nachdem Krösus sie verlassen hatte, nach ihren Befehlen erkundigte."
"Angramainjus verderbe Deine Zunge," murmelte der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in seine Gemächer begleiteten.
Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja mit seinen Freunden und einem großen Dienertrosse der tapurischen Grenze entgegen. Krösus begleitete die jun- gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der letzten Umarmung, flüsterte Bartja seinem greisen Freunde zu: "Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein Schreiben in seinem Felleisen haben, so sende mir dasselbe nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus Naukratis sehne."
"Wirst Du die griechischen Schriftzüge lesen kön- nen?"
"Gyges und die Liebe werden mir helfen!"
"Nitetis, der ich von Deiner Abreise erzählt habe, läßt Dich grüßen und Dir sagen, Du möchtest nicht an Aegypten vergessen."
"Gewiß nicht!"
"Am wenigsten an Naukratis! -- Die Götter mögen Dich behüten, mein Sohn. Sei vorsichtig, wage Dein Leben nicht unnützer Weise und bedenke, daß Du Dir nicht mehr allein gehörst! Sei milde, wie Dein Vater, gegen die Aufrührer, welche sich nicht aus Uebermuth, sondern für den schönsten Besitz des Menschen, die Freiheit, erhoben haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweisen besser ist als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber
nachdem Kröſus ſie verlaſſen hatte, nach ihren Befehlen erkundigte.“
„Angramainjus verderbe Deine Zunge,“ murmelte der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in ſeine Gemächer begleiteten.
Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja mit ſeinen Freunden und einem großen Dienertroſſe der tapuriſchen Grenze entgegen. Kröſus begleitete die jun- gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der letzten Umarmung, flüſterte Bartja ſeinem greiſen Freunde zu: „Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein Schreiben in ſeinem Felleiſen haben, ſo ſende mir daſſelbe nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus Naukratis ſehne.“
„Wirſt Du die griechiſchen Schriftzüge leſen kön- nen?“
„Gyges und die Liebe werden mir helfen!“
„Nitetis, der ich von Deiner Abreiſe erzählt habe, läßt Dich grüßen und Dir ſagen, Du möchteſt nicht an Aegypten vergeſſen.“
„Gewiß nicht!“
„Am wenigſten an Naukratis! — Die Götter mögen Dich behüten, mein Sohn. Sei vorſichtig, wage Dein Leben nicht unnützer Weiſe und bedenke, daß Du Dir nicht mehr allein gehörſt! Sei milde, wie Dein Vater, gegen die Aufrührer, welche ſich nicht aus Uebermuth, ſondern für den ſchönſten Beſitz des Menſchen, die Freiheit, erhoben haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweiſen beſſer iſt als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0030"n="28"/>
nachdem Kröſus ſie verlaſſen hatte, nach ihren Befehlen<lb/>
erkundigte.“</p><lb/><p>„Angramainjus verderbe Deine Zunge,“ murmelte<lb/>
der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den<lb/>
Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in ſeine<lb/>
Gemächer begleiteten.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja<lb/>
mit ſeinen Freunden und einem großen Dienertroſſe der<lb/>
tapuriſchen Grenze entgegen. Kröſus begleitete die jun-<lb/>
gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der<lb/>
letzten Umarmung, flüſterte Bartja ſeinem greiſen Freunde<lb/>
zu: „Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein<lb/>
Schreiben in ſeinem Felleiſen haben, ſo ſende mir daſſelbe<lb/>
nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus<lb/>
Naukratis ſehne.“</p><lb/><p>„Wirſt Du die griechiſchen Schriftzüge leſen kön-<lb/>
nen?“</p><lb/><p>„Gyges und die Liebe werden mir helfen!“</p><lb/><p>„Nitetis, der ich von Deiner Abreiſe erzählt habe,<lb/>
läßt Dich grüßen und Dir ſagen, Du möchteſt nicht an<lb/>
Aegypten vergeſſen.“</p><lb/><p>„Gewiß nicht!“</p><lb/><p>„Am wenigſten an Naukratis! — Die Götter mögen<lb/>
Dich behüten, mein Sohn. Sei vorſichtig, wage Dein<lb/>
Leben nicht unnützer Weiſe und bedenke, daß Du Dir nicht<lb/>
mehr allein gehörſt! Sei milde, wie Dein Vater, gegen<lb/>
die Aufrührer, welche ſich nicht aus Uebermuth, ſondern<lb/>
für den ſchönſten Beſitz des Menſchen, die Freiheit, erhoben<lb/>
haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweiſen beſſer<lb/>
iſt als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[28/0030]
nachdem Kröſus ſie verlaſſen hatte, nach ihren Befehlen
erkundigte.“
„Angramainjus verderbe Deine Zunge,“ murmelte
der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den
Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in ſeine
Gemächer begleiteten.
Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja
mit ſeinen Freunden und einem großen Dienertroſſe der
tapuriſchen Grenze entgegen. Kröſus begleitete die jun-
gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der
letzten Umarmung, flüſterte Bartja ſeinem greiſen Freunde
zu: „Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein
Schreiben in ſeinem Felleiſen haben, ſo ſende mir daſſelbe
nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus
Naukratis ſehne.“
„Wirſt Du die griechiſchen Schriftzüge leſen kön-
nen?“
„Gyges und die Liebe werden mir helfen!“
„Nitetis, der ich von Deiner Abreiſe erzählt habe,
läßt Dich grüßen und Dir ſagen, Du möchteſt nicht an
Aegypten vergeſſen.“
„Gewiß nicht!“
„Am wenigſten an Naukratis! — Die Götter mögen
Dich behüten, mein Sohn. Sei vorſichtig, wage Dein
Leben nicht unnützer Weiſe und bedenke, daß Du Dir nicht
mehr allein gehörſt! Sei milde, wie Dein Vater, gegen
die Aufrührer, welche ſich nicht aus Uebermuth, ſondern
für den ſchönſten Beſitz des Menſchen, die Freiheit, erhoben
haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweiſen beſſer
iſt als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/30>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.