Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Gipfel, als der Haushofmeister mit einer kleinen
vergoldeten Mumie erschien, und, indem er dieselbe der
Gesellschaft zeigte, ausrief: "Trinket, scherzet und seid
fröhlich, denn allzubald werdet ihr gleich diesem 131)
sein!"

"Jst dieß Hinweisen auf den Tod eure Sitte bei Fest-
gelagen?" fragte Bartja, ernster werdend, den König,
"oder erlaubt sich Dein Haushofmeister heute nur diesen
Spaß?" -- "Seit Jahrhunderten," antwortete Amasis,
"pflegt man solche Mumien, um die Heiterkeit zu steigern,
und die Zecher daran zu erinnern, daß man genießen solle,
so lang' es Zeit sei, den Trinkgenossen zu weisen. Du,
junger Schmetterling, hast freilich noch lange Freudenjahre
vor Dir; wir alten Söhne aber, Freund Krösus, müssen
uns ernstlich daran halten. -- Mundschenk, fülle schnell
unsern Becher, damit kein Augenblick des Lebens nutzlos
verrinne! Wie Du trinken kannst, Du goldhaariger Per-
ser! Wahrhaftig, die großen Götter haben Dir eine ebenso
gute Kehle, als schöne Augen und blühende Reize beschert.
Laß Dich küssen, Du herrlicher Jüngling, Du schlechter
Knabe! Was glaubst Du, Krösus? Meine Tochter Tachot
spricht von Nichts, als von dem Milchbarte, welcher ihr
erst mit holden Blicken, dann mit süßen Worten das Köpf-
chen verdreht zu haben scheint. -- Nun, Du brauchst nicht
roth zu werden, Du junger Tollkopf! Ein Mann wie Du
darf sich wohl nach Königstöchtern umschauen; aber wärest
Du Dein Vater Kyros selbst, die Tachot dürfte mir nicht
nach Persien!"

"Vater!" rief der Thronerbe Psamtik, diese Rede
unterbrechend, dem Könige zu. "Vater, hüte Deine Zunge
und gedenke des Phanes!" Der König schaute seinen Sohn
mit einem finstern Blicke an; befolgte aber dennoch den

ſeinen Gipfel, als der Haushofmeiſter mit einer kleinen
vergoldeten Mumie erſchien, und, indem er dieſelbe der
Geſellſchaft zeigte, ausrief: „Trinket, ſcherzet und ſeid
fröhlich, denn allzubald werdet ihr gleich dieſem 131)
ſein!“

„Jſt dieß Hinweiſen auf den Tod eure Sitte bei Feſt-
gelagen?“ fragte Bartja, ernſter werdend, den König,
„oder erlaubt ſich Dein Haushofmeiſter heute nur dieſen
Spaß?“ — „Seit Jahrhunderten,“ antwortete Amaſis,
„pflegt man ſolche Mumien, um die Heiterkeit zu ſteigern,
und die Zecher daran zu erinnern, daß man genießen ſolle,
ſo lang’ es Zeit ſei, den Trinkgenoſſen zu weiſen. Du,
junger Schmetterling, haſt freilich noch lange Freudenjahre
vor Dir; wir alten Söhne aber, Freund Kröſus, müſſen
uns ernſtlich daran halten. — Mundſchenk, fülle ſchnell
unſern Becher, damit kein Augenblick des Lebens nutzlos
verrinne! Wie Du trinken kannſt, Du goldhaariger Per-
ſer! Wahrhaftig, die großen Götter haben Dir eine ebenſo
gute Kehle, als ſchöne Augen und blühende Reize beſchert.
Laß Dich küſſen, Du herrlicher Jüngling, Du ſchlechter
Knabe! Was glaubſt Du, Kröſus? Meine Tochter Tachot
ſpricht von Nichts, als von dem Milchbarte, welcher ihr
erſt mit holden Blicken, dann mit ſüßen Worten das Köpf-
chen verdreht zu haben ſcheint. — Nun, Du brauchſt nicht
roth zu werden, Du junger Tollkopf! Ein Mann wie Du
darf ſich wohl nach Königstöchtern umſchauen; aber wäreſt
Du Dein Vater Kyros ſelbſt, die Tachot dürfte mir nicht
nach Perſien!“

„Vater!“ rief der Thronerbe Pſamtik, dieſe Rede
unterbrechend, dem Könige zu. „Vater, hüte Deine Zunge
und gedenke des Phanes!“ Der König ſchaute ſeinen Sohn
mit einem finſtern Blicke an; befolgte aber dennoch den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="80"/>
&#x017F;einen Gipfel, als der Haushofmei&#x017F;ter mit einer kleinen<lb/>
vergoldeten Mumie er&#x017F;chien, und, indem er die&#x017F;elbe der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zeigte, ausrief: &#x201E;Trinket, &#x017F;cherzet und &#x017F;eid<lb/>
fröhlich, denn allzubald werdet ihr gleich die&#x017F;em <hi rendition="#sup">131</hi>)<lb/>
&#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;J&#x017F;t dieß Hinwei&#x017F;en auf den Tod eure Sitte bei Fe&#x017F;t-<lb/>
gelagen?&#x201C; fragte Bartja, ern&#x017F;ter werdend, den König,<lb/>
&#x201E;oder erlaubt &#x017F;ich Dein Haushofmei&#x017F;ter heute nur die&#x017F;en<lb/>
Spaß?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Seit Jahrhunderten,&#x201C; antwortete Ama&#x017F;is,<lb/>
&#x201E;pflegt man &#x017F;olche Mumien, um die Heiterkeit zu &#x017F;teigern,<lb/>
und die Zecher daran zu erinnern, daß man genießen &#x017F;olle,<lb/>
&#x017F;o lang&#x2019; es Zeit &#x017F;ei, den Trinkgeno&#x017F;&#x017F;en zu wei&#x017F;en. Du,<lb/>
junger Schmetterling, ha&#x017F;t freilich noch lange Freudenjahre<lb/>
vor Dir; wir alten Söhne aber, Freund Krö&#x017F;us, mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
uns ern&#x017F;tlich daran halten. &#x2014; Mund&#x017F;chenk, fülle &#x017F;chnell<lb/>
un&#x017F;ern Becher, damit kein Augenblick des Lebens nutzlos<lb/>
verrinne! Wie Du trinken kann&#x017F;t, Du goldhaariger Per-<lb/>
&#x017F;er! Wahrhaftig, die großen Götter haben Dir eine eben&#x017F;o<lb/>
gute Kehle, als &#x017F;chöne Augen und blühende Reize be&#x017F;chert.<lb/>
Laß Dich kü&#x017F;&#x017F;en, Du herrlicher Jüngling, Du &#x017F;chlechter<lb/>
Knabe! Was glaub&#x017F;t Du, Krö&#x017F;us? Meine Tochter Tachot<lb/>
&#x017F;pricht von Nichts, als von dem Milchbarte, welcher ihr<lb/>
er&#x017F;t mit holden Blicken, dann mit &#x017F;üßen Worten das Köpf-<lb/>
chen verdreht zu haben &#x017F;cheint. &#x2014; Nun, Du brauch&#x017F;t nicht<lb/>
roth zu werden, Du junger Tollkopf! Ein Mann wie Du<lb/>
darf &#x017F;ich wohl nach Königstöchtern um&#x017F;chauen; aber wäre&#x017F;t<lb/>
Du Dein Vater Kyros &#x017F;elb&#x017F;t, die Tachot dürfte mir nicht<lb/>
nach Per&#x017F;ien!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vater!&#x201C; rief der Thronerbe P&#x017F;amtik, die&#x017F;e Rede<lb/>
unterbrechend, dem Könige zu. &#x201E;Vater, hüte Deine Zunge<lb/>
und gedenke des Phanes!&#x201C; Der König &#x017F;chaute &#x017F;einen Sohn<lb/>
mit einem fin&#x017F;tern Blicke an; befolgte aber dennoch den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0098] ſeinen Gipfel, als der Haushofmeiſter mit einer kleinen vergoldeten Mumie erſchien, und, indem er dieſelbe der Geſellſchaft zeigte, ausrief: „Trinket, ſcherzet und ſeid fröhlich, denn allzubald werdet ihr gleich dieſem 131) ſein!“ „Jſt dieß Hinweiſen auf den Tod eure Sitte bei Feſt- gelagen?“ fragte Bartja, ernſter werdend, den König, „oder erlaubt ſich Dein Haushofmeiſter heute nur dieſen Spaß?“ — „Seit Jahrhunderten,“ antwortete Amaſis, „pflegt man ſolche Mumien, um die Heiterkeit zu ſteigern, und die Zecher daran zu erinnern, daß man genießen ſolle, ſo lang’ es Zeit ſei, den Trinkgenoſſen zu weiſen. Du, junger Schmetterling, haſt freilich noch lange Freudenjahre vor Dir; wir alten Söhne aber, Freund Kröſus, müſſen uns ernſtlich daran halten. — Mundſchenk, fülle ſchnell unſern Becher, damit kein Augenblick des Lebens nutzlos verrinne! Wie Du trinken kannſt, Du goldhaariger Per- ſer! Wahrhaftig, die großen Götter haben Dir eine ebenſo gute Kehle, als ſchöne Augen und blühende Reize beſchert. Laß Dich küſſen, Du herrlicher Jüngling, Du ſchlechter Knabe! Was glaubſt Du, Kröſus? Meine Tochter Tachot ſpricht von Nichts, als von dem Milchbarte, welcher ihr erſt mit holden Blicken, dann mit ſüßen Worten das Köpf- chen verdreht zu haben ſcheint. — Nun, Du brauchſt nicht roth zu werden, Du junger Tollkopf! Ein Mann wie Du darf ſich wohl nach Königstöchtern umſchauen; aber wäreſt Du Dein Vater Kyros ſelbſt, die Tachot dürfte mir nicht nach Perſien!“ „Vater!“ rief der Thronerbe Pſamtik, dieſe Rede unterbrechend, dem Könige zu. „Vater, hüte Deine Zunge und gedenke des Phanes!“ Der König ſchaute ſeinen Sohn mit einem finſtern Blicke an; befolgte aber dennoch den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/98
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/98>, abgerufen am 27.04.2024.