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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Die wunderbahre Flucht unterschiedner Vögel.
So finden sie doch stets, das ausgesuchte Land,
Kein Compas leitet sie, wenn sie bei Sturm und
Regen,

Bei trüber Finsternis etwan von ihren Wegen,
Von rechter Strasse irrn. Und dennoch können sie,
Ohn eine Kümmernis, ohn eine saure Müh,
Jn einer freien Lufft, in den geraden Gleisen,
Wohin sie immer wolln, ohn eine Charte reisen.
Jst das nicht wunderbahr, ists nicht betrachtens
werth?

Wer hat das Federvolk, das ohn Vernunfft, be-
lehrt,

Daß in dem Kreis der Welt, auch heisse Länder
schweben,

Allwo sie ohne Frost im Winter können leben?
Wer hat die Zeit bestimmt, da sie von dannen gehn?
Sie können nicht wie wir, in den Calender sehn:
Und dennoch wissen sie der Zeiten Aenderungen
Und auch die mit der Zeit verknüften Witterungen.
Der Aufbruch der geschicht, nicht einzeln, allge-
mach,

Nein, sie vergleichen sich, sie wählen einen Tag
Da sie aus unsern Kreis, mit grosser Heeresscharen,
Zu einer andern Welt, auf einmahl überfahren.
Wer sagt den Aufbruch an, wer stellt die Ordre
aus?

Jhr Zug wird anberamt, sie gehn mit starken Braus,
Sie reisen durch die Lufft zum warmen Erdenkreise,
Durchziehn die leichte Bahn, und wandern Trup-
penweise.

O! ewge Vorsehung! du lenkst sie nur allein,
Dein weisestes Regiern, das muß ihr Leitstern seyn,
Der eingepflanzte Trieb, der muß von dir entstehen,
Du hast das auch bestimmt, wie, wenn es sol ge-
schehen.

Du
Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel.
So finden ſie doch ſtets, das ausgeſuchte Land,
Kein Compas leitet ſie, wenn ſie bei Sturm und
Regen,

Bei truͤber Finſternis etwan von ihren Wegen,
Von rechter Straſſe irrn. Und dennoch koͤnnen ſie,
Ohn eine Kuͤmmernis, ohn eine ſaure Muͤh,
Jn einer freien Lufft, in den geraden Gleiſen,
Wohin ſie immer wolln, ohn eine Charte reiſen.
Jſt das nicht wunderbahr, iſts nicht betrachtens
werth?

Wer hat das Federvolk, das ohn Vernunfft, be-
lehrt,

Daß in dem Kreis der Welt, auch heiſſe Laͤnder
ſchweben,

Allwo ſie ohne Froſt im Winter koͤnnen leben?
Wer hat die Zeit beſtimmt, da ſie von dannen gehn?
Sie koͤnnen nicht wie wir, in den Calender ſehn:
Und dennoch wiſſen ſie der Zeiten Aenderungen
Und auch die mit der Zeit verknuͤften Witterungen.
Der Aufbruch der geſchicht, nicht einzeln, allge-
mach,

Nein, ſie vergleichen ſich, ſie waͤhlen einen Tag
Da ſie aus unſern Kreis, mit groſſer Heeresſcharen,
Zu einer andern Welt, auf einmahl uͤberfahren.
Wer ſagt den Aufbruch an, wer ſtellt die Ordre
aus?

Jhr Zug wird anberamt, ſie gehn mit ſtarken Braus,
Sie reiſen durch die Lufft zum warmen Erdenkreiſe,
Durchziehn die leichte Bahn, und wandern Trup-
penweiſe.

O! ewge Vorſehung! du lenkſt ſie nur allein,
Dein weiſeſtes Regiern, das muß ihr Leitſtern ſeyn,
Der eingepflanzte Trieb, der muß von dir entſtehen,
Du haſt das auch beſtimmt, wie, wenn es ſol ge-
ſchehen.

Du
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[171/0183] Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel. So finden ſie doch ſtets, das ausgeſuchte Land, Kein Compas leitet ſie, wenn ſie bei Sturm und Regen, Bei truͤber Finſternis etwan von ihren Wegen, Von rechter Straſſe irrn. Und dennoch koͤnnen ſie, Ohn eine Kuͤmmernis, ohn eine ſaure Muͤh, Jn einer freien Lufft, in den geraden Gleiſen, Wohin ſie immer wolln, ohn eine Charte reiſen. Jſt das nicht wunderbahr, iſts nicht betrachtens werth? Wer hat das Federvolk, das ohn Vernunfft, be- lehrt, Daß in dem Kreis der Welt, auch heiſſe Laͤnder ſchweben, Allwo ſie ohne Froſt im Winter koͤnnen leben? Wer hat die Zeit beſtimmt, da ſie von dannen gehn? Sie koͤnnen nicht wie wir, in den Calender ſehn: Und dennoch wiſſen ſie der Zeiten Aenderungen Und auch die mit der Zeit verknuͤften Witterungen. Der Aufbruch der geſchicht, nicht einzeln, allge- mach, Nein, ſie vergleichen ſich, ſie waͤhlen einen Tag Da ſie aus unſern Kreis, mit groſſer Heeresſcharen, Zu einer andern Welt, auf einmahl uͤberfahren. Wer ſagt den Aufbruch an, wer ſtellt die Ordre aus? Jhr Zug wird anberamt, ſie gehn mit ſtarken Braus, Sie reiſen durch die Lufft zum warmen Erdenkreiſe, Durchziehn die leichte Bahn, und wandern Trup- penweiſe. O! ewge Vorſehung! du lenkſt ſie nur allein, Dein weiſeſtes Regiern, das muß ihr Leitſtern ſeyn, Der eingepflanzte Trieb, der muß von dir entſtehen, Du haſt das auch beſtimmt, wie, wenn es ſol ge- ſchehen. Du

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/183>, abgerufen am 26.04.2024.