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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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sei es; ich brenne schon lange darauf, die Sitten unserer
Heimat zu vertheidigen. Wisse denn, Ladike, daß Deine
Tochter keineswegs die Sclavin, sondern die Freundin
unseres Königs werden wird, wenn Auramazda 153) sein
Herz zum Guten lenkt; wisse, daß auch bei unseren Festen
die Weiber des Königs an der Tafel der Männer weilen,
und daß wir gewohnt sind, den Frauen und Müttern die
höchste Ehrfurcht zu erweisen. Hört nur, ob ihr Aegypter
euren Gattinnen eine schönere Gabe schenken könntet, als
jener König von Babylon, der eine Perserin zum Weibe
nahm. Diese, an die Berge ihrer Heimat gewöhnt, fühlte
sich in den weiten Ebenen des Euphrat unglücklich, und
erkrankte am Heimweh. Was that der König? -- Er
ließ einen riesengroßen Bau auf hohen Brückenbogen auf-
führen und den Gipfel desselben mit einem Berge von
fruchtbarer Erde bestreuen. Auf diesem pflanzte er die
schönsten Blumen und Bäume, welche durch ein künstliches
Pumpwerk bewässert wurden. -- Als Alles fertig war,
führte er seine persische Gattin dorthin und machte ihr
den künstlichen Berg, von dem sie, wie von der Höhe
des Rachmed, in die Ebene schauen konnte, zum Ge-
schenk 154)."

"Und ward die Perserin gesund?" fragte Nitetis mit
niedergeschlagenen Augen.

"Sie genas und wurde fröhlich; wie auch Du in
kurzer Zeit Dich wohl und glücklich in unserm Lande füh-
len wirst."

Ladike lächelte freundlich und fragte: "Was hat wohl
mehr zur Genesung der jungen Königin beigetragen; der
künstliche Berg oder die Liebe des Gatten, der solches
Werk zu ihrer Freude errichtete?"

"Die Liebe des Gatten!" riefen die Mädchen.

ſei es; ich brenne ſchon lange darauf, die Sitten unſerer
Heimat zu vertheidigen. Wiſſe denn, Ladike, daß Deine
Tochter keineswegs die Sclavin, ſondern die Freundin
unſeres Königs werden wird, wenn Auramazda 153) ſein
Herz zum Guten lenkt; wiſſe, daß auch bei unſeren Feſten
die Weiber des Königs an der Tafel der Männer weilen,
und daß wir gewohnt ſind, den Frauen und Müttern die
höchſte Ehrfurcht zu erweiſen. Hört nur, ob ihr Aegypter
euren Gattinnen eine ſchönere Gabe ſchenken könntet, als
jener König von Babylon, der eine Perſerin zum Weibe
nahm. Dieſe, an die Berge ihrer Heimat gewöhnt, fühlte
ſich in den weiten Ebenen des Euphrat unglücklich, und
erkrankte am Heimweh. Was that der König? — Er
ließ einen rieſengroßen Bau auf hohen Brückenbogen auf-
führen und den Gipfel deſſelben mit einem Berge von
fruchtbarer Erde beſtreuen. Auf dieſem pflanzte er die
ſchönſten Blumen und Bäume, welche durch ein künſtliches
Pumpwerk bewäſſert wurden. — Als Alles fertig war,
führte er ſeine perſiſche Gattin dorthin und machte ihr
den künſtlichen Berg, von dem ſie, wie von der Höhe
des Rachmed, in die Ebene ſchauen konnte, zum Ge-
ſchenk 154).“

„Und ward die Perſerin geſund?“ fragte Nitetis mit
niedergeſchlagenen Augen.

„Sie genas und wurde fröhlich; wie auch Du in
kurzer Zeit Dich wohl und glücklich in unſerm Lande füh-
len wirſt.“

Ladike lächelte freundlich und fragte: „Was hat wohl
mehr zur Geneſung der jungen Königin beigetragen; der
künſtliche Berg oder die Liebe des Gatten, der ſolches
Werk zu ihrer Freude errichtete?“

„Die Liebe des Gatten!“ riefen die Mädchen.

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[109/0127] ſei es; ich brenne ſchon lange darauf, die Sitten unſerer Heimat zu vertheidigen. Wiſſe denn, Ladike, daß Deine Tochter keineswegs die Sclavin, ſondern die Freundin unſeres Königs werden wird, wenn Auramazda 153) ſein Herz zum Guten lenkt; wiſſe, daß auch bei unſeren Feſten die Weiber des Königs an der Tafel der Männer weilen, und daß wir gewohnt ſind, den Frauen und Müttern die höchſte Ehrfurcht zu erweiſen. Hört nur, ob ihr Aegypter euren Gattinnen eine ſchönere Gabe ſchenken könntet, als jener König von Babylon, der eine Perſerin zum Weibe nahm. Dieſe, an die Berge ihrer Heimat gewöhnt, fühlte ſich in den weiten Ebenen des Euphrat unglücklich, und erkrankte am Heimweh. Was that der König? — Er ließ einen rieſengroßen Bau auf hohen Brückenbogen auf- führen und den Gipfel deſſelben mit einem Berge von fruchtbarer Erde beſtreuen. Auf dieſem pflanzte er die ſchönſten Blumen und Bäume, welche durch ein künſtliches Pumpwerk bewäſſert wurden. — Als Alles fertig war, führte er ſeine perſiſche Gattin dorthin und machte ihr den künſtlichen Berg, von dem ſie, wie von der Höhe des Rachmed, in die Ebene ſchauen konnte, zum Ge- ſchenk 154).“ „Und ward die Perſerin geſund?“ fragte Nitetis mit niedergeſchlagenen Augen. „Sie genas und wurde fröhlich; wie auch Du in kurzer Zeit Dich wohl und glücklich in unſerm Lande füh- len wirſt.“ Ladike lächelte freundlich und fragte: „Was hat wohl mehr zur Geneſung der jungen Königin beigetragen; der künſtliche Berg oder die Liebe des Gatten, der ſolches Werk zu ihrer Freude errichtete?“ „Die Liebe des Gatten!“ riefen die Mädchen.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/127>, abgerufen am 21.11.2024.