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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Der Schatten.
Nachdem das blind Gerüchte fällt;
So werden ofte kleine Proben,
Weit über das Verdienst erhoben.
Man merket auch beim Schatten-Schein,
Daß solche Theile dunkler seyn,
Die an den Körpern nahe stehen;
Daran ist diese Lehr zu sehen:
Der Schein der Ehre ist sehr schwach,
Den einer in der Nähe hat,
Ja! mancher ist an einem Orte,
Da man oft kaum mit einem Worte,
Das Lob, das ihm gebührt, erhebt,
Man sieht ihn nicht, weil er da lebt.
Der Schatten ist am äusren Rande
Viel heller als in nahen Stande:
Das ist ein Bild von Kunst und Fleis,
Die haben da mehr Ruhm und Preis,
Von ihren fleißigen Bestreben,
Wo sie ganz weit entfernet, leben.
So bald der Körper sich verkriecht,
Sieht man wie auch der Schatten fliegt,
Der sich im Augenblik zertrennet,
So bald der Mensch ist weggerennt.
Die Ehre Pracht und äusre Zier
Kommt mir wie Dunst und Schatten für,
Kaum sterben wir, bei dem Erbleichen,
Sicht man die Ehre von uns weichen.
Da unser Thun der ganzen Welt,
So lang wir leben woll gefällt;
So ist doch in die düstren Bogen
Des Grabes, aller Ruhm gezogen:
Wer jetzo nichts als loben kan,
Der fänget denn zu tadeln an.
Wer muß nun nicht mir eingestehen,
Das
Der Schatten.
Nachdem das blind Geruͤchte faͤllt;
So werden ofte kleine Proben,
Weit uͤber das Verdienſt erhoben.
Man merket auch beim Schatten-Schein,
Daß ſolche Theile dunkler ſeyn,
Die an den Koͤrpern nahe ſtehen;
Daran iſt dieſe Lehr zu ſehen:
Der Schein der Ehre iſt ſehr ſchwach,
Den einer in der Naͤhe hat,
Ja! mancher iſt an einem Orte,
Da man oft kaum mit einem Worte,
Das Lob, das ihm gebuͤhrt, erhebt,
Man ſieht ihn nicht, weil er da lebt.
Der Schatten iſt am aͤuſren Rande
Viel heller als in nahen Stande:
Das iſt ein Bild von Kunſt und Fleis,
Die haben da mehr Ruhm und Preis,
Von ihren fleißigen Beſtreben,
Wo ſie ganz weit entfernet, leben.
So bald der Koͤrper ſich verkriecht,
Sieht man wie auch der Schatten fliegt,
Der ſich im Augenblik zertrennet,
So bald der Menſch iſt weggerennt.
Die Ehre Pracht und aͤuſre Zier
Kommt mir wie Dunſt und Schatten fuͤr,
Kaum ſterben wir, bei dem Erbleichen,
Sicht man die Ehre von uns weichen.
Da unſer Thun der ganzen Welt,
So lang wir leben woll gefaͤllt;
So iſt doch in die duͤſtren Bogen
Des Grabes, aller Ruhm gezogen:
Wer jetzo nichts als loben kan,
Der faͤnget denn zu tadeln an.
Wer muß nun nicht mir eingeſtehen,
Das
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[50/0062] Der Schatten. Nachdem das blind Geruͤchte faͤllt; So werden ofte kleine Proben, Weit uͤber das Verdienſt erhoben. Man merket auch beim Schatten-Schein, Daß ſolche Theile dunkler ſeyn, Die an den Koͤrpern nahe ſtehen; Daran iſt dieſe Lehr zu ſehen: Der Schein der Ehre iſt ſehr ſchwach, Den einer in der Naͤhe hat, Ja! mancher iſt an einem Orte, Da man oft kaum mit einem Worte, Das Lob, das ihm gebuͤhrt, erhebt, Man ſieht ihn nicht, weil er da lebt. Der Schatten iſt am aͤuſren Rande Viel heller als in nahen Stande: Das iſt ein Bild von Kunſt und Fleis, Die haben da mehr Ruhm und Preis, Von ihren fleißigen Beſtreben, Wo ſie ganz weit entfernet, leben. So bald der Koͤrper ſich verkriecht, Sieht man wie auch der Schatten fliegt, Der ſich im Augenblik zertrennet, So bald der Menſch iſt weggerennt. Die Ehre Pracht und aͤuſre Zier Kommt mir wie Dunſt und Schatten fuͤr, Kaum ſterben wir, bei dem Erbleichen, Sicht man die Ehre von uns weichen. Da unſer Thun der ganzen Welt, So lang wir leben woll gefaͤllt; So iſt doch in die duͤſtren Bogen Des Grabes, aller Ruhm gezogen: Wer jetzo nichts als loben kan, Der faͤnget denn zu tadeln an. Wer muß nun nicht mir eingeſtehen, Das

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/62>, abgerufen am 29.03.2024.