dieß Unheil wäre aber niemals möglich gewesen, wenn Oropastes seinem Bruder gestattet hätte, mich zu hei- rathen!"
Bei diesen sehnsüchtig ausgesprochenen Worten brach sie in neues Schluchzen aus, während sich die ernsten Zu- hörer, ja selbst der König, eines leisen Lächelns nicht er- wehren konnten.
Dieß Lächeln rettete ihr schwer bedrohtes Leben. Kambyses würde aber nach Allem, was er erfahren, kaum gelächelt haben, wenn Mandane nicht mit jenem feinen Jnstinkt, welcher den Frauen just in der Stunde der drohenden Gefahr am willfährigsten zu Gebote steht, verstanden hätte, seine schwache Seite aufzufassen und aus- zubeuten. So verweilte sie denn, viel länger als nöthig, bei der Freude, welche Nitetis über die Geschenke des Kö- nigs geäußert hatte.
"Tausendmal," rief sie, "küßte meine Herrin alle Dinge, die man ihr von Dir, o König, brachte; am öfte- sten aber hat sie ihre Lippen auf jenen Blumenstrauß ge- drückt, welchen Du ihr vor einigen Tagen mit eignen Händen pflücktest. Ach, und als der Strauß zu welken begann, da nahm sie Blume für Blume, breitete die Blü- tenblättchen sorglich aus, legte sie zwischen wollene Tücher und stellte eigenhändig ihre schwere, goldne Salbenschachtel darauf, um sie zu trocknen und als Andenken an Deine Güte aufzubewahren!"
Als sie bemerkte, daß sich die Züge ihres strengen Richters bei diesen Worten aufheiterten, schöpfte sie neuen Muth, legte der Herrin süße Worte, welche dieselbe nie- mals ausgesprochen, in den Mund und behauptete, daß sie, Mandane, hundertmal gehört habe, wie Nitetis den Na- men ,Kambyses' unaussprechlich zärtlich im Schlafe ausge-
dieß Unheil wäre aber niemals möglich geweſen, wenn Oropaſtes ſeinem Bruder geſtattet hätte, mich zu hei- rathen!“
Bei dieſen ſehnſüchtig ausgeſprochenen Worten brach ſie in neues Schluchzen aus, während ſich die ernſten Zu- hörer, ja ſelbſt der König, eines leiſen Lächelns nicht er- wehren konnten.
Dieß Lächeln rettete ihr ſchwer bedrohtes Leben. Kambyſes würde aber nach Allem, was er erfahren, kaum gelächelt haben, wenn Mandane nicht mit jenem feinen Jnſtinkt, welcher den Frauen juſt in der Stunde der drohenden Gefahr am willfährigſten zu Gebote ſteht, verſtanden hätte, ſeine ſchwache Seite aufzufaſſen und aus- zubeuten. So verweilte ſie denn, viel länger als nöthig, bei der Freude, welche Nitetis über die Geſchenke des Kö- nigs geäußert hatte.
„Tauſendmal,“ rief ſie, „küßte meine Herrin alle Dinge, die man ihr von Dir, o König, brachte; am öfte- ſten aber hat ſie ihre Lippen auf jenen Blumenſtrauß ge- drückt, welchen Du ihr vor einigen Tagen mit eignen Händen pflückteſt. Ach, und als der Strauß zu welken begann, da nahm ſie Blume für Blume, breitete die Blü- tenblättchen ſorglich aus, legte ſie zwiſchen wollene Tücher und ſtellte eigenhändig ihre ſchwere, goldne Salbenſchachtel darauf, um ſie zu trocknen und als Andenken an Deine Güte aufzubewahren!“
Als ſie bemerkte, daß ſich die Züge ihres ſtrengen Richters bei dieſen Worten aufheiterten, ſchöpfte ſie neuen Muth, legte der Herrin ſüße Worte, welche dieſelbe nie- mals ausgeſprochen, in den Mund und behauptete, daß ſie, Mandane, hundertmal gehört habe, wie Nitetis den Na- men ‚Kambyſes‘ unausſprechlich zärtlich im Schlafe ausge-
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dieß Unheil wäre aber niemals möglich geweſen, wenn
Oropaſtes ſeinem Bruder geſtattet hätte, mich zu hei-
rathen!“
Bei dieſen ſehnſüchtig ausgeſprochenen Worten brach
ſie in neues Schluchzen aus, während ſich die ernſten Zu-
hörer, ja ſelbſt der König, eines leiſen Lächelns nicht er-
wehren konnten.
Dieß Lächeln rettete ihr ſchwer bedrohtes Leben.
Kambyſes würde aber nach Allem, was er erfahren,
kaum gelächelt haben, wenn Mandane nicht mit jenem
feinen Jnſtinkt, welcher den Frauen juſt in der Stunde
der drohenden Gefahr am willfährigſten zu Gebote ſteht,
verſtanden hätte, ſeine ſchwache Seite aufzufaſſen und aus-
zubeuten. So verweilte ſie denn, viel länger als nöthig,
bei der Freude, welche Nitetis über die Geſchenke des Kö-
nigs geäußert hatte.
„Tauſendmal,“ rief ſie, „küßte meine Herrin alle
Dinge, die man ihr von Dir, o König, brachte; am öfte-
ſten aber hat ſie ihre Lippen auf jenen Blumenſtrauß ge-
drückt, welchen Du ihr vor einigen Tagen mit eignen
Händen pflückteſt. Ach, und als der Strauß zu welken
begann, da nahm ſie Blume für Blume, breitete die Blü-
tenblättchen ſorglich aus, legte ſie zwiſchen wollene Tücher
und ſtellte eigenhändig ihre ſchwere, goldne Salbenſchachtel
darauf, um ſie zu trocknen und als Andenken an Deine
Güte aufzubewahren!“
Als ſie bemerkte, daß ſich die Züge ihres ſtrengen
Richters bei dieſen Worten aufheiterten, ſchöpfte ſie neuen
Muth, legte der Herrin ſüße Worte, welche dieſelbe nie-
mals ausgeſprochen, in den Mund und behauptete, daß ſie,
Mandane, hundertmal gehört habe, wie Nitetis den Na-
men ‚Kambyſes‘ unausſprechlich zärtlich im Schlafe ausge-
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/228>, abgerufen am 22.07.2024.
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