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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Mitternacht. Oftmals erkannte sie die kreischende Stimme
des Boges, der mit seinen Untergebenen scherzte und lachte.
Als es endlich in den weiten Hallen des Schlosses ruhig
ward, mußte sie an die ferne Heimat und die arme Tachot
denken, welche sich nach ihr und dem schönen Bartja sehnte,
der, wie ihr Krösus erzählt hatte, morgen in den Krieg,
vielleicht in den Tod ziehen sollte. Dann schlief sie, von
der Ermüdung der Reise überwältigt und von ihrem Gat-
ten träumend, ein. Sie sah ihn auf seinem schwarzen
Hengste reitend. Das wüthende Thier scheute vor dem
am Wege liegenden Bartja, warf den König ab und
schleifte ihn in den Nil, welcher plötzlich mit blutrothen
Wellen zu fließen begann. Jn ihrer Angst schrie sie nach
Hülfe; ihr Ruf hallte von den Pyramiden wieder und
wurde immer lauter und furchtbarer, bis sie von dem
schrecklichen Echo erwachte.

Aber, was war das? -- Der klagende und schmet-
ternde Ton, welchen sie im Traum vernommen, schlug auch
jetzt an ihr wachendes Ohr.

Sie riß die Laden einer Fensteröffnung auf und
schaute in's Freie. -- Ein großer, prächtiger Garten mit
Springquellen und langen Baumreihen breitete sich, von
frischem Thau benetzt, vor ihren Blicken aus 28). Kein
Laut, außer jenem seltsamen Tone, ließ sich vernehmen;
aber auch dieser verhallte endlich im Morgenwinde. Nach
kurzer Zeit hörte sie aus der Ferne Geschrei und Toben,
dann erwachte das Treiben in der Riesenstadt, und bald
vernahm sie nur noch ein dumpfes, dem Wogen des Mee-
res ähnliches Brausen.

Die kühle Morgenluft hatte sie so vollkommen erweckt,
daß sie sich nicht von Neuem niederlegen wollte. Aber-
mals trat sie zum Fenster. Da sah sie zwei Menschen aus

Mitternacht. Oftmals erkannte ſie die kreiſchende Stimme
des Boges, der mit ſeinen Untergebenen ſcherzte und lachte.
Als es endlich in den weiten Hallen des Schloſſes ruhig
ward, mußte ſie an die ferne Heimat und die arme Tachot
denken, welche ſich nach ihr und dem ſchönen Bartja ſehnte,
der, wie ihr Kröſus erzählt hatte, morgen in den Krieg,
vielleicht in den Tod ziehen ſollte. Dann ſchlief ſie, von
der Ermüdung der Reiſe überwältigt und von ihrem Gat-
ten träumend, ein. Sie ſah ihn auf ſeinem ſchwarzen
Hengſte reitend. Das wüthende Thier ſcheute vor dem
am Wege liegenden Bartja, warf den König ab und
ſchleifte ihn in den Nil, welcher plötzlich mit blutrothen
Wellen zu fließen begann. Jn ihrer Angſt ſchrie ſie nach
Hülfe; ihr Ruf hallte von den Pyramiden wieder und
wurde immer lauter und furchtbarer, bis ſie von dem
ſchrecklichen Echo erwachte.

Aber, was war das? — Der klagende und ſchmet-
ternde Ton, welchen ſie im Traum vernommen, ſchlug auch
jetzt an ihr wachendes Ohr.

Sie riß die Laden einer Fenſteröffnung auf und
ſchaute in’s Freie. — Ein großer, prächtiger Garten mit
Springquellen und langen Baumreihen breitete ſich, von
friſchem Thau benetzt, vor ihren Blicken aus 28). Kein
Laut, außer jenem ſeltſamen Tone, ließ ſich vernehmen;
aber auch dieſer verhallte endlich im Morgenwinde. Nach
kurzer Zeit hörte ſie aus der Ferne Geſchrei und Toben,
dann erwachte das Treiben in der Rieſenſtadt, und bald
vernahm ſie nur noch ein dumpfes, dem Wogen des Mee-
res ähnliches Brauſen.

Die kühle Morgenluft hatte ſie ſo vollkommen erweckt,
daß ſie ſich nicht von Neuem niederlegen wollte. Aber-
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[32/0034] Mitternacht. Oftmals erkannte ſie die kreiſchende Stimme des Boges, der mit ſeinen Untergebenen ſcherzte und lachte. Als es endlich in den weiten Hallen des Schloſſes ruhig ward, mußte ſie an die ferne Heimat und die arme Tachot denken, welche ſich nach ihr und dem ſchönen Bartja ſehnte, der, wie ihr Kröſus erzählt hatte, morgen in den Krieg, vielleicht in den Tod ziehen ſollte. Dann ſchlief ſie, von der Ermüdung der Reiſe überwältigt und von ihrem Gat- ten träumend, ein. Sie ſah ihn auf ſeinem ſchwarzen Hengſte reitend. Das wüthende Thier ſcheute vor dem am Wege liegenden Bartja, warf den König ab und ſchleifte ihn in den Nil, welcher plötzlich mit blutrothen Wellen zu fließen begann. Jn ihrer Angſt ſchrie ſie nach Hülfe; ihr Ruf hallte von den Pyramiden wieder und wurde immer lauter und furchtbarer, bis ſie von dem ſchrecklichen Echo erwachte. Aber, was war das? — Der klagende und ſchmet- ternde Ton, welchen ſie im Traum vernommen, ſchlug auch jetzt an ihr wachendes Ohr. Sie riß die Laden einer Fenſteröffnung auf und ſchaute in’s Freie. — Ein großer, prächtiger Garten mit Springquellen und langen Baumreihen breitete ſich, von friſchem Thau benetzt, vor ihren Blicken aus 28). Kein Laut, außer jenem ſeltſamen Tone, ließ ſich vernehmen; aber auch dieſer verhallte endlich im Morgenwinde. Nach kurzer Zeit hörte ſie aus der Ferne Geſchrei und Toben, dann erwachte das Treiben in der Rieſenſtadt, und bald vernahm ſie nur noch ein dumpfes, dem Wogen des Mee- res ähnliches Brauſen. Die kühle Morgenluft hatte ſie ſo vollkommen erweckt, daß ſie ſich nicht von Neuem niederlegen wollte. Aber- mals trat ſie zum Fenſter. Da ſah ſie zwei Menſchen aus

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/34>, abgerufen am 22.11.2024.