Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die GOtt gefällige Augenlust. Allein mein lieber Mensch! erwege thust du das,Gebrauchest du also der Augen Wunderglas? Du siehst was schön ist an, du labest deine Sin- nen, Dadurch der Schöpfer läst Erquikkungsströme rinnen, Und weiter gehst du nicht aus trägen Unbedacht: Du denkest selten wol bei allen Schein und Pracht, Die deine Augen rührt, woher das alles quillet, Was dein begierig Aug mit schönen Bildern füllet. Und diese Blindheit kan den Schöpfer nie gefalln: Der aus der Kreatur läst solche Schönheit pralln: Mit Augen des Gemüts die Herrlichkeit zu sehen, Die Strahlen seiner Pracht, die dir vor Augen stehen. Wer sein Vergnügen sucht in Dingen dieser Welt, Und nicht dabei bedenkt, wer sie uns dargestellt; Der sieht und sieht auch nicht; der sieht mit Schal- kes-Augen, Die nach der heilgen Schrift vor unsern GOtt nichts taugen; Der siehet als ein Vieh, das etwas starr anblikt, Die blosse Sinnlichkeit dadurch vergnügt, ent- zükt. Sieh! Mensche! als ein Mensch! und brauche dein Gesichte, Nebst deines Geistes Aug, nebst des Verstandes Lichte; So kanst du doppelt sehn; besieh die Kreatur, Die diese Welt geschmükt, bemerk die Wunderspur Die GOtt von seiner Güt und Macht darin ge- drükket: So bringt die Lust auch Nuz, die Aug und Herz entzükket. Ge-
Die GOtt gefaͤllige Augenluſt. Allein mein lieber Menſch! erwege thuſt du das,Gebraucheſt du alſo der Augen Wunderglas? Du ſiehſt was ſchoͤn iſt an, du labeſt deine Sin- nen, Dadurch der Schoͤpfer laͤſt Erquikkungsſtroͤme rinnen, Und weiter gehſt du nicht aus traͤgen Unbedacht: Du denkeſt ſelten wol bei allen Schein und Pracht, Die deine Augen ruͤhrt, woher das alles quillet, Was dein begierig Aug mit ſchoͤnen Bildern fuͤllet. Und dieſe Blindheit kan den Schoͤpfer nie gefalln: Der aus der Kreatur laͤſt ſolche Schoͤnheit pralln: Mit Augen des Gemuͤts die Herrlichkeit zu ſehen, Die Strahlen ſeiner Pracht, die dir vor Augen ſtehen. Wer ſein Vergnuͤgen ſucht in Dingen dieſer Welt, Und nicht dabei bedenkt, wer ſie uns dargeſtellt; Der ſieht und ſieht auch nicht; der ſieht mit Schal- kes-Augen, Die nach der heilgen Schrift vor unſern GOtt nichts taugen; Der ſiehet als ein Vieh, das etwas ſtarr anblikt, Die bloſſe Sinnlichkeit dadurch vergnuͤgt, ent- zuͤkt. Sieh! Menſche! als ein Menſch! und brauche dein Geſichte, Nebſt deines Geiſtes Aug, nebſt des Verſtandes Lichte; So kanſt du doppelt ſehn; beſieh die Kreatur, Die dieſe Welt geſchmuͤkt, bemerk die Wunderſpur Die GOtt von ſeiner Guͤt und Macht darin ge- druͤkket: So bringt die Luſt auch Nuz, die Aug und Herz entzuͤkket. Ge-
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Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Allein mein lieber Menſch! erwege thuſt du das,
Gebraucheſt du alſo der Augen Wunderglas?
Du ſiehſt was ſchoͤn iſt an, du labeſt deine Sin-
nen,
Dadurch der Schoͤpfer laͤſt Erquikkungsſtroͤme
rinnen,
Und weiter gehſt du nicht aus traͤgen Unbedacht:
Du denkeſt ſelten wol bei allen Schein und Pracht,
Die deine Augen ruͤhrt, woher das alles quillet,
Was dein begierig Aug mit ſchoͤnen Bildern fuͤllet.
Und dieſe Blindheit kan den Schoͤpfer nie gefalln:
Der aus der Kreatur laͤſt ſolche Schoͤnheit pralln:
Mit Augen des Gemuͤts die Herrlichkeit zu ſehen,
Die Strahlen ſeiner Pracht, die dir vor Augen
ſtehen.
Wer ſein Vergnuͤgen ſucht in Dingen dieſer Welt,
Und nicht dabei bedenkt, wer ſie uns dargeſtellt;
Der ſieht und ſieht auch nicht; der ſieht mit Schal-
kes-Augen,
Die nach der heilgen Schrift vor unſern GOtt
nichts taugen;
Der ſiehet als ein Vieh, das etwas ſtarr anblikt,
Die bloſſe Sinnlichkeit dadurch vergnuͤgt, ent-
zuͤkt.
Sieh! Menſche! als ein Menſch! und brauche dein
Geſichte,
Nebſt deines Geiſtes Aug, nebſt des Verſtandes
Lichte;
So kanſt du doppelt ſehn; beſieh die Kreatur,
Die dieſe Welt geſchmuͤkt, bemerk die Wunderſpur
Die GOtt von ſeiner Guͤt und Macht darin ge-
druͤkket:
So bringt die Luſt auch Nuz, die Aug und Herz
entzuͤkket.
Ge-
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