glühten, beugte sich lächelnd dem Ohre seines Bruders entgegen und erzählte demselben, leise flüsternd, in kurzen Worten die Geschichte seiner Liebe.
Sappho's Vater hatte geholfen, seine Vaterstadt Pho- kaea *) gegen die Heere des Kyros zu vertheidigen. Diesen Umstand hob der Jüngling klüglich hervor, nannte seine Geliebte, der Wahrheit gemäß, die Tochter eines helleni- schen Streiters aus edlem Geschlechte und verschwieg 90), daß derselbe durch kaufmännische Unternehmungen große Schätze erworben habe. Er schilderte seinem Bruder die Anmuth, hohe Bildung und Liebe seiner Braut, und wollte sich eben auf das Zeugniß des Krösus berufen, als ihn Kambyses unterbrach und, seine Stirne küssend, ausrief: "Spare Deine Worte, mein Bruder, und folge der Sehn- sucht Deines Herzens. Jch kenne die Macht der Liebe und will Dir helfen die Einwilligung unsrer Mutter zu er- ringen."
Bartja warf sich, von Glück und Dankbarkeit über- wältigt, dem königlichen Bruder zu Füßen; dieser aber hob ihn freundlich auf und rief, sich besonders an Nitetis und Kassandane wendend: "Merkt auf, ihr Lieben! Der Stamm des Kyros soll neue Blüten treiben, denn unser Bruder Bartja hat sich entschlossen, seinem den Göttern mißliebigen Junggesellenleben 91) ein Ende zu machen. Jn wenigen Tagen zieht der liebende Jüngling in Deine Hei- mat, Nitetis, und bringt den zweiten Edelstein vom Ufer des Nils nach unsrer bergigen Heimat!"
"Was hast Du, Schwester?" rief, ehe Kambyses diese Worte vollendet hatte, die junge Atossa, indem sie
*) Siehe Anmerkung 22 im I. Theil.
glühten, beugte ſich lächelnd dem Ohre ſeines Bruders entgegen und erzählte demſelben, leiſe flüſternd, in kurzen Worten die Geſchichte ſeiner Liebe.
Sappho’s Vater hatte geholfen, ſeine Vaterſtadt Pho- kaea *) gegen die Heere des Kyros zu vertheidigen. Dieſen Umſtand hob der Jüngling klüglich hervor, nannte ſeine Geliebte, der Wahrheit gemäß, die Tochter eines helleni- ſchen Streiters aus edlem Geſchlechte und verſchwieg 90), daß derſelbe durch kaufmänniſche Unternehmungen große Schätze erworben habe. Er ſchilderte ſeinem Bruder die Anmuth, hohe Bildung und Liebe ſeiner Braut, und wollte ſich eben auf das Zeugniß des Kröſus berufen, als ihn Kambyſes unterbrach und, ſeine Stirne küſſend, ausrief: „Spare Deine Worte, mein Bruder, und folge der Sehn- ſucht Deines Herzens. Jch kenne die Macht der Liebe und will Dir helfen die Einwilligung unſrer Mutter zu er- ringen.“
Bartja warf ſich, von Glück und Dankbarkeit über- wältigt, dem königlichen Bruder zu Füßen; dieſer aber hob ihn freundlich auf und rief, ſich beſonders an Nitetis und Kaſſandane wendend: „Merkt auf, ihr Lieben! Der Stamm des Kyros ſoll neue Blüten treiben, denn unſer Bruder Bartja hat ſich entſchloſſen, ſeinem den Göttern mißliebigen Junggeſellenleben 91) ein Ende zu machen. Jn wenigen Tagen zieht der liebende Jüngling in Deine Hei- mat, Nitetis, und bringt den zweiten Edelſtein vom Ufer des Nils nach unſrer bergigen Heimat!“
„Was haſt Du, Schweſter?“ rief, ehe Kambyſes dieſe Worte vollendet hatte, die junge Atoſſa, indem ſie
*) Siehe Anmerkung 22 im I. Theil.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0125"n="123"/>
glühten, beugte ſich lächelnd dem Ohre ſeines Bruders<lb/>
entgegen und erzählte demſelben, leiſe flüſternd, in kurzen<lb/>
Worten die Geſchichte ſeiner Liebe.</p><lb/><p>Sappho’s Vater hatte geholfen, ſeine Vaterſtadt Pho-<lb/>
kaea <noteplace="foot"n="*)">Siehe Anmerkung 22 im <hirendition="#aq">I.</hi> Theil.</note> gegen die Heere des Kyros zu vertheidigen. Dieſen<lb/>
Umſtand hob der Jüngling klüglich hervor, nannte ſeine<lb/>
Geliebte, der Wahrheit gemäß, die Tochter eines helleni-<lb/>ſchen Streiters aus edlem Geſchlechte und verſchwieg <hirendition="#sup">90</hi>),<lb/>
daß derſelbe durch kaufmänniſche Unternehmungen große<lb/>
Schätze erworben habe. Er ſchilderte ſeinem Bruder die<lb/>
Anmuth, hohe Bildung und Liebe ſeiner Braut, und wollte<lb/>ſich eben auf das Zeugniß des Kröſus berufen, als ihn<lb/>
Kambyſes unterbrach und, ſeine Stirne küſſend, ausrief:<lb/>„Spare Deine Worte, mein Bruder, und folge der Sehn-<lb/>ſucht Deines Herzens. Jch kenne die Macht der Liebe und<lb/>
will Dir helfen die Einwilligung unſrer Mutter zu er-<lb/>
ringen.“</p><lb/><p>Bartja warf ſich, von Glück und Dankbarkeit über-<lb/>
wältigt, dem königlichen Bruder zu Füßen; dieſer aber<lb/>
hob ihn freundlich auf und rief, ſich beſonders an Nitetis<lb/>
und Kaſſandane wendend: „Merkt auf, ihr Lieben! Der<lb/>
Stamm des Kyros ſoll neue Blüten treiben, denn unſer<lb/>
Bruder Bartja hat ſich entſchloſſen, ſeinem den Göttern<lb/>
mißliebigen Junggeſellenleben <hirendition="#sup">91</hi>) ein Ende zu machen. Jn<lb/>
wenigen Tagen zieht der liebende Jüngling in Deine Hei-<lb/>
mat, Nitetis, und bringt den zweiten Edelſtein vom Ufer<lb/>
des Nils nach unſrer bergigen Heimat!“</p><lb/><p>„Was haſt Du, Schweſter?“ rief, ehe Kambyſes<lb/>
dieſe Worte vollendet hatte, die junge Atoſſa, indem ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[123/0125]
glühten, beugte ſich lächelnd dem Ohre ſeines Bruders
entgegen und erzählte demſelben, leiſe flüſternd, in kurzen
Worten die Geſchichte ſeiner Liebe.
Sappho’s Vater hatte geholfen, ſeine Vaterſtadt Pho-
kaea *) gegen die Heere des Kyros zu vertheidigen. Dieſen
Umſtand hob der Jüngling klüglich hervor, nannte ſeine
Geliebte, der Wahrheit gemäß, die Tochter eines helleni-
ſchen Streiters aus edlem Geſchlechte und verſchwieg 90),
daß derſelbe durch kaufmänniſche Unternehmungen große
Schätze erworben habe. Er ſchilderte ſeinem Bruder die
Anmuth, hohe Bildung und Liebe ſeiner Braut, und wollte
ſich eben auf das Zeugniß des Kröſus berufen, als ihn
Kambyſes unterbrach und, ſeine Stirne küſſend, ausrief:
„Spare Deine Worte, mein Bruder, und folge der Sehn-
ſucht Deines Herzens. Jch kenne die Macht der Liebe und
will Dir helfen die Einwilligung unſrer Mutter zu er-
ringen.“
Bartja warf ſich, von Glück und Dankbarkeit über-
wältigt, dem königlichen Bruder zu Füßen; dieſer aber
hob ihn freundlich auf und rief, ſich beſonders an Nitetis
und Kaſſandane wendend: „Merkt auf, ihr Lieben! Der
Stamm des Kyros ſoll neue Blüten treiben, denn unſer
Bruder Bartja hat ſich entſchloſſen, ſeinem den Göttern
mißliebigen Junggeſellenleben 91) ein Ende zu machen. Jn
wenigen Tagen zieht der liebende Jüngling in Deine Hei-
mat, Nitetis, und bringt den zweiten Edelſtein vom Ufer
des Nils nach unſrer bergigen Heimat!“
„Was haſt Du, Schweſter?“ rief, ehe Kambyſes
dieſe Worte vollendet hatte, die junge Atoſſa, indem ſie
*) Siehe Anmerkung 22 im I. Theil.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/125>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.