Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Lehrreiche Kirchhoff.

Die freien Künste sind nicht frei,
Es ist dem Tode einerlei,
Ob einer vieles überlesen,
Genug! wenn er ein Mensch gewesen.

Die Ehre, Würde, Stand und Ruhm,
Die Schönheit, Reichthum, Klugheit Tietel,
Der hohen Seelen Eigenthum:
Verachtung, Armut, Baurenkittel;
Die man im Leben, auf der Welt,
Jn unterschiednen Reihen stellt;
Die sind im Sterben gleich geachtet,
Wenn man des Todes Recht betrachtet.
Da ist ein Beinhaus! seht nur an,
Die dürren aufbewahrten Knochen,
Die durch der Zeiten scharffen Zahn,
Schon meist zermalmmet und zerbrochen,
Wer sagt uns welcher Herr und Knecht,
Jhr eitlen Menschen! komt und sprecht,
Und lehrt uns welcher Kopf und Schedel,
Nunmehr vor andern, herrlich, edel.
Der Todt hat alles gleich gemacht,
Und der der alle Welt bestürmet,
Wird welches er woll nicht gedacht,
Nebst andern Körpern aufgethürmet;
Der Vorzug ist nur Einbildung,
Dies lehret die Vernichtigung;
Weil sich im Todesreich die Schatten,
Mit ihren Körper nicht mehr gatten.
Da

Der Lehrreiche Kirchhoff.

Die freien Kuͤnſte ſind nicht frei,
Es iſt dem Tode einerlei,
Ob einer vieles uͤberleſen,
Genug! wenn er ein Menſch geweſen.

Die Ehre, Wuͤrde, Stand und Ruhm,
Die Schoͤnheit, Reichthum, Klugheit Tietel,
Der hohen Seelen Eigenthum:
Verachtung, Armut, Baurenkittel;
Die man im Leben, auf der Welt,
Jn unterſchiednen Reihen ſtellt;
Die ſind im Sterben gleich geachtet,
Wenn man des Todes Recht betrachtet.
Da iſt ein Beinhaus! ſeht nur an,
Die duͤrren aufbewahrten Knochen,
Die durch der Zeiten ſcharffen Zahn,
Schon meiſt zermalmmet und zerbrochen,
Wer ſagt uns welcher Herr und Knecht,
Jhr eitlen Menſchen! komt und ſprecht,
Und lehrt uns welcher Kopf und Schedel,
Nunmehr vor andern, herrlich, edel.
Der Todt hat alles gleich gemacht,
Und der der alle Welt beſtuͤrmet,
Wird welches er woll nicht gedacht,
Nebſt andern Koͤrpern aufgethuͤrmet;
Der Vorzug iſt nur Einbildung,
Dies lehret die Vernichtigung;
Weil ſich im Todesreich die Schatten,
Mit ihren Koͤrper nicht mehr gatten.
Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="18">
            <l>
              <pb facs="#f0326" n="314"/>
              <fw place="top" type="header">Der Lehrreiche Kirchhoff.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Die freien Ku&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;ind nicht frei,</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t dem Tode einerlei,</l><lb/>
            <l>Ob einer vieles u&#x0364;berle&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Genug! wenn er ein Men&#x017F;ch gewe&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="19">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Ehre, Wu&#x0364;rde, Stand und Ruhm,</l><lb/>
            <l>Die Scho&#x0364;nheit, Reichthum, Klugheit Tietel,</l><lb/>
            <l>Der hohen Seelen Eigenthum:</l><lb/>
            <l>Verachtung, Armut, Baurenkittel;</l><lb/>
            <l>Die man im Leben, auf der Welt,</l><lb/>
            <l>Jn unter&#x017F;chiednen Reihen &#x017F;tellt;</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ind im Sterben gleich geachtet,</l><lb/>
            <l>Wenn man des Todes Recht betrachtet.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="20">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>a i&#x017F;t ein Beinhaus! &#x017F;eht nur an,</l><lb/>
            <l>Die du&#x0364;rren aufbewahrten Knochen,</l><lb/>
            <l>Die durch der Zeiten &#x017F;charffen Zahn,</l><lb/>
            <l>Schon mei&#x017F;t zermalmmet und zerbrochen,</l><lb/>
            <l>Wer &#x017F;agt uns welcher Herr und Knecht,</l><lb/>
            <l>Jhr eitlen Men&#x017F;chen! komt und &#x017F;precht,</l><lb/>
            <l>Und lehrt uns welcher Kopf und Schedel,</l><lb/>
            <l>Nunmehr vor andern, herrlich, edel.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="21">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>er Todt hat alles gleich gemacht,</l><lb/>
            <l>Und der der alle Welt be&#x017F;tu&#x0364;rmet,</l><lb/>
            <l>Wird welches er woll nicht gedacht,</l><lb/>
            <l>Neb&#x017F;t andern Ko&#x0364;rpern aufgethu&#x0364;rmet;</l><lb/>
            <l>Der Vorzug i&#x017F;t nur Einbildung,</l><lb/>
            <l>Dies lehret die Vernichtigung;</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ich im Todesreich die Schatten,</l><lb/>
            <l>Mit ihren Ko&#x0364;rper nicht mehr gatten.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0326] Der Lehrreiche Kirchhoff. Die freien Kuͤnſte ſind nicht frei, Es iſt dem Tode einerlei, Ob einer vieles uͤberleſen, Genug! wenn er ein Menſch geweſen. Die Ehre, Wuͤrde, Stand und Ruhm, Die Schoͤnheit, Reichthum, Klugheit Tietel, Der hohen Seelen Eigenthum: Verachtung, Armut, Baurenkittel; Die man im Leben, auf der Welt, Jn unterſchiednen Reihen ſtellt; Die ſind im Sterben gleich geachtet, Wenn man des Todes Recht betrachtet. Da iſt ein Beinhaus! ſeht nur an, Die duͤrren aufbewahrten Knochen, Die durch der Zeiten ſcharffen Zahn, Schon meiſt zermalmmet und zerbrochen, Wer ſagt uns welcher Herr und Knecht, Jhr eitlen Menſchen! komt und ſprecht, Und lehrt uns welcher Kopf und Schedel, Nunmehr vor andern, herrlich, edel. Der Todt hat alles gleich gemacht, Und der der alle Welt beſtuͤrmet, Wird welches er woll nicht gedacht, Nebſt andern Koͤrpern aufgethuͤrmet; Der Vorzug iſt nur Einbildung, Dies lehret die Vernichtigung; Weil ſich im Todesreich die Schatten, Mit ihren Koͤrper nicht mehr gatten. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/326
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/326>, abgerufen am 23.11.2024.