Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die Mäßigkeit. Daß wir was uns nicht nüzt, zu unserer Nahrung,fliehn; Daß wir mit Wollgefalln die Kost, den Trank ge- nössen Die seine Gütigkeit uns suchet einzuflössen. Allein wenn der Geschmak soll einzig Richter seyn; So giessen wir zu viel in unsern Magen ein; So können wir gar leicht zu unsern eignen Schaden, Den innerlichen Bell, den Magen überladen. Wo aber die Vernunfft das Maas dabei bestimmt, So wird der Mensch gewohnt, daß er nicht weiter nimmt Als das was die Natur muß zur Erhaltung haben, Die Kräffte zu vermehrn, sich wiederum zu laben. Wer seiner Nahrung Zwek aus blinden Trieb ver- gisst, Und blos aus Ueppigkeit, was schmekket, trinkt und isst, Der wünschet wie ein Vieh zu der Begierden Freude, Die unersätlich sind, die überflüßge Weide. Ein Mäßiger bedenkt bei fetten Ueberflus, Wenn ihn die Kehle reizt, auch allmahl den Ver- druß, Den der empfinden wird, der alles in sich schlinget, Und seines Körpers Bau, dadurch nur Schaden brin- get: Und dies beweget ihn sich klüglich vorzusehn, Er ißt nicht was ihm schmekt; er sieht die bangen Wehn, Die aus der Uebermaaß, als böse Früchte keimen, Er scheut sich vor der Last, vor Unruh, schweren Träumen Vor Grimmen seines Bauchs, vor Angst und Krankheits Noth, Vor R 2
Die Maͤßigkeit. Daß wir was uns nicht nuͤzt, zu unſerer Nahrung,fliehn; Daß wir mit Wollgefalln die Koſt, den Trank ge- noͤſſen Die ſeine Guͤtigkeit uns ſuchet einzufloͤſſen. Allein wenn der Geſchmak ſoll einzig Richter ſeyn; So gieſſen wir zu viel in unſern Magen ein; So koͤnnen wir gar leicht zu unſern eignen Schaden, Den innerlichen Bell, den Magen uͤberladen. Wo aber die Vernunfft das Maas dabei beſtimmt, So wird der Menſch gewohnt, daß er nicht weiter nimmt Als das was die Natur muß zur Erhaltung haben, Die Kraͤffte zu vermehrn, ſich wiederum zu laben. Wer ſeiner Nahrung Zwek aus blinden Trieb ver- giſſt, Und blos aus Ueppigkeit, was ſchmekket, trinkt und iſſt, Der wuͤnſchet wie ein Vieh zu der Begierden Freude, Die unerſaͤtlich ſind, die uͤberfluͤßge Weide. Ein Maͤßiger bedenkt bei fetten Ueberflus, Wenn ihn die Kehle reizt, auch allmahl den Ver- druß, Den der empfinden wird, der alles in ſich ſchlinget, Und ſeines Koͤrpers Bau, dadurch nur Schaden brin- get: Und dies beweget ihn ſich kluͤglich vorzuſehn, Er ißt nicht was ihm ſchmekt; er ſieht die bangen Wehn, Die aus der Uebermaaß, als boͤſe Fruͤchte keimen, Er ſcheut ſich vor der Laſt, vor Unruh, ſchweren Traͤumen Vor Grimmen ſeines Bauchs, vor Angſt und Krankheits Noth, Vor R 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0271" n="259"/> <fw place="top" type="header">Die Maͤßigkeit.</fw><lb/> <l>Daß wir was uns nicht nuͤzt, zu unſerer Nahrung,<lb/><hi rendition="#et">fliehn;</hi></l><lb/> <l>Daß wir mit Wollgefalln die Koſt, den Trank ge-<lb/><hi rendition="#et">noͤſſen</hi></l><lb/> <l>Die ſeine Guͤtigkeit uns ſuchet einzufloͤſſen.</l><lb/> <l>Allein wenn der Geſchmak ſoll einzig Richter ſeyn;</l><lb/> <l>So gieſſen wir zu viel in unſern Magen ein;</l><lb/> <l>So koͤnnen wir gar leicht zu unſern eignen Schaden,</l><lb/> <l>Den innerlichen Bell, den Magen uͤberladen.</l><lb/> <l>Wo aber die Vernunfft das Maas dabei beſtimmt,</l><lb/> <l>So wird der Menſch gewohnt, daß er nicht weiter<lb/><hi rendition="#et">nimmt</hi></l><lb/> <l>Als das was die Natur muß zur Erhaltung haben,</l><lb/> <l>Die Kraͤffte zu vermehrn, ſich wiederum zu laben.</l><lb/> <l>Wer ſeiner Nahrung Zwek aus blinden Trieb ver-<lb/><hi rendition="#et">giſſt,</hi></l><lb/> <l>Und blos aus Ueppigkeit, was ſchmekket, trinkt und<lb/><hi rendition="#et">iſſt,</hi></l><lb/> <l>Der wuͤnſchet wie ein Vieh zu der Begierden Freude,</l><lb/> <l>Die unerſaͤtlich ſind, die uͤberfluͤßge Weide.</l><lb/> <l>Ein Maͤßiger bedenkt bei fetten Ueberflus,</l><lb/> <l>Wenn ihn die Kehle reizt, auch allmahl den Ver-<lb/><hi rendition="#et">druß,</hi></l><lb/> <l>Den der empfinden wird, der alles in ſich ſchlinget,</l><lb/> <l>Und ſeines Koͤrpers Bau, dadurch nur Schaden brin-<lb/><hi rendition="#et">get:</hi></l><lb/> <l>Und dies beweget ihn ſich kluͤglich vorzuſehn,</l><lb/> <l>Er ißt nicht was ihm ſchmekt; er ſieht die bangen<lb/><hi rendition="#et">Wehn,</hi></l><lb/> <l>Die aus der Uebermaaß, als boͤſe Fruͤchte keimen,</l><lb/> <l>Er ſcheut ſich vor der Laſt, vor Unruh, ſchweren<lb/><hi rendition="#et">Traͤumen</hi></l><lb/> <l>Vor Grimmen ſeines Bauchs, vor Angſt und<lb/><hi rendition="#et">Krankheits Noth,</hi></l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Vor</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [259/0271]
Die Maͤßigkeit.
Daß wir was uns nicht nuͤzt, zu unſerer Nahrung,
fliehn;
Daß wir mit Wollgefalln die Koſt, den Trank ge-
noͤſſen
Die ſeine Guͤtigkeit uns ſuchet einzufloͤſſen.
Allein wenn der Geſchmak ſoll einzig Richter ſeyn;
So gieſſen wir zu viel in unſern Magen ein;
So koͤnnen wir gar leicht zu unſern eignen Schaden,
Den innerlichen Bell, den Magen uͤberladen.
Wo aber die Vernunfft das Maas dabei beſtimmt,
So wird der Menſch gewohnt, daß er nicht weiter
nimmt
Als das was die Natur muß zur Erhaltung haben,
Die Kraͤffte zu vermehrn, ſich wiederum zu laben.
Wer ſeiner Nahrung Zwek aus blinden Trieb ver-
giſſt,
Und blos aus Ueppigkeit, was ſchmekket, trinkt und
iſſt,
Der wuͤnſchet wie ein Vieh zu der Begierden Freude,
Die unerſaͤtlich ſind, die uͤberfluͤßge Weide.
Ein Maͤßiger bedenkt bei fetten Ueberflus,
Wenn ihn die Kehle reizt, auch allmahl den Ver-
druß,
Den der empfinden wird, der alles in ſich ſchlinget,
Und ſeines Koͤrpers Bau, dadurch nur Schaden brin-
get:
Und dies beweget ihn ſich kluͤglich vorzuſehn,
Er ißt nicht was ihm ſchmekt; er ſieht die bangen
Wehn,
Die aus der Uebermaaß, als boͤſe Fruͤchte keimen,
Er ſcheut ſich vor der Laſt, vor Unruh, ſchweren
Traͤumen
Vor Grimmen ſeines Bauchs, vor Angſt und
Krankheits Noth,
Vor
R 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |