"Mein Knabe! Um Dein Leben zu retten, verwirkte ich, wenige Minuten ist es her, das meine. Als ich er- fuhr, daß Kambyses euern Tod in der That befohlen habe, eilte ich zu ihm, bestürmte ihn mit Bitten und ver- maß mich, als mein Flehen nicht fruchtete, dem gereizten Manne bittre Vorwürfe zu machen. Da riß das dünne Gewebe seiner Geduld, und tobend befahl er den Traban- ten, mein Haupt sofort zu fällen. Der Peitschenträger Oberst Giw verhaftete mich, schenkte mir aber bis morgen das Leben. Er ist mir verpflichtet und wird den Aufschub der Hinrichtung verheimlichen können. Jch freue mich, daß ich euch, meine Söhne, nicht zu überleben brauche und sterbe unschuldig, neben euch, den Schuldigen."
Diese Worte erweckten einen neuen Sturm des Wi- derspruchs.
Abermals blieb Darius dem allgemeinen Ungestüm gegenüber gemessen und ruhig. Er erzählte dem Greise von Neuem den ganzen Verlauf des Abends, die Unmög- lichkeit der Schuld des Bartja beweisend. Dann forderte er den der Treulosigkeit Angeklagten zum Reden auf. Bartja wies jedes Einverständniß mit Nitetis so kurz, schlagend und entschieden zurück und bekräftigte seine Aus- sage mit einem so furchtbaren Eidschwure, daß die Ueber- zeugung des Krösus erst zu schwanken, endlich zu schwin- den begann und er, als Bartja seine Rede schloß, densel- ben hoch aufathmend, als habe man seine Brust von einer schweren Last befreit, in seine Arme schloß.
So sehr sich die Freunde von nun an bemühten, das Vorgefallene zu erklären, so erfolglos blieb ihr Sinnen und Erwägen. Uebrigens waren alle der festen Ansicht, Nitetis liebe Bartja und habe jenen Brief an denselben in schlimmer Absicht geschrieben.
„Mein Knabe! Um Dein Leben zu retten, verwirkte ich, wenige Minuten iſt es her, das meine. Als ich er- fuhr, daß Kambyſes euern Tod in der That befohlen habe, eilte ich zu ihm, beſtürmte ihn mit Bitten und ver- maß mich, als mein Flehen nicht fruchtete, dem gereizten Manne bittre Vorwürfe zu machen. Da riß das dünne Gewebe ſeiner Geduld, und tobend befahl er den Traban- ten, mein Haupt ſofort zu fällen. Der Peitſchenträger Oberſt Giw verhaftete mich, ſchenkte mir aber bis morgen das Leben. Er iſt mir verpflichtet und wird den Aufſchub der Hinrichtung verheimlichen können. Jch freue mich, daß ich euch, meine Söhne, nicht zu überleben brauche und ſterbe unſchuldig, neben euch, den Schuldigen.“
Dieſe Worte erweckten einen neuen Sturm des Wi- derſpruchs.
Abermals blieb Darius dem allgemeinen Ungeſtüm gegenüber gemeſſen und ruhig. Er erzählte dem Greiſe von Neuem den ganzen Verlauf des Abends, die Unmög- lichkeit der Schuld des Bartja beweiſend. Dann forderte er den der Treuloſigkeit Angeklagten zum Reden auf. Bartja wies jedes Einverſtändniß mit Nitetis ſo kurz, ſchlagend und entſchieden zurück und bekräftigte ſeine Aus- ſage mit einem ſo furchtbaren Eidſchwure, daß die Ueber- zeugung des Kröſus erſt zu ſchwanken, endlich zu ſchwin- den begann und er, als Bartja ſeine Rede ſchloß, denſel- ben hoch aufathmend, als habe man ſeine Bruſt von einer ſchweren Laſt befreit, in ſeine Arme ſchloß.
So ſehr ſich die Freunde von nun an bemühten, das Vorgefallene zu erklären, ſo erfolglos blieb ihr Sinnen und Erwägen. Uebrigens waren alle der feſten Anſicht, Nitetis liebe Bartja und habe jenen Brief an denſelben in ſchlimmer Abſicht geſchrieben.
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„Mein Knabe! Um Dein Leben zu retten, verwirkte
ich, wenige Minuten iſt es her, das meine. Als ich er-
fuhr, daß Kambyſes euern Tod in der That befohlen
habe, eilte ich zu ihm, beſtürmte ihn mit Bitten und ver-
maß mich, als mein Flehen nicht fruchtete, dem gereizten
Manne bittre Vorwürfe zu machen. Da riß das dünne
Gewebe ſeiner Geduld, und tobend befahl er den Traban-
ten, mein Haupt ſofort zu fällen. Der Peitſchenträger
Oberſt Giw verhaftete mich, ſchenkte mir aber bis morgen
das Leben. Er iſt mir verpflichtet und wird den Aufſchub
der Hinrichtung verheimlichen können. Jch freue mich,
daß ich euch, meine Söhne, nicht zu überleben brauche und
ſterbe unſchuldig, neben euch, den Schuldigen.“
Dieſe Worte erweckten einen neuen Sturm des Wi-
derſpruchs.
Abermals blieb Darius dem allgemeinen Ungeſtüm
gegenüber gemeſſen und ruhig. Er erzählte dem Greiſe
von Neuem den ganzen Verlauf des Abends, die Unmög-
lichkeit der Schuld des Bartja beweiſend. Dann forderte
er den der Treuloſigkeit Angeklagten zum Reden auf.
Bartja wies jedes Einverſtändniß mit Nitetis ſo kurz,
ſchlagend und entſchieden zurück und bekräftigte ſeine Aus-
ſage mit einem ſo furchtbaren Eidſchwure, daß die Ueber-
zeugung des Kröſus erſt zu ſchwanken, endlich zu ſchwin-
den begann und er, als Bartja ſeine Rede ſchloß, denſel-
ben hoch aufathmend, als habe man ſeine Bruſt von einer
ſchweren Laſt befreit, in ſeine Arme ſchloß.
So ſehr ſich die Freunde von nun an bemühten, das
Vorgefallene zu erklären, ſo erfolglos blieb ihr Sinnen
und Erwägen. Uebrigens waren alle der feſten Anſicht,
Nitetis liebe Bartja und habe jenen Brief an denſelben
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/180>, abgerufen am 22.07.2024.
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