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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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sie wendete sich nochmals auf den flehenden Ruf des Jüng-
lings um und antwortete auf dessen Frage: "Wann darf
ich Dich wiedersehen?" mit leiser Stimme: "Morgen
früh bei jenem Rosenbusche!"

"Der Dich als mein Bundesgenosse festhielt."

Sappho eilte dem Hause zu. Rhodopis empfing
Bartja und theilte demselben von dem Geschicke seines
Freundes mit, was sie wußte.

Der junge Perser ritt sogleich nach Sais zurück.

Als die Greisin an diesem Abende, wie immer, an
das Bett ihrer Enkelin trat, fand sie dieselbe nicht mehr
kindlich schlummernd wie sonst, denn ihre Lippen beweg-
ten sich, und, wie von neckischen Träumen gequält, seufzte
die Schläferin tief und schmerzlich.

Bartja traf auf dem Heimwege von Naukratis nach
Sais mit seinen Freunden Darius und Zopyros zusammen,
welche ihm, sobald sie seine heimliche Entfernung bemerkt
hatten, gefolgt waren. Dieselben ahnten nicht, daß Bartja,
statt der gefürchteten Kämpfe und Gefahren, sein erstes
Liebesglück geerntet habe.

Kurze Zeit vor den drei Freunden traf Krösus zu
Sais ein. Er begab sich sofort zum Könige und erzählte
diesem ohne Rückhalt, der Wahrheit gemäß, was sich am
letzten Abende zugetragen hatte.

Amasis stellte sich sehr verwundert über das Beneh-
men seines Sohnes, versicherte seinem Freunde, daß Gyges
sofort auf freien Fuß gestellt werden sollte, und erging sich
in Spottreden und scherzhaften Bemerkungen über die fehl-
geschlagene Rache des Psamtik.

Als ihn Krösus kaum verlassen hatte, ließ sich der
Thronerbe melden.



ſie wendete ſich nochmals auf den flehenden Ruf des Jüng-
lings um und antwortete auf deſſen Frage: „Wann darf
ich Dich wiederſehen?“ mit leiſer Stimme: „Morgen
früh bei jenem Roſenbuſche!“

„Der Dich als mein Bundesgenoſſe feſthielt.“

Sappho eilte dem Hauſe zu. Rhodopis empfing
Bartja und theilte demſelben von dem Geſchicke ſeines
Freundes mit, was ſie wußte.

Der junge Perſer ritt ſogleich nach Sais zurück.

Als die Greiſin an dieſem Abende, wie immer, an
das Bett ihrer Enkelin trat, fand ſie dieſelbe nicht mehr
kindlich ſchlummernd wie ſonſt, denn ihre Lippen beweg-
ten ſich, und, wie von neckiſchen Träumen gequält, ſeufzte
die Schläferin tief und ſchmerzlich.

Bartja traf auf dem Heimwege von Naukratis nach
Sais mit ſeinen Freunden Darius und Zopyros zuſammen,
welche ihm, ſobald ſie ſeine heimliche Entfernung bemerkt
hatten, gefolgt waren. Dieſelben ahnten nicht, daß Bartja,
ſtatt der gefürchteten Kämpfe und Gefahren, ſein erſtes
Liebesglück geerntet habe.

Kurze Zeit vor den drei Freunden traf Kröſus zu
Sais ein. Er begab ſich ſofort zum Könige und erzählte
dieſem ohne Rückhalt, der Wahrheit gemäß, was ſich am
letzten Abende zugetragen hatte.

Amaſis ſtellte ſich ſehr verwundert über das Beneh-
men ſeines Sohnes, verſicherte ſeinem Freunde, daß Gyges
ſofort auf freien Fuß geſtellt werden ſollte, und erging ſich
in Spottreden und ſcherzhaften Bemerkungen über die fehl-
geſchlagene Rache des Pſamtik.

Als ihn Kröſus kaum verlaſſen hatte, ließ ſich der
Thronerbe melden.



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[147/0165] ſie wendete ſich nochmals auf den flehenden Ruf des Jüng- lings um und antwortete auf deſſen Frage: „Wann darf ich Dich wiederſehen?“ mit leiſer Stimme: „Morgen früh bei jenem Roſenbuſche!“ „Der Dich als mein Bundesgenoſſe feſthielt.“ Sappho eilte dem Hauſe zu. Rhodopis empfing Bartja und theilte demſelben von dem Geſchicke ſeines Freundes mit, was ſie wußte. Der junge Perſer ritt ſogleich nach Sais zurück. Als die Greiſin an dieſem Abende, wie immer, an das Bett ihrer Enkelin trat, fand ſie dieſelbe nicht mehr kindlich ſchlummernd wie ſonſt, denn ihre Lippen beweg- ten ſich, und, wie von neckiſchen Träumen gequält, ſeufzte die Schläferin tief und ſchmerzlich. Bartja traf auf dem Heimwege von Naukratis nach Sais mit ſeinen Freunden Darius und Zopyros zuſammen, welche ihm, ſobald ſie ſeine heimliche Entfernung bemerkt hatten, gefolgt waren. Dieſelben ahnten nicht, daß Bartja, ſtatt der gefürchteten Kämpfe und Gefahren, ſein erſtes Liebesglück geerntet habe. Kurze Zeit vor den drei Freunden traf Kröſus zu Sais ein. Er begab ſich ſofort zum Könige und erzählte dieſem ohne Rückhalt, der Wahrheit gemäß, was ſich am letzten Abende zugetragen hatte. Amaſis ſtellte ſich ſehr verwundert über das Beneh- men ſeines Sohnes, verſicherte ſeinem Freunde, daß Gyges ſofort auf freien Fuß geſtellt werden ſollte, und erging ſich in Spottreden und ſcherzhaften Bemerkungen über die fehl- geſchlagene Rache des Pſamtik. Als ihn Kröſus kaum verlaſſen hatte, ließ ſich der Thronerbe melden.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/165>, abgerufen am 30.04.2024.