meiner Entehrung graute, kam mein Bruder zu mir und reichte mir heimlich ein Schwert. Jch sollte mir vor der Beschimpfung das Leben nehmen. Jch konnte nicht sterben, denn ich hatte mich noch an meinen Verderbern zu rächen; darum hackte ich mir selbst den angeschmiedeten Fuß vom Beine und versteckte mich im Schilfe des Eurotas. Mein Bruder brachte mir heimlich Speise und Trank. Jn zwei Monaten konnte ich wieder auf diesem hölzernen Fuße gehen. Der ferntreffende Apollo übernahm meine Rache, denn meine beiden schlimmsten Gegner starben an der Pest. Trotz ihres Todes durfte ich nicht heimkehren. Zu Gythion schiffte ich mich endlich ein, um mit Dir, Krösus, von Sardes aus, gegen die Perser zu fechten. Als ich in Teos landete, erfuhr ich, daß Du nicht mehr König wärest. Der gewaltige Kyros, der Vater dieses schönen Jünglings, hatte in kurzen Wochen das mächtige Lydien erobert und den reichsten König zum Bettler gemacht."
Alle Zecher schauten den ernsten Krieger bewundernd an. Krösus schüttelte ihm die harte Rechte; der junge Bartja aber rief: "Wahrlich Spartaner, ich möchte Dich mit nach Susa nehmen, um meinen Freunden zeigen zu können, was ich gesehen habe, -- den muthigsten, ehren- werthesten aller Menschen!"
"Glaube mir, Knabe," gab Aristomachos lächelnd zu- rück, "ein jeder Spartaner hätte gleich mir gehandelt. -- Bei uns zu Lande gehört mehr Muth dazu feige, als tapfer zu sein!"
"Und hättest Du, Bartja," rief Darius, der Vetter des Königs von Persien, "ertragen können, an dem Schand- pfahle zu stehen?"
Bartja erröthete, -- aber man sah ihm an, daß auch er den Tod der Schande vorziehe.
meiner Entehrung graute, kam mein Bruder zu mir und reichte mir heimlich ein Schwert. Jch ſollte mir vor der Beſchimpfung das Leben nehmen. Jch konnte nicht ſterben, denn ich hatte mich noch an meinen Verderbern zu rächen; darum hackte ich mir ſelbſt den angeſchmiedeten Fuß vom Beine und verſteckte mich im Schilfe des Eurotas. Mein Bruder brachte mir heimlich Speiſe und Trank. Jn zwei Monaten konnte ich wieder auf dieſem hölzernen Fuße gehen. Der ferntreffende Apollo übernahm meine Rache, denn meine beiden ſchlimmſten Gegner ſtarben an der Peſt. Trotz ihres Todes durfte ich nicht heimkehren. Zu Gythion ſchiffte ich mich endlich ein, um mit Dir, Kröſus, von Sardes aus, gegen die Perſer zu fechten. Als ich in Teos landete, erfuhr ich, daß Du nicht mehr König wäreſt. Der gewaltige Kyros, der Vater dieſes ſchönen Jünglings, hatte in kurzen Wochen das mächtige Lydien erobert und den reichſten König zum Bettler gemacht.“
Alle Zecher ſchauten den ernſten Krieger bewundernd an. Kröſus ſchüttelte ihm die harte Rechte; der junge Bartja aber rief: „Wahrlich Spartaner, ich möchte Dich mit nach Suſa nehmen, um meinen Freunden zeigen zu können, was ich geſehen habe, — den muthigſten, ehren- wertheſten aller Menſchen!“
„Glaube mir, Knabe,“ gab Ariſtomachos lächelnd zu- rück, „ein jeder Spartaner hätte gleich mir gehandelt. — Bei uns zu Lande gehört mehr Muth dazu feige, als tapfer zu ſein!“
„Und hätteſt Du, Bartja,“ rief Darius, der Vetter des Königs von Perſien, „ertragen können, an dem Schand- pfahle zu ſtehen?“
Bartja erröthete, — aber man ſah ihm an, daß auch er den Tod der Schande vorziehe.
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meiner Entehrung graute, kam mein Bruder zu mir und
reichte mir heimlich ein Schwert. Jch ſollte mir vor der
Beſchimpfung das Leben nehmen. Jch konnte nicht ſterben,
denn ich hatte mich noch an meinen Verderbern zu rächen;
darum hackte ich mir ſelbſt den angeſchmiedeten Fuß vom
Beine und verſteckte mich im Schilfe des Eurotas. Mein
Bruder brachte mir heimlich Speiſe und Trank. Jn zwei
Monaten konnte ich wieder auf dieſem hölzernen Fuße gehen.
Der ferntreffende Apollo übernahm meine Rache, denn meine
beiden ſchlimmſten Gegner ſtarben an der Peſt. Trotz
ihres Todes durfte ich nicht heimkehren. Zu Gythion
ſchiffte ich mich endlich ein, um mit Dir, Kröſus, von
Sardes aus, gegen die Perſer zu fechten. Als ich in
Teos landete, erfuhr ich, daß Du nicht mehr König
wäreſt. Der gewaltige Kyros, der Vater dieſes ſchönen
Jünglings, hatte in kurzen Wochen das mächtige Lydien
erobert und den reichſten König zum Bettler gemacht.“
Alle Zecher ſchauten den ernſten Krieger bewundernd
an. Kröſus ſchüttelte ihm die harte Rechte; der junge
Bartja aber rief: „Wahrlich Spartaner, ich möchte Dich
mit nach Suſa nehmen, um meinen Freunden zeigen zu
können, was ich geſehen habe, — den muthigſten, ehren-
wertheſten aller Menſchen!“
„Glaube mir, Knabe,“ gab Ariſtomachos lächelnd zu-
rück, „ein jeder Spartaner hätte gleich mir gehandelt. —
Bei uns zu Lande gehört mehr Muth dazu feige, als
tapfer zu ſein!“
„Und hätteſt Du, Bartja,“ rief Darius, der Vetter
des Königs von Perſien, „ertragen können, an dem Schand-
pfahle zu ſtehen?“
Bartja erröthete, — aber man ſah ihm an, daß auch
er den Tod der Schande vorziehe.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/101>, abgerufen am 22.07.2024.
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