aber war an keinen Schlaf zu denken, so fürchterlich spek- takelten Tausende von Ratten und Mäusen unter den alten Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.
"Schon in der ersten Nacht lief mir eine unverschämte Maus über das Gesicht.
"Jch wußte mir keinen Rath in dieser Noth, bis mir endlich ein ägyptischer Soldat zwei schöne große Katzen verkaufte, welche mir auch nach einigen Wochen ziemliche Ruhe vor meinen Peinigern verschafften.
"Jhr werdet Alle wissen, daß eines der liebenswür- digen Gesetze dieses wunderlichen Volkes, dessen Bildung und Weisheit ihr, meine milesischen Freunde, nicht sattsam preisen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche Ehre wird diesen glücklichen Vierfüßlern, wie so mancher anderen Bestie, zu Theil, und ihre Tödtung eben so streng bestraft, als der Mord eines Menschen."
Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde ernster, als sie vernahm, daß die Verweisung des Phanes mit seiner Mißachtung der heiligen Thiere zusammenhing. Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menschenleben, dieser Aberglaube der Aegypter bereits gekostet hatte. Vor Kurzem noch hatte der König Amasis selbst, einen unglück- lichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht 51).
"Alles war gut," erzählte der Oberst weiter, "als wir Memphis vor zwei Jahren verließen.
"Jch hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyp- tischen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rat- tenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle rein erhalten würden, ja ich begann schon selbst den freund- lichen Rettern aus der Mäusegefahr eine gewisse Vereh- rung zu zollen.
aber war an keinen Schlaf zu denken, ſo fürchterlich ſpek- takelten Tauſende von Ratten und Mäuſen unter den alten Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.
„Schon in der erſten Nacht lief mir eine unverſchämte Maus über das Geſicht.
„Jch wußte mir keinen Rath in dieſer Noth, bis mir endlich ein ägyptiſcher Soldat zwei ſchöne große Katzen verkaufte, welche mir auch nach einigen Wochen ziemliche Ruhe vor meinen Peinigern verſchafften.
„Jhr werdet Alle wiſſen, daß eines der liebenswür- digen Geſetze dieſes wunderlichen Volkes, deſſen Bildung und Weisheit ihr, meine mileſiſchen Freunde, nicht ſattſam preiſen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche Ehre wird dieſen glücklichen Vierfüßlern, wie ſo mancher anderen Beſtie, zu Theil, und ihre Tödtung eben ſo ſtreng beſtraft, als der Mord eines Menſchen.“
Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde ernſter, als ſie vernahm, daß die Verweiſung des Phanes mit ſeiner Mißachtung der heiligen Thiere zuſammenhing. Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menſchenleben, dieſer Aberglaube der Aegypter bereits gekoſtet hatte. Vor Kurzem noch hatte der König Amaſis ſelbſt, einen unglück- lichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht 51).
„Alles war gut,“ erzählte der Oberſt weiter, „als wir Memphis vor zwei Jahren verließen.
„Jch hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyp- tiſchen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rat- tenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle rein erhalten würden, ja ich begann ſchon ſelbſt den freund- lichen Rettern aus der Mäuſegefahr eine gewiſſe Vereh- rung zu zollen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0042"n="24"/>
aber war an keinen Schlaf zu denken, ſo fürchterlich ſpek-<lb/>
takelten Tauſende von Ratten und Mäuſen unter den alten<lb/>
Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.</p><lb/><p>„Schon in der erſten Nacht lief mir eine unverſchämte<lb/>
Maus über das Geſicht.</p><lb/><p>„Jch wußte mir keinen Rath in dieſer Noth, bis mir<lb/>
endlich ein ägyptiſcher Soldat zwei ſchöne große Katzen<lb/>
verkaufte, welche mir auch nach einigen Wochen ziemliche<lb/>
Ruhe vor meinen Peinigern verſchafften.</p><lb/><p>„Jhr werdet Alle wiſſen, daß eines der liebenswür-<lb/>
digen Geſetze dieſes wunderlichen Volkes, deſſen Bildung<lb/>
und Weisheit ihr, meine mileſiſchen Freunde, nicht ſattſam<lb/>
preiſen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche<lb/>
Ehre wird dieſen glücklichen Vierfüßlern, wie ſo mancher<lb/>
anderen Beſtie, zu Theil, und ihre Tödtung eben ſo ſtreng<lb/>
beſtraft, als der Mord eines Menſchen.“</p><lb/><p>Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde<lb/>
ernſter, als ſie vernahm, daß die Verweiſung des Phanes<lb/>
mit ſeiner Mißachtung der heiligen Thiere zuſammenhing.<lb/>
Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menſchenleben,<lb/>
dieſer Aberglaube der Aegypter bereits gekoſtet hatte. Vor<lb/>
Kurzem noch hatte der König Amaſis ſelbſt, einen unglück-<lb/>
lichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor<lb/>
der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht <hirendition="#sup">51</hi>).</p><lb/><p>„Alles war gut,“ erzählte der Oberſt weiter, „als<lb/>
wir Memphis vor zwei Jahren verließen.</p><lb/><p>„Jch hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyp-<lb/>
tiſchen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rat-<lb/>
tenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle<lb/>
rein erhalten würden, ja ich begann ſchon ſelbſt den freund-<lb/>
lichen Rettern aus der Mäuſegefahr eine gewiſſe Vereh-<lb/>
rung zu zollen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[24/0042]
aber war an keinen Schlaf zu denken, ſo fürchterlich ſpek-
takelten Tauſende von Ratten und Mäuſen unter den alten
Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.
„Schon in der erſten Nacht lief mir eine unverſchämte
Maus über das Geſicht.
„Jch wußte mir keinen Rath in dieſer Noth, bis mir
endlich ein ägyptiſcher Soldat zwei ſchöne große Katzen
verkaufte, welche mir auch nach einigen Wochen ziemliche
Ruhe vor meinen Peinigern verſchafften.
„Jhr werdet Alle wiſſen, daß eines der liebenswür-
digen Geſetze dieſes wunderlichen Volkes, deſſen Bildung
und Weisheit ihr, meine mileſiſchen Freunde, nicht ſattſam
preiſen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche
Ehre wird dieſen glücklichen Vierfüßlern, wie ſo mancher
anderen Beſtie, zu Theil, und ihre Tödtung eben ſo ſtreng
beſtraft, als der Mord eines Menſchen.“
Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde
ernſter, als ſie vernahm, daß die Verweiſung des Phanes
mit ſeiner Mißachtung der heiligen Thiere zuſammenhing.
Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menſchenleben,
dieſer Aberglaube der Aegypter bereits gekoſtet hatte. Vor
Kurzem noch hatte der König Amaſis ſelbſt, einen unglück-
lichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor
der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht 51).
„Alles war gut,“ erzählte der Oberſt weiter, „als
wir Memphis vor zwei Jahren verließen.
„Jch hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyp-
tiſchen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rat-
tenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle
rein erhalten würden, ja ich begann ſchon ſelbſt den freund-
lichen Rettern aus der Mäuſegefahr eine gewiſſe Vereh-
rung zu zollen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/42>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.