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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Rhodopis berühmt. Jn seinem Hause versammelten sich
um ihretwillen alle Fremden, und überhäuften sie mit Ge-
schenken. Der König Hophra 18), welcher viel von ihrer
Schönheit und Klugheit gehört hatte, ließ sie nach Mem-
phis kommen, und wollte sie dem Charaxos abkaufen; die-
ser aber hatte ihr längst im Geheimen die Freiheit ge-
schenkt und liebte sie zu sehr, um sich von ihr trennen zu
können. Andererseits liebte auch Rhodopis den schönen
Lesbier und verblieb gerne bei ihm, trotz der glänzenden
Anerbietungen, welche ihr von allen Seiten gemacht wur-
den. Endlich machte Charaxos das wunderbare Weib zu
seiner rechtmäßigen Gattin, und blieb mit ihr und ihrem
Töchterchen Kleis in Naukratis, bis Pittakos die Verbann-
ten in die Heimat zurück berief.

"Nun begab er sich mit seiner Gemahlin nach Les-
bos. Auf der Reise dorthin erkrankte er und starb bald
nach seiner Ankunft in Mitylene. Sappho, welche ihren
Bruder, wegen seiner Mißheirath verspottet hatte, wurde
schnell zur begeisterten Bewundererin der schönen Wittwe,
welche sie, mit ihrem Freunde Alkaeos wetteifernd, in lei-
denschaftlichen Liedern besang.

"Nach dem Tode der Dichterin zog Rhodopis mit
ihrem Töchterlein nach Naukratis zurück und wurde hier
gleich einer Göttin empfangen. Amasis 19), der jetzige
König von Aegypten, hatte sich unterdessen des Thrones
der Pharaonen bemächtigt, und behauptete denselben mit
Hülfe der Soldaten, aus deren Kaste er stammte. Da
sein Vorgänger Hophra durch seine Vorliebe für die Grie-
chen und den Verkehr mit den allen Aegyptern verhaßten
Fremden seinen Sturz beschleunigt, und namentlich die
Priester und Krieger zu offener Empörung veranlaßt hatte,
so hoffte man mit Sicherheit, daß Amasis, wie in alten

Rhodopis berühmt. Jn ſeinem Hauſe verſammelten ſich
um ihretwillen alle Fremden, und überhäuften ſie mit Ge-
ſchenken. Der König Hophra 18), welcher viel von ihrer
Schönheit und Klugheit gehört hatte, ließ ſie nach Mem-
phis kommen, und wollte ſie dem Charaxos abkaufen; die-
ſer aber hatte ihr längſt im Geheimen die Freiheit ge-
ſchenkt und liebte ſie zu ſehr, um ſich von ihr trennen zu
können. Andererſeits liebte auch Rhodopis den ſchönen
Lesbier und verblieb gerne bei ihm, trotz der glänzenden
Anerbietungen, welche ihr von allen Seiten gemacht wur-
den. Endlich machte Charaxos das wunderbare Weib zu
ſeiner rechtmäßigen Gattin, und blieb mit ihr und ihrem
Töchterchen Klëis in Naukratis, bis Pittakos die Verbann-
ten in die Heimat zurück berief.

„Nun begab er ſich mit ſeiner Gemahlin nach Les-
bos. Auf der Reiſe dorthin erkrankte er und ſtarb bald
nach ſeiner Ankunft in Mitylene. Sappho, welche ihren
Bruder, wegen ſeiner Mißheirath verſpottet hatte, wurde
ſchnell zur begeiſterten Bewundererin der ſchönen Wittwe,
welche ſie, mit ihrem Freunde Alkaeos wetteifernd, in lei-
denſchaftlichen Liedern beſang.

„Nach dem Tode der Dichterin zog Rhodopis mit
ihrem Töchterlein nach Naukratis zurück und wurde hier
gleich einer Göttin empfangen. Amaſis 19), der jetzige
König von Aegypten, hatte ſich unterdeſſen des Thrones
der Pharaonen bemächtigt, und behauptete denſelben mit
Hülfe der Soldaten, aus deren Kaſte er ſtammte. Da
ſein Vorgänger Hophra durch ſeine Vorliebe für die Grie-
chen und den Verkehr mit den allen Aegyptern verhaßten
Fremden ſeinen Sturz beſchleunigt, und namentlich die
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ſo hoffte man mit Sicherheit, daß Amaſis, wie in alten

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[9/0027] Rhodopis berühmt. Jn ſeinem Hauſe verſammelten ſich um ihretwillen alle Fremden, und überhäuften ſie mit Ge- ſchenken. Der König Hophra 18), welcher viel von ihrer Schönheit und Klugheit gehört hatte, ließ ſie nach Mem- phis kommen, und wollte ſie dem Charaxos abkaufen; die- ſer aber hatte ihr längſt im Geheimen die Freiheit ge- ſchenkt und liebte ſie zu ſehr, um ſich von ihr trennen zu können. Andererſeits liebte auch Rhodopis den ſchönen Lesbier und verblieb gerne bei ihm, trotz der glänzenden Anerbietungen, welche ihr von allen Seiten gemacht wur- den. Endlich machte Charaxos das wunderbare Weib zu ſeiner rechtmäßigen Gattin, und blieb mit ihr und ihrem Töchterchen Klëis in Naukratis, bis Pittakos die Verbann- ten in die Heimat zurück berief. „Nun begab er ſich mit ſeiner Gemahlin nach Les- bos. Auf der Reiſe dorthin erkrankte er und ſtarb bald nach ſeiner Ankunft in Mitylene. Sappho, welche ihren Bruder, wegen ſeiner Mißheirath verſpottet hatte, wurde ſchnell zur begeiſterten Bewundererin der ſchönen Wittwe, welche ſie, mit ihrem Freunde Alkaeos wetteifernd, in lei- denſchaftlichen Liedern beſang. „Nach dem Tode der Dichterin zog Rhodopis mit ihrem Töchterlein nach Naukratis zurück und wurde hier gleich einer Göttin empfangen. Amaſis 19), der jetzige König von Aegypten, hatte ſich unterdeſſen des Thrones der Pharaonen bemächtigt, und behauptete denſelben mit Hülfe der Soldaten, aus deren Kaſte er ſtammte. Da ſein Vorgänger Hophra durch ſeine Vorliebe für die Grie- chen und den Verkehr mit den allen Aegyptern verhaßten Fremden ſeinen Sturz beſchleunigt, und namentlich die Prieſter und Krieger zu offener Empörung veranlaßt hatte, ſo hoffte man mit Sicherheit, daß Amaſis, wie in alten

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/27>, abgerufen am 23.04.2024.