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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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fürchtend, sein Haupt und rief mit heiserer Stimme:
"Führe die Frauen in ihre Gemächer, Boges! Jch will
sie nicht mehr sehn ... Das Trinkgelage soll beginnen ...
Schlafe wohl, meine Mutter, und hüte Dich, Nattern mit
Deinem Herzblute zu säugen. Schlafe gut, Aegypterin, und
bitte die Götter, daß sie Dir eine gleichmäßigere Verstel-
lungskunst gewähren mögen. Jhr Freunde, morgen ziehen
wir zum Jagen aus! Gib mir zu trinken, Schenk! Fülle
den großen Becher; aber koste viel, sehr viel, denn heute
fürcht' ich mich vor Gift, heut' zum Erstenmale! Hörst Du,
Aegypterin; ich fürchte mich vor Gift, und alle Gifte und
Arzeneien 92), haha, das weiß ja ein jedes Kind, alle
Gifte kommen aus Aegypten!"

Nitetis verließ die Halle, mehr taumelnd als gehend.
Boges begleitete sie, und befahl den Sänftenträgern sich
zu beeilen.

Bei den hängenden Gärten angelangt, übergab er die
Aegypterin den Eunuchen, welche ihr Haus zu bewachen
hatten, und verabschiedete sich von derselben, indem er,
seine Hände reibend und leise kichernd, keineswegs ehrer-
bietig wie sonst, aber um so vertraulicher und freundlicher,
sagte: "Träume von dem schönen Bartja und seiner ägyp-
tischen Liebsten, mein weißes Nilkätzchen! Hast Du nichts
an den schönen Knaben, dessen Verliebtheit Dich so sehr
erschreckte, zu bestellen? -- Besinn Dich gut; der arme
Boges will gern den Vermittler spielen, der verachtete
Boges will Dir wohl, der demüthige Boges wird sich
grämen, wenn er die stolze Palme von Sais fallen sieht,
der Seher Boges verkündet Dir eine baldige Heimkehr nach
Aegypten oder eine sanfte Ruhe in der schwarzen Erde
von Babylon, der gute Boges wünscht Dir ruhigen Schlaf!
Gehab Dich wohl, mein geknicktes Blümchen, meine bunte

fürchtend, ſein Haupt und rief mit heiſerer Stimme:
„Führe die Frauen in ihre Gemächer, Boges! Jch will
ſie nicht mehr ſehn ... Das Trinkgelage ſoll beginnen ...
Schlafe wohl, meine Mutter, und hüte Dich, Nattern mit
Deinem Herzblute zu ſäugen. Schlafe gut, Aegypterin, und
bitte die Götter, daß ſie Dir eine gleichmäßigere Verſtel-
lungskunſt gewähren mögen. Jhr Freunde, morgen ziehen
wir zum Jagen aus! Gib mir zu trinken, Schenk! Fülle
den großen Becher; aber koſte viel, ſehr viel, denn heute
fürcht’ ich mich vor Gift, heut’ zum Erſtenmale! Hörſt Du,
Aegypterin; ich fürchte mich vor Gift, und alle Gifte und
Arzeneien 92), haha, das weiß ja ein jedes Kind, alle
Gifte kommen aus Aegypten!“

Nitetis verließ die Halle, mehr taumelnd als gehend.
Boges begleitete ſie, und befahl den Sänftenträgern ſich
zu beeilen.

Bei den hängenden Gärten angelangt, übergab er die
Aegypterin den Eunuchen, welche ihr Haus zu bewachen
hatten, und verabſchiedete ſich von derſelben, indem er,
ſeine Hände reibend und leiſe kichernd, keineswegs ehrer-
bietig wie ſonſt, aber um ſo vertraulicher und freundlicher,
ſagte: „Träume von dem ſchönen Bartja und ſeiner ägyp-
tiſchen Liebſten, mein weißes Nilkätzchen! Haſt Du nichts
an den ſchönen Knaben, deſſen Verliebtheit Dich ſo ſehr
erſchreckte, zu beſtellen? — Beſinn Dich gut; der arme
Boges will gern den Vermittler ſpielen, der verachtete
Boges will Dir wohl, der demüthige Boges wird ſich
grämen, wenn er die ſtolze Palme von Sais fallen ſieht,
der Seher Boges verkündet Dir eine baldige Heimkehr nach
Aegypten oder eine ſanfte Ruhe in der ſchwarzen Erde
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Gehab Dich wohl, mein geknicktes Blümchen, meine bunte

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[125/0127] fürchtend, ſein Haupt und rief mit heiſerer Stimme: „Führe die Frauen in ihre Gemächer, Boges! Jch will ſie nicht mehr ſehn ... Das Trinkgelage ſoll beginnen ... Schlafe wohl, meine Mutter, und hüte Dich, Nattern mit Deinem Herzblute zu ſäugen. Schlafe gut, Aegypterin, und bitte die Götter, daß ſie Dir eine gleichmäßigere Verſtel- lungskunſt gewähren mögen. Jhr Freunde, morgen ziehen wir zum Jagen aus! Gib mir zu trinken, Schenk! Fülle den großen Becher; aber koſte viel, ſehr viel, denn heute fürcht’ ich mich vor Gift, heut’ zum Erſtenmale! Hörſt Du, Aegypterin; ich fürchte mich vor Gift, und alle Gifte und Arzeneien 92), haha, das weiß ja ein jedes Kind, alle Gifte kommen aus Aegypten!“ Nitetis verließ die Halle, mehr taumelnd als gehend. Boges begleitete ſie, und befahl den Sänftenträgern ſich zu beeilen. Bei den hängenden Gärten angelangt, übergab er die Aegypterin den Eunuchen, welche ihr Haus zu bewachen hatten, und verabſchiedete ſich von derſelben, indem er, ſeine Hände reibend und leiſe kichernd, keineswegs ehrer- bietig wie ſonſt, aber um ſo vertraulicher und freundlicher, ſagte: „Träume von dem ſchönen Bartja und ſeiner ägyp- tiſchen Liebſten, mein weißes Nilkätzchen! Haſt Du nichts an den ſchönen Knaben, deſſen Verliebtheit Dich ſo ſehr erſchreckte, zu beſtellen? — Beſinn Dich gut; der arme Boges will gern den Vermittler ſpielen, der verachtete Boges will Dir wohl, der demüthige Boges wird ſich grämen, wenn er die ſtolze Palme von Sais fallen ſieht, der Seher Boges verkündet Dir eine baldige Heimkehr nach Aegypten oder eine ſanfte Ruhe in der ſchwarzen Erde von Babylon, der gute Boges wünſcht Dir ruhigen Schlaf! Gehab Dich wohl, mein geknicktes Blümchen, meine bunte

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/127>, abgerufen am 23.11.2024.