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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Warhaffte Mittel

Wo bleibt der Rath der klugen Weisen,
Wenn Herz und Muth wie Wachs zerrinnt?
Der Rathschlag der gelinget nicht,
Wenn man bei Angst von Grosmuth spricht.

Der andre sagt mit stolzen Mienen,
Daß einem gut und weisen Mann,
Wenn ihm ein Unglüksstern erschienen,
Kein Unglük doch begegnen kan,
Es sey nur alles Einbildung;
Die Welt ein Land voll Aenderung.
Man muß, spricht er, nur weise denken,
Daß Trübsal Unbequemlichkeit;
Alsdenn wird uns der Schmerz nicht kränken,
Nicht plagen ein sonst quälend Leid:
Jedoch was feurig ist, das brennt,
Wenn man es gleich schon Wasser nennt.
Die Menschen die im Elend weinen,
Die klagen darum nicht so sehr,
Weil sie aus falschen Grunde meinen,
Daß ihre Noth ein Uebel wär,
Sie klagen weil das Herze fühlt,
Das Leiden das im Gliedern wühlt.
Der dritte giebt stat Arzeneien,
Man soll die Einbildung erhöhn,
Und sich darob vorhero freuen
Was man ins künftig werde sehn:
Allein wird woll die Angst erstikt,
Wenn man im Traum ein Glük erblikt?
Der

Warhaffte Mittel

Wo bleibt der Rath der klugen Weiſen,
Wenn Herz und Muth wie Wachs zerrinnt?
Der Rathſchlag der gelinget nicht,
Wenn man bei Angſt von Grosmuth ſpricht.

Der andre ſagt mit ſtolzen Mienen,
Daß einem gut und weiſen Mann,
Wenn ihm ein Ungluͤksſtern erſchienen,
Kein Ungluͤk doch begegnen kan,
Es ſey nur alles Einbildung;
Die Welt ein Land voll Aenderung.
Man muß, ſpricht er, nur weiſe denken,
Daß Truͤbſal Unbequemlichkeit;
Alsdenn wird uns der Schmerz nicht kraͤnken,
Nicht plagen ein ſonſt quaͤlend Leid:
Jedoch was feurig iſt, das brennt,
Wenn man es gleich ſchon Waſſer nennt.
Die Menſchen die im Elend weinen,
Die klagen darum nicht ſo ſehr,
Weil ſie aus falſchen Grunde meinen,
Daß ihre Noth ein Uebel waͤr,
Sie klagen weil das Herze fuͤhlt,
Das Leiden das im Gliedern wuͤhlt.
Der dritte giebt ſtat Arzeneien,
Man ſoll die Einbildung erhoͤhn,
Und ſich darob vorhero freuen
Was man ins kuͤnftig werde ſehn:
Allein wird woll die Angſt erſtikt,
Wenn man im Traum ein Gluͤk erblikt?
Der
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[192/0204] Warhaffte Mittel Wo bleibt der Rath der klugen Weiſen, Wenn Herz und Muth wie Wachs zerrinnt? Der Rathſchlag der gelinget nicht, Wenn man bei Angſt von Grosmuth ſpricht. Der andre ſagt mit ſtolzen Mienen, Daß einem gut und weiſen Mann, Wenn ihm ein Ungluͤksſtern erſchienen, Kein Ungluͤk doch begegnen kan, Es ſey nur alles Einbildung; Die Welt ein Land voll Aenderung. Man muß, ſpricht er, nur weiſe denken, Daß Truͤbſal Unbequemlichkeit; Alsdenn wird uns der Schmerz nicht kraͤnken, Nicht plagen ein ſonſt quaͤlend Leid: Jedoch was feurig iſt, das brennt, Wenn man es gleich ſchon Waſſer nennt. Die Menſchen die im Elend weinen, Die klagen darum nicht ſo ſehr, Weil ſie aus falſchen Grunde meinen, Daß ihre Noth ein Uebel waͤr, Sie klagen weil das Herze fuͤhlt, Das Leiden das im Gliedern wuͤhlt. Der dritte giebt ſtat Arzeneien, Man ſoll die Einbildung erhoͤhn, Und ſich darob vorhero freuen Was man ins kuͤnftig werde ſehn: Allein wird woll die Angſt erſtikt, Wenn man im Traum ein Gluͤk erblikt? Der

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/204>, abgerufen am 20.04.2024.