Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Arglistigkeit.
Wir leben auf der Welt, wir müssen uns bemühn,
Durch Klugheit uns den Schlam des Elends zu
entziehn,

Wir müssen uns mit Lust, die Kummer Tage wür-
zen,

Doch dadurch andre nicht in bittres Elend stürzen.
Das denken viele nicht, drum üben sie Betrug,
Und meinen wer das könn, der sey nur wizzig, klug,
Die treue Redlichkeit die keinen Mensch betrübet,
Und nach der Tauben Art, in reiner Einfalt lie-
bet,

Die keinen Unrecht thut, wird Thorheit, Unver-
stand,

Zum Schimpfe und zum Spott ein Aberwiz ge-
nannt.

Wer das nicht glauben will, der mag die Welt
durchgehen,

Der wird an jedem Ort davon Exempel sehen.
Wer das was gleich ist krum, was krum gerade
macht,

Der heist ein kluger Kopf, es wird da nicht be-
dacht:

Ob er das Recht gebeugt, den Richterstuhl belogen,
Mit einem blauen Dunst des Richters Aug betro-
gen.

Hingegen wer das Recht in keinem Stükke beugt,
Mit Vorsaz nicht ein Wort zu seinem Vortheil
leugt,

Der ist ein schlechter Mann, er hat zu viel Gewis-
sen

Drum hat er nicht das Recht dem andern abgebis-
sen.

Wer einen Handel treibt, die Einfalt oft berükt,
Mit einem leichten Schwur ein falsches Siegel drükt,
Sich
Die Argliſtigkeit.
Wir leben auf der Welt, wir muͤſſen uns bemuͤhn,
Durch Klugheit uns den Schlam des Elends zu
entziehn,

Wir muͤſſen uns mit Luſt, die Kummer Tage wuͤr-
zen,

Doch dadurch andre nicht in bittres Elend ſtuͤrzen.
Das denken viele nicht, drum uͤben ſie Betrug,
Und meinen wer das koͤnn, der ſey nur wizzig, klug,
Die treue Redlichkeit die keinen Menſch betruͤbet,
Und nach der Tauben Art, in reiner Einfalt lie-
bet,

Die keinen Unrecht thut, wird Thorheit, Unver-
ſtand,

Zum Schimpfe und zum Spott ein Aberwiz ge-
nannt.

Wer das nicht glauben will, der mag die Welt
durchgehen,

Der wird an jedem Ort davon Exempel ſehen.
Wer das was gleich iſt krum, was krum gerade
macht,

Der heiſt ein kluger Kopf, es wird da nicht be-
dacht:

Ob er das Recht gebeugt, den Richterſtuhl belogen,
Mit einem blauen Dunſt des Richters Aug betro-
gen.

Hingegen wer das Recht in keinem Stuͤkke beugt,
Mit Vorſaz nicht ein Wort zu ſeinem Vortheil
leugt,

Der iſt ein ſchlechter Mann, er hat zu viel Gewiſ-
ſen

Drum hat er nicht das Recht dem andern abgebiſ-
ſen.

Wer einen Handel treibt, die Einfalt oft beruͤkt,
Mit einem leichten Schwur ein falſches Siegel druͤkt,
Sich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0108" n="96"/>
          <fw place="top" type="header">Die Argli&#x017F;tigkeit.</fw><lb/>
          <l>Wir leben auf der Welt, wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
          <l>Durch Klugheit uns den Schlam des Elends zu<lb/><hi rendition="#et">entziehn,</hi></l><lb/>
          <l>Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns mit Lu&#x017F;t, die Kummer Tage wu&#x0364;r-<lb/><hi rendition="#et">zen,</hi></l><lb/>
          <l>Doch dadurch andre nicht in bittres Elend &#x017F;tu&#x0364;rzen.</l><lb/>
          <l>Das denken viele nicht, drum u&#x0364;ben &#x017F;ie Betrug,</l><lb/>
          <l>Und meinen wer das ko&#x0364;nn, der &#x017F;ey nur wizzig, klug,</l><lb/>
          <l>Die treue Redlichkeit die keinen Men&#x017F;ch betru&#x0364;bet,</l><lb/>
          <l>Und nach der Tauben Art, in reiner Einfalt lie-<lb/><hi rendition="#et">bet,</hi></l><lb/>
          <l>Die keinen Unrecht thut, wird Thorheit, Unver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
          <l>Zum Schimpfe und zum Spott ein Aberwiz ge-<lb/><hi rendition="#et">nannt.</hi></l><lb/>
          <l>Wer das nicht glauben will, der mag die Welt<lb/><hi rendition="#et">durchgehen,</hi></l><lb/>
          <l>Der wird an jedem Ort davon Exempel &#x017F;ehen.</l><lb/>
          <l>Wer das was gleich i&#x017F;t krum, was krum gerade<lb/><hi rendition="#et">macht,</hi></l><lb/>
          <l>Der hei&#x017F;t ein kluger Kopf, es wird da nicht be-<lb/><hi rendition="#et">dacht:</hi></l><lb/>
          <l>Ob er das Recht gebeugt, den Richter&#x017F;tuhl belogen,</l><lb/>
          <l>Mit einem blauen Dun&#x017F;t des Richters Aug betro-<lb/><hi rendition="#et">gen.</hi></l><lb/>
          <l>Hingegen wer das Recht in keinem Stu&#x0364;kke beugt,</l><lb/>
          <l>Mit Vor&#x017F;az nicht ein Wort zu &#x017F;einem Vortheil<lb/><hi rendition="#et">leugt,</hi></l><lb/>
          <l>Der i&#x017F;t ein &#x017F;chlechter Mann, er hat zu viel Gewi&#x017F;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en</hi></l><lb/>
          <l>Drum hat er nicht das Recht dem andern abgebi&#x017F;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en.</hi></l><lb/>
          <l>Wer einen Handel treibt, die Einfalt oft beru&#x0364;kt,</l><lb/>
          <l>Mit einem leichten Schwur ein fal&#x017F;ches Siegel dru&#x0364;kt,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sich</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0108] Die Argliſtigkeit. Wir leben auf der Welt, wir muͤſſen uns bemuͤhn, Durch Klugheit uns den Schlam des Elends zu entziehn, Wir muͤſſen uns mit Luſt, die Kummer Tage wuͤr- zen, Doch dadurch andre nicht in bittres Elend ſtuͤrzen. Das denken viele nicht, drum uͤben ſie Betrug, Und meinen wer das koͤnn, der ſey nur wizzig, klug, Die treue Redlichkeit die keinen Menſch betruͤbet, Und nach der Tauben Art, in reiner Einfalt lie- bet, Die keinen Unrecht thut, wird Thorheit, Unver- ſtand, Zum Schimpfe und zum Spott ein Aberwiz ge- nannt. Wer das nicht glauben will, der mag die Welt durchgehen, Der wird an jedem Ort davon Exempel ſehen. Wer das was gleich iſt krum, was krum gerade macht, Der heiſt ein kluger Kopf, es wird da nicht be- dacht: Ob er das Recht gebeugt, den Richterſtuhl belogen, Mit einem blauen Dunſt des Richters Aug betro- gen. Hingegen wer das Recht in keinem Stuͤkke beugt, Mit Vorſaz nicht ein Wort zu ſeinem Vortheil leugt, Der iſt ein ſchlechter Mann, er hat zu viel Gewiſ- ſen Drum hat er nicht das Recht dem andern abgebiſ- ſen. Wer einen Handel treibt, die Einfalt oft beruͤkt, Mit einem leichten Schwur ein falſches Siegel druͤkt, Sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/108
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/108>, abgerufen am 29.03.2024.