Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

das Vorgefallene mit ziemlicher Genauigkeit berichten. Der
Grieche folgte dem Erzähler in großer Spannung und
schüttelte häufig, namentlich aber, als von der Treulosigkeit
der Amasis-Tochter und des Kyros-Sohnes die Rede war,
ungläubig das schöne Haupt. Die verhängten Todes-
urtheile, besonders das des Krösus, schienen ihn tief zu
ergreifen; aber schnell verschwand das Bedauern aus seinen
lebhaften Zügen, um tiefem Nachdenken und bald darauf
einer Freude Platz zu machen, welche errathen ließ, daß
sein Sinnen mit schönem Erfolge gekrönt worden sei. Auf
einmal wich seine ernste Würde von ihm. Munter auf-
lachend und mit der Hand seine hohe Stirn fröhlich schla-
gend, ergriff er mit der Linken die Hand des erstaunten
Hauptmanns, drückte dieselbe und fragte:

"Würdest Du Dich freun, wenn Bartja gerettet werden
könnte?"

"Unaussprechlich!"

"Wohl, dann sollst Du hundert Goldstücke von mir,
und zwei Talente *) von einem Andern erhalten, wenn
Du mir die Möglichkeit verschaffst, den König zu sprechen,
ehe das erste der Todesurtheile vollstreckt worden ist."

"Aber, wie könnte ich, ein armer Hauptmann --"

"Du mußt, Du mußt!"

"Jch kann nicht!"

"Jch weiß wohl, daß es für einen Fremden schwer,
beinahe unmöglich ist, eine Unterredung mit euerm Herr-
scher zu erlangen; meine Botschaft duldet aber keinen Auf-
schub, denn ich vermag die Unschuld Bartja's und seiner
Freunde zu beweisen. Hörst Du, dies vermag ich! Glaubst
Du nun, daß Du mir den Zutritt verschaffen mußt?"

*) 3000 Thaler.

das Vorgefallene mit ziemlicher Genauigkeit berichten. Der
Grieche folgte dem Erzähler in großer Spannung und
ſchüttelte häufig, namentlich aber, als von der Treuloſigkeit
der Amaſis-Tochter und des Kyros-Sohnes die Rede war,
ungläubig das ſchöne Haupt. Die verhängten Todes-
urtheile, beſonders das des Kröſus, ſchienen ihn tief zu
ergreifen; aber ſchnell verſchwand das Bedauern aus ſeinen
lebhaften Zügen, um tiefem Nachdenken und bald darauf
einer Freude Platz zu machen, welche errathen ließ, daß
ſein Sinnen mit ſchönem Erfolge gekrönt worden ſei. Auf
einmal wich ſeine ernſte Würde von ihm. Munter auf-
lachend und mit der Hand ſeine hohe Stirn fröhlich ſchla-
gend, ergriff er mit der Linken die Hand des erſtaunten
Hauptmanns, drückte dieſelbe und fragte:

„Würdeſt Du Dich freun, wenn Bartja gerettet werden
könnte?“

„Unausſprechlich!“

„Wohl, dann ſollſt Du hundert Goldſtücke von mir,
und zwei Talente *) von einem Andern erhalten, wenn
Du mir die Möglichkeit verſchaffſt, den König zu ſprechen,
ehe das erſte der Todesurtheile vollſtreckt worden iſt.“

„Aber, wie könnte ich, ein armer Hauptmann —“

„Du mußt, Du mußt!“

„Jch kann nicht!“

„Jch weiß wohl, daß es für einen Fremden ſchwer,
beinahe unmöglich iſt, eine Unterredung mit euerm Herr-
ſcher zu erlangen; meine Botſchaft duldet aber keinen Auf-
ſchub, denn ich vermag die Unſchuld Bartja’s und ſeiner
Freunde zu beweiſen. Hörſt Du, dies vermag ich! Glaubſt
Du nun, daß Du mir den Zutritt verſchaffen mußt?“

*) 3000 Thaler.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="202"/>
das Vorgefallene mit ziemlicher Genauigkeit berichten. Der<lb/>
Grieche folgte dem Erzähler in großer Spannung und<lb/>
&#x017F;chüttelte häufig, namentlich aber, als von der Treulo&#x017F;igkeit<lb/>
der Ama&#x017F;is-Tochter und des Kyros-Sohnes die Rede war,<lb/>
ungläubig das &#x017F;chöne Haupt. Die verhängten Todes-<lb/>
urtheile, be&#x017F;onders das des Krö&#x017F;us, &#x017F;chienen ihn tief zu<lb/>
ergreifen; aber &#x017F;chnell ver&#x017F;chwand das Bedauern aus &#x017F;einen<lb/>
lebhaften Zügen, um tiefem Nachdenken und bald darauf<lb/>
einer Freude Platz zu machen, welche errathen ließ, daß<lb/>
&#x017F;ein Sinnen mit &#x017F;chönem Erfolge gekrönt worden &#x017F;ei. Auf<lb/>
einmal wich &#x017F;eine ern&#x017F;te Würde von ihm. Munter auf-<lb/>
lachend und mit der Hand &#x017F;eine hohe Stirn fröhlich &#x017F;chla-<lb/>
gend, ergriff er mit der Linken die Hand des er&#x017F;taunten<lb/>
Hauptmanns, drückte die&#x017F;elbe und fragte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Würde&#x017F;t Du Dich freun, wenn Bartja gerettet werden<lb/>
könnte?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unaus&#x017F;prechlich!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wohl, dann &#x017F;oll&#x017F;t Du hundert Gold&#x017F;tücke von mir,<lb/>
und zwei Talente <note place="foot" n="*)">3000 Thaler.</note> von einem Andern erhalten, wenn<lb/>
Du mir die Möglichkeit ver&#x017F;chaff&#x017F;t, den König zu &#x017F;prechen,<lb/>
ehe das er&#x017F;te der Todesurtheile voll&#x017F;treckt worden i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, wie könnte ich, ein armer Hauptmann &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du mußt, Du mußt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch kann nicht!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch weiß wohl, daß es für einen Fremden &#x017F;chwer,<lb/>
beinahe unmöglich i&#x017F;t, eine Unterredung mit euerm Herr-<lb/>
&#x017F;cher zu erlangen; meine Bot&#x017F;chaft duldet aber keinen Auf-<lb/>
&#x017F;chub, denn ich vermag die Un&#x017F;chuld Bartja&#x2019;s und &#x017F;einer<lb/>
Freunde zu bewei&#x017F;en. Hör&#x017F;t Du, dies vermag ich! Glaub&#x017F;t<lb/>
Du nun, daß Du mir den Zutritt ver&#x017F;chaffen mußt?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0204] das Vorgefallene mit ziemlicher Genauigkeit berichten. Der Grieche folgte dem Erzähler in großer Spannung und ſchüttelte häufig, namentlich aber, als von der Treuloſigkeit der Amaſis-Tochter und des Kyros-Sohnes die Rede war, ungläubig das ſchöne Haupt. Die verhängten Todes- urtheile, beſonders das des Kröſus, ſchienen ihn tief zu ergreifen; aber ſchnell verſchwand das Bedauern aus ſeinen lebhaften Zügen, um tiefem Nachdenken und bald darauf einer Freude Platz zu machen, welche errathen ließ, daß ſein Sinnen mit ſchönem Erfolge gekrönt worden ſei. Auf einmal wich ſeine ernſte Würde von ihm. Munter auf- lachend und mit der Hand ſeine hohe Stirn fröhlich ſchla- gend, ergriff er mit der Linken die Hand des erſtaunten Hauptmanns, drückte dieſelbe und fragte: „Würdeſt Du Dich freun, wenn Bartja gerettet werden könnte?“ „Unausſprechlich!“ „Wohl, dann ſollſt Du hundert Goldſtücke von mir, und zwei Talente *) von einem Andern erhalten, wenn Du mir die Möglichkeit verſchaffſt, den König zu ſprechen, ehe das erſte der Todesurtheile vollſtreckt worden iſt.“ „Aber, wie könnte ich, ein armer Hauptmann —“ „Du mußt, Du mußt!“ „Jch kann nicht!“ „Jch weiß wohl, daß es für einen Fremden ſchwer, beinahe unmöglich iſt, eine Unterredung mit euerm Herr- ſcher zu erlangen; meine Botſchaft duldet aber keinen Auf- ſchub, denn ich vermag die Unſchuld Bartja’s und ſeiner Freunde zu beweiſen. Hörſt Du, dies vermag ich! Glaubſt Du nun, daß Du mir den Zutritt verſchaffen mußt?“ *) 3000 Thaler.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/204
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/204>, abgerufen am 30.04.2024.