen beherzige wohl jene Lehren, welche ich Dir gegeben habe!“ Nitetis trocknete eine Thräne und erwie- derte: „Wie ſoll ich Dir für all’ Deine Güte danken, Kröſus, mein zweiter Vater, mein Beſchützer und Rath- geber! O verlaß mich auch ſpäter nicht! Bleibe, wie auf dieſer langen Reiſe über gefahrvolle Gebirgspäſſe, mein Wegweiſer und Beſchützer, wenn die Bahn meines armen Lebens über Gram und Sorge führt. Dank, mein Vater, tauſend Dank!“ Bei dieſen Worten ſchlang die Jungfrau ihre vollen Arme um den Hals des Greiſes und küßte ſeinen Mund, gleich einer zärtlichen Tochter. Als ſie den Hof des dunklen Hauſes betrat, kam ihr ein Mann, dem eine Schaar von aſiatiſchen Dienerinnen folgte, entgegen. Erſterer, der Oberſte der Eunuchen, einer der vornehmſten perſiſchen Hofbeamten, war groß und wohlbeleibt. Sein bartloſes Angeſicht lächelte ſüßlich, in ſeinen Ohren ſchwenkten ſich koſtbare Gehänge, ſeine Arme und Beine, ſein Hals und ſeine weibiſch langen Gewänder waren mit goldenen Ketten und Ringen über- deckt, und ſeine ſteifen gebrannten Locken, welche eine pur- purne Binde umwand, ſtrömten durchdringend ſcharfe Wohlgerüche aus. Ehrerbietig verneigte ſich Boges (ſo hieß der Eunuch) vor der Aegypterin und ſprach, ſeine fleiſchige mit Ringen überladene Hand vor den Mund haltend: „Kambyſes, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/5
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/5>, abgerufen am 19.04.2024.