Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Der Mißbrauch der Güte GOttes. Die pflegen sie mit Ruhm vor andern zu bekrän-zen. Wird eine theur geacht; als eine Seltenheit: So muß des Höchsten Güt den hämisch bittren Neid Gar oft Gelegenheit zu einer Sünde geben, Die schändlich für uns ist, wenn wir als Menschen leben. Es ist bei einigen, die man Blumisten heist, Daß sie dieselbe Blum, die man als herrlich preißt, Nicht leichtlich einen Freund in seinen Garten gön- nen: Sie wollen nur davon sich als Besizzer nennen. Und wenn sie von der Art den grösten Ueberflus, So theilen sie doch nicht mit andern den Genus; Ein andrer sol sie nicht in seinem Garten haben, Und sich nicht an den Glanz, den man bewundert laben. Man wirft sie lieber weg, und läßt sie untergehn, Damit sie nur nicht auch bei andern sei zu sehn. Das ist der Mißgunst Art, der pflegt es zu ver- driessen, Wenn andere mit ihr ein gleiches Gut geniessen; Jch weis die Neidischen, die wenden dabei ein, Sonst würde ihre Blum und Schönheit zu gemein. Was schön ist bleibet schön, und kan uns doch ver- gnügen, Und solte auch die Art in allen Gärten liegen. Man merkt die Einbildung, was selten, das sei schön, Die kan nach der Vernunft nicht gar zu wol be- stehn. Die Meinung die regiert; nach ihres Wahns Ge- sezzen, Pflegt T 4
Der Mißbrauch der Guͤte GOttes. Die pflegen ſie mit Ruhm vor andern zu bekraͤn-zen. Wird eine theur geacht; als eine Seltenheit: So muß des Hoͤchſten Guͤt den haͤmiſch bittren Neid Gar oft Gelegenheit zu einer Suͤnde geben, Die ſchaͤndlich fuͤr uns iſt, wenn wir als Menſchen leben. Es iſt bei einigen, die man Blumiſten heiſt, Daß ſie dieſelbe Blum, die man als herrlich preißt, Nicht leichtlich einen Freund in ſeinen Garten goͤn- nen: Sie wollen nur davon ſich als Beſizzer nennen. Und wenn ſie von der Art den groͤſten Ueberflus, So theilen ſie doch nicht mit andern den Genus; Ein andrer ſol ſie nicht in ſeinem Garten haben, Und ſich nicht an den Glanz, den man bewundert laben. Man wirft ſie lieber weg, und laͤßt ſie untergehn, Damit ſie nur nicht auch bei andern ſei zu ſehn. Das iſt der Mißgunſt Art, der pflegt es zu ver- drieſſen, Wenn andere mit ihr ein gleiches Gut genieſſen; Jch weis die Neidiſchen, die wenden dabei ein, Sonſt wuͤrde ihre Blum und Schoͤnheit zu gemein. Was ſchoͤn iſt bleibet ſchoͤn, und kan uns doch ver- gnuͤgen, Und ſolte auch die Art in allen Gaͤrten liegen. Man merkt die Einbildung, was ſelten, das ſei ſchoͤn, Die kan nach der Vernunft nicht gar zu wol be- ſtehn. Die Meinung die regiert; nach ihres Wahns Ge- ſezzen, Pflegt T 4
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Der Mißbrauch der Guͤte GOttes.
Die pflegen ſie mit Ruhm vor andern zu bekraͤn-
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Wird eine theur geacht; als eine Seltenheit:
So muß des Hoͤchſten Guͤt den haͤmiſch bittren
Neid
Gar oft Gelegenheit zu einer Suͤnde geben,
Die ſchaͤndlich fuͤr uns iſt, wenn wir als Menſchen
leben.
Es iſt bei einigen, die man Blumiſten heiſt,
Daß ſie dieſelbe Blum, die man als herrlich preißt,
Nicht leichtlich einen Freund in ſeinen Garten goͤn-
nen:
Sie wollen nur davon ſich als Beſizzer nennen.
Und wenn ſie von der Art den groͤſten Ueberflus,
So theilen ſie doch nicht mit andern den Genus;
Ein andrer ſol ſie nicht in ſeinem Garten haben,
Und ſich nicht an den Glanz, den man bewundert
laben.
Man wirft ſie lieber weg, und laͤßt ſie untergehn,
Damit ſie nur nicht auch bei andern ſei zu ſehn.
Das iſt der Mißgunſt Art, der pflegt es zu ver-
drieſſen,
Wenn andere mit ihr ein gleiches Gut genieſſen;
Jch weis die Neidiſchen, die wenden dabei ein,
Sonſt wuͤrde ihre Blum und Schoͤnheit zu gemein.
Was ſchoͤn iſt bleibet ſchoͤn, und kan uns doch ver-
gnuͤgen,
Und ſolte auch die Art in allen Gaͤrten liegen.
Man merkt die Einbildung, was ſelten, das ſei
ſchoͤn,
Die kan nach der Vernunft nicht gar zu wol be-
ſtehn.
Die Meinung die regiert; nach ihres Wahns Ge-
ſezzen,
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