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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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solle anrichten! Seid ihr jetzt zufrieden, ihr ungeduldigen
Herren? Arger Phanes; mir hast Du mit Deiner Trauer-
kunde die Mahlzeit verdorben!"

Der Athener verneigte sich; der Sybarit aber philo-
sophirte abermals: "Zufriedenheit ist ein schönes Ding,
wenn man die Mittel hat, all' seine Wünsche zu befrie-
digen; auch danke ich Dir, Rhodopis, für die Würdigung,
welche Du meiner unvergleichlichen Heimat angedeihen läßt.
Was sagt Anakreon?" 36)

""Der heutige Tag liegt mir am Herzen,
Wer weiß, was uns der nächste bringt,
Drum flieht den Gram, verbannt die Schmerzen,
Und spielt das Würfelspiel, und trinkt! -- --""

"He! Jbykus, hab' ich Deinen Freund, der mit Dir
an der Tafel des Polykrates schmaust, nicht richtig citirt?
Aber ich sage Dir, daß, wenn Anakreon auch bessere Verse
macht als ich, meine Wenigkeit sich dafür doch nicht
schlechter auf's Leben versteht, als der große Lebenskünstler.
Er hat in allen seinen Liedern kein Lob au'fs Essen, und
ist denn das Essen nicht wichtiger, als das Spielen und
Lieben, obgleich diese beiden Thätigkeiten -- ich meine
Spielen und Lieben -- mir auch recht theuer sind? --
Ohn' Essen müßt' ich sterben, ohne Spiel und Liebe kann
ich schon, wenn auch nur kümmerlich, fortbestehen."

Der Sybarit brach in ein lautes Gelächter über seine
eignen Scherze aus; der Spartaner aber wendete sich,
während man in ähnlicher Weise fortplauderte, an den
Delphier Phryxos, zog ihn in eine Ecke und fragte ihn,
seiner gemessenen Art vergessend, in großer Aufregung, ob
er ihm die lang ersehnte Antwort des Orakels mitbringe?
Das ernste Gesicht des Delphiers ward freundlicher; er
griff in die Brustfalten seines Chiton 37) und holte ein

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. I. 2

ſolle anrichten! Seid ihr jetzt zufrieden, ihr ungeduldigen
Herren? Arger Phanes; mir haſt Du mit Deiner Trauer-
kunde die Mahlzeit verdorben!“

Der Athener verneigte ſich; der Sybarit aber philo-
ſophirte abermals: „Zufriedenheit iſt ein ſchönes Ding,
wenn man die Mittel hat, all’ ſeine Wünſche zu befrie-
digen; auch danke ich Dir, Rhodopis, für die Würdigung,
welche Du meiner unvergleichlichen Heimat angedeihen läßt.
Was ſagt Anakreon?“ 36)

„„Der heutige Tag liegt mir am Herzen,
Wer weiß, was uns der nächſte bringt,
Drum flieht den Gram, verbannt die Schmerzen,
Und ſpielt das Würfelſpiel, und trinkt! — —““

„He! Jbykus, hab’ ich Deinen Freund, der mit Dir
an der Tafel des Polykrates ſchmaust, nicht richtig citirt?
Aber ich ſage Dir, daß, wenn Anakreon auch beſſere Verſe
macht als ich, meine Wenigkeit ſich dafür doch nicht
ſchlechter auf’s Leben verſteht, als der große Lebenskünſtler.
Er hat in allen ſeinen Liedern kein Lob au’fs Eſſen, und
iſt denn das Eſſen nicht wichtiger, als das Spielen und
Lieben, obgleich dieſe beiden Thätigkeiten — ich meine
Spielen und Lieben — mir auch recht theuer ſind? —
Ohn’ Eſſen müßt’ ich ſterben, ohne Spiel und Liebe kann
ich ſchon, wenn auch nur kümmerlich, fortbeſtehen.“

Der Sybarit brach in ein lautes Gelächter über ſeine
eignen Scherze aus; der Spartaner aber wendete ſich,
während man in ähnlicher Weiſe fortplauderte, an den
Delphier Phryxos, zog ihn in eine Ecke und fragte ihn,
ſeiner gemeſſenen Art vergeſſend, in großer Aufregung, ob
er ihm die lang erſehnte Antwort des Orakels mitbringe?
Das ernſte Geſicht des Delphiers ward freundlicher; er
griff in die Bruſtfalten ſeines Chiton 37) und holte ein

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 2
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[17/0035] ſolle anrichten! Seid ihr jetzt zufrieden, ihr ungeduldigen Herren? Arger Phanes; mir haſt Du mit Deiner Trauer- kunde die Mahlzeit verdorben!“ Der Athener verneigte ſich; der Sybarit aber philo- ſophirte abermals: „Zufriedenheit iſt ein ſchönes Ding, wenn man die Mittel hat, all’ ſeine Wünſche zu befrie- digen; auch danke ich Dir, Rhodopis, für die Würdigung, welche Du meiner unvergleichlichen Heimat angedeihen läßt. Was ſagt Anakreon?“ 36) „„Der heutige Tag liegt mir am Herzen, Wer weiß, was uns der nächſte bringt, Drum flieht den Gram, verbannt die Schmerzen, Und ſpielt das Würfelſpiel, und trinkt! — —““ „He! Jbykus, hab’ ich Deinen Freund, der mit Dir an der Tafel des Polykrates ſchmaust, nicht richtig citirt? Aber ich ſage Dir, daß, wenn Anakreon auch beſſere Verſe macht als ich, meine Wenigkeit ſich dafür doch nicht ſchlechter auf’s Leben verſteht, als der große Lebenskünſtler. Er hat in allen ſeinen Liedern kein Lob au’fs Eſſen, und iſt denn das Eſſen nicht wichtiger, als das Spielen und Lieben, obgleich dieſe beiden Thätigkeiten — ich meine Spielen und Lieben — mir auch recht theuer ſind? — Ohn’ Eſſen müßt’ ich ſterben, ohne Spiel und Liebe kann ich ſchon, wenn auch nur kümmerlich, fortbeſtehen.“ Der Sybarit brach in ein lautes Gelächter über ſeine eignen Scherze aus; der Spartaner aber wendete ſich, während man in ähnlicher Weiſe fortplauderte, an den Delphier Phryxos, zog ihn in eine Ecke und fragte ihn, ſeiner gemeſſenen Art vergeſſend, in großer Aufregung, ob er ihm die lang erſehnte Antwort des Orakels mitbringe? Das ernſte Geſicht des Delphiers ward freundlicher; er griff in die Bruſtfalten ſeines Chiton 37) und holte ein Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 2

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/35>, abgerufen am 19.04.2024.