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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

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Die Seele.

Du kanst den Saz als wahr bestärken:
Es sey ein grosser Unterscheid,
Der Geist und Körper würklich trenne,
Die Seele die Regentin nenne,
Die in des Leibes Hütte thront;
Der Geist ist ein besondres Wesen,
Das für den Leib nur auserlesen;
Weil er darin regiert und wohnt.

Der Mensch ist sich bewust, er denket,
Die Würkung stammt vom Körper nicht,
Die Theile, woraus der verschränket,
Die haben kein Verstandes Licht;
Die wesentlichen Eigenschafften,
Die an dem körperlichen hafften,
Und in der Ausdehnung bestehn,
Die können sich zertheilen lassen,
Und allerhand Figuren fassen,
Die können wir nur leidend sehn.
Man mag in Millionen Jahren,
Die körperlichen Theile drehn,
Man wird doch nimmermehr erfahren,
Daß draus Gedanken dreinst entstehn.
Man mag sie welzen, regen, rollen,
Es wird daraus kein regend Wollen
Jn Ewigkeit zu spüren seyn:
Das Wesen das in Menschen denket,
Den Willen hie und darauf lenket,
Das schliest nichts körperliches ein.
Jhr
Vierter Theil. D

Die Seele.

Du kanſt den Saz als wahr beſtaͤrken:
Es ſey ein groſſer Unterſcheid,
Der Geiſt und Koͤrper wuͤrklich trenne,
Die Seele die Regentin nenne,
Die in des Leibes Huͤtte thront;
Der Geiſt iſt ein beſondres Weſen,
Das fuͤr den Leib nur auserleſen;
Weil er darin regiert und wohnt.

Der Menſch iſt ſich bewuſt, er denket,
Die Wuͤrkung ſtammt vom Koͤrper nicht,
Die Theile, woraus der verſchraͤnket,
Die haben kein Verſtandes Licht;
Die weſentlichen Eigenſchafften,
Die an dem koͤrperlichen hafften,
Und in der Ausdehnung beſtehn,
Die koͤnnen ſich zertheilen laſſen,
Und allerhand Figuren faſſen,
Die koͤnnen wir nur leidend ſehn.
Man mag in Millionen Jahren,
Die koͤrperlichen Theile drehn,
Man wird doch nimmermehr erfahren,
Daß draus Gedanken dreinſt entſtehn.
Man mag ſie welzen, regen, rollen,
Es wird daraus kein regend Wollen
Jn Ewigkeit zu ſpuͤren ſeyn:
Das Weſen das in Menſchen denket,
Den Willen hie und darauf lenket,
Das ſchlieſt nichts koͤrperliches ein.
Jhr
Vierter Theil. D
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[49/0065] Die Seele. Du kanſt den Saz als wahr beſtaͤrken: Es ſey ein groſſer Unterſcheid, Der Geiſt und Koͤrper wuͤrklich trenne, Die Seele die Regentin nenne, Die in des Leibes Huͤtte thront; Der Geiſt iſt ein beſondres Weſen, Das fuͤr den Leib nur auserleſen; Weil er darin regiert und wohnt. Der Menſch iſt ſich bewuſt, er denket, Die Wuͤrkung ſtammt vom Koͤrper nicht, Die Theile, woraus der verſchraͤnket, Die haben kein Verſtandes Licht; Die weſentlichen Eigenſchafften, Die an dem koͤrperlichen hafften, Und in der Ausdehnung beſtehn, Die koͤnnen ſich zertheilen laſſen, Und allerhand Figuren faſſen, Die koͤnnen wir nur leidend ſehn. Man mag in Millionen Jahren, Die koͤrperlichen Theile drehn, Man wird doch nimmermehr erfahren, Daß draus Gedanken dreinſt entſtehn. Man mag ſie welzen, regen, rollen, Es wird daraus kein regend Wollen Jn Ewigkeit zu ſpuͤren ſeyn: Das Weſen das in Menſchen denket, Den Willen hie und darauf lenket, Das ſchlieſt nichts koͤrperliches ein. Jhr Vierter Theil. D

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/65>, abgerufen am 03.05.2024.