Jüngling, einen Faustkämpfer gleich einem Läufer, einen Dichter gleich einem Krieger formen? -- Stellt den Jby- kus neben unsern Freund, den Spartaner, und bedenkt, was ihr sagen würdet, wenn ich den Dichter mit geballter Faust, den Helden mit süßen Geberden darstellen wollte?"
"Und was sagt Amasis zu Deinen Bemerkungen über diesen Stillstand?"
"Er bedauert denselben; fühlt sich aber nicht stark genug, um die bindenden Regeln der Priester aufzu- heben."
"Und dennoch," sagte der Delphier, "hat er für die Ausschmückung unseres neuen Tempels, ,um die hellenische Kunst zu fördern', -- ich gebrauche seine eigenen Worte, -- eine namhafte Summe bewilligt."
"Das ist schön von ihm," rief Krösus. "Werden die Alkmäoniden bald jene dreihundert Talente *), deren sie zur Vollendung des Tempels bedürfen, zusammen haben 170)? Wär ich noch in den alten Glücksumständen, so würd' ich gern die ganzen Kosten übernehmen, wenn mich auch Dein böser Gott, trotz aller Geschenke, die ich ihm darbrachte, gar arg betrogen hat. Als ich nämlich denselben fragen ließ, ob ich den Krieg gegen Kyros beginnen sollte, gab er mir zur Antwort, daß ich ein großes Reich vernichten würde, wenn ich den Halys Strom überschritte 171). Jch vertraute dem Gotte, gewann, nach seinen Befehlen, die Freundschaft der Spartaner und zerstörte, den Grenzfluß überschreitend, in der That ein großes Reich; dieses Reich war aber nicht das medisch-persische, sondern mein eignes armes Lydien, welches jetzt, als Satrapie des Kambyses, Zeit hat, seines alten Ruhms zu vergessen!"
*) 750,000 Thaler.
Jüngling, einen Fauſtkämpfer gleich einem Läufer, einen Dichter gleich einem Krieger formen? — Stellt den Jby- kus neben unſern Freund, den Spartaner, und bedenkt, was ihr ſagen würdet, wenn ich den Dichter mit geballter Fauſt, den Helden mit ſüßen Geberden darſtellen wollte?“
„Und was ſagt Amaſis zu Deinen Bemerkungen über dieſen Stillſtand?“
„Er bedauert denſelben; fühlt ſich aber nicht ſtark genug, um die bindenden Regeln der Prieſter aufzu- heben.“
„Und dennoch,“ ſagte der Delphier, „hat er für die Ausſchmückung unſeres neuen Tempels, ‚um die helleniſche Kunſt zu fördern‘, — ich gebrauche ſeine eigenen Worte, — eine namhafte Summe bewilligt.“
„Das iſt ſchön von ihm,“ rief Kröſus. „Werden die Alkmäoniden bald jene dreihundert Talente *), deren ſie zur Vollendung des Tempels bedürfen, zuſammen haben 170)? Wär ich noch in den alten Glücksumſtänden, ſo würd’ ich gern die ganzen Koſten übernehmen, wenn mich auch Dein böſer Gott, trotz aller Geſchenke, die ich ihm darbrachte, gar arg betrogen hat. Als ich nämlich denſelben fragen ließ, ob ich den Krieg gegen Kyros beginnen ſollte, gab er mir zur Antwort, daß ich ein großes Reich vernichten würde, wenn ich den Halys Strom überſchritte 171). Jch vertraute dem Gotte, gewann, nach ſeinen Befehlen, die Freundſchaft der Spartaner und zerſtörte, den Grenzfluß überſchreitend, in der That ein großes Reich; dieſes Reich war aber nicht das mediſch-perſiſche, ſondern mein eignes armes Lydien, welches jetzt, als Satrapie des Kambyſes, Zeit hat, ſeines alten Ruhms zu vergeſſen!“
*) 750,000 Thaler.
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Jüngling, einen Fauſtkämpfer gleich einem Läufer, einen
Dichter gleich einem Krieger formen? — Stellt den Jby-
kus neben unſern Freund, den Spartaner, und bedenkt,
was ihr ſagen würdet, wenn ich den Dichter mit geballter
Fauſt, den Helden mit ſüßen Geberden darſtellen wollte?“
„Und was ſagt Amaſis zu Deinen Bemerkungen über
dieſen Stillſtand?“
„Er bedauert denſelben; fühlt ſich aber nicht ſtark
genug, um die bindenden Regeln der Prieſter aufzu-
heben.“
„Und dennoch,“ ſagte der Delphier, „hat er für die
Ausſchmückung unſeres neuen Tempels, ‚um die helleniſche
Kunſt zu fördern‘, — ich gebrauche ſeine eigenen Worte, —
eine namhafte Summe bewilligt.“
„Das iſt ſchön von ihm,“ rief Kröſus. „Werden die
Alkmäoniden bald jene dreihundert Talente *), deren ſie zur
Vollendung des Tempels bedürfen, zuſammen haben 170)?
Wär ich noch in den alten Glücksumſtänden, ſo würd’ ich
gern die ganzen Koſten übernehmen, wenn mich auch Dein
böſer Gott, trotz aller Geſchenke, die ich ihm darbrachte,
gar arg betrogen hat. Als ich nämlich denſelben fragen
ließ, ob ich den Krieg gegen Kyros beginnen ſollte, gab
er mir zur Antwort, daß ich ein großes Reich vernichten
würde, wenn ich den Halys Strom überſchritte 171). Jch
vertraute dem Gotte, gewann, nach ſeinen Befehlen, die
Freundſchaft der Spartaner und zerſtörte, den Grenzfluß
überſchreitend, in der That ein großes Reich; dieſes Reich
war aber nicht das mediſch-perſiſche, ſondern mein eignes
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Zeit hat, ſeines alten Ruhms zu vergeſſen!“
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/142>, abgerufen am 22.07.2024.
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