Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Gedanken über einem Weinstok. Jhr die ihr eurer Wohnung Zimmer, Mit solchen Dekken ausgelegt, Woraus ein Strahlenreicher Schimmer, Jn unsrer Augen Spiegel schlägt. Jhr mögt mit Stikwerk, Mahlereien, Den Anblik suchen zu erfreuen, Die Wände mit den Bildern ziern, Es muß doch das, was künstlich glänzet, Vor dem, was die Natur bekränzet, Die Pracht der Farben bald verliehrn. Seht an, den Weinstok mit dem Laube, Wie er sich um die Pfäle schlingt, Und wie dadurch die Purpurtraube Jn sanfftgemischten Glanze dringt. Hier sind lebendige Figuren, Und schlankigte gezogne Spuren: Ein Rankenwerk natürlich schön, Da eines sich durchs andre bieget, Ein Blat gleichsam auf andren lieget, Wie sich der Reben Gabeln drehn. Jhr schmükket mit gemahlten Kränzen, Die Majestätschen Häuser an, Wo man ein schimmernd güldnes Glänzen, Was herrliches bewundern kan: Jedoch die Pracht muß sich verdunkeln, Bei der erhabnen Trauben Funkeln, Die grünlich, roth und Purpurbraun, Jn schön geformter Ordnung hangen, Da aller Edelsteine Prangen, Jn ihren Beerleins anzuschaun. Wie
Gedanken uͤber einem Weinſtok. Jhr die ihr eurer Wohnung Zimmer, Mit ſolchen Dekken ausgelegt, Woraus ein Strahlenreicher Schimmer, Jn unſrer Augen Spiegel ſchlaͤgt. Jhr moͤgt mit Stikwerk, Mahlereien, Den Anblik ſuchen zu erfreuen, Die Waͤnde mit den Bildern ziern, Es muß doch das, was kuͤnſtlich glaͤnzet, Vor dem, was die Natur bekraͤnzet, Die Pracht der Farben bald verliehrn. Seht an, den Weinſtok mit dem Laube, Wie er ſich um die Pfaͤle ſchlingt, Und wie dadurch die Purpurtraube Jn ſanfftgemiſchten Glanze dringt. Hier ſind lebendige Figuren, Und ſchlankigte gezogne Spuren: Ein Rankenwerk natuͤrlich ſchoͤn, Da eines ſich durchs andre bieget, Ein Blat gleichſam auf andren lieget, Wie ſich der Reben Gabeln drehn. Jhr ſchmuͤkket mit gemahlten Kraͤnzen, Die Majeſtaͤtſchen Haͤuſer an, Wo man ein ſchimmernd guͤldnes Glaͤnzen, Was herrliches bewundern kan: Jedoch die Pracht muß ſich verdunkeln, Bei der erhabnen Trauben Funkeln, Die gruͤnlich, roth und Purpurbraun, Jn ſchoͤn geformter Ordnung hangen, Da aller Edelſteine Prangen, Jn ihren Beerleins anzuſchaun. Wie
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Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Jhr die ihr eurer Wohnung Zimmer,
Mit ſolchen Dekken ausgelegt,
Woraus ein Strahlenreicher Schimmer,
Jn unſrer Augen Spiegel ſchlaͤgt.
Jhr moͤgt mit Stikwerk, Mahlereien,
Den Anblik ſuchen zu erfreuen,
Die Waͤnde mit den Bildern ziern,
Es muß doch das, was kuͤnſtlich glaͤnzet,
Vor dem, was die Natur bekraͤnzet,
Die Pracht der Farben bald verliehrn.
Seht an, den Weinſtok mit dem Laube,
Wie er ſich um die Pfaͤle ſchlingt,
Und wie dadurch die Purpurtraube
Jn ſanfftgemiſchten Glanze dringt.
Hier ſind lebendige Figuren,
Und ſchlankigte gezogne Spuren:
Ein Rankenwerk natuͤrlich ſchoͤn,
Da eines ſich durchs andre bieget,
Ein Blat gleichſam auf andren lieget,
Wie ſich der Reben Gabeln drehn.
Jhr ſchmuͤkket mit gemahlten Kraͤnzen,
Die Majeſtaͤtſchen Haͤuſer an,
Wo man ein ſchimmernd guͤldnes Glaͤnzen,
Was herrliches bewundern kan:
Jedoch die Pracht muß ſich verdunkeln,
Bei der erhabnen Trauben Funkeln,
Die gruͤnlich, roth und Purpurbraun,
Jn ſchoͤn geformter Ordnung hangen,
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