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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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bei der Zulassung des Bösen.
Das Gute mit dem Bösen tilgen, aus heilgen Ei-
fer sich versehn.

Des ewgen Wesens heilge Güt erträgt gar oft die
bösen Sünder,

Warum? weil er aus Langmuth liebt, die von ihm
weggelofnen Kinder

Er sucht sie wieder anzulokken, durch sein erbar-
mendes Bemühn,

Wenn sie wie wild und scheuche Rehen, in wilde
Dornen-Hekken fliehn,

Er fähet sie durch seinen Zug, sie kehren um in
Reu und Busse,

Und fallen dem, den sie erzürnt, in tief gebeugten
Sinn zu Fusse;

Der Sünder ändert seinen Wandel, er nüzt nun-
mehr dem Kirchenstaat,

Den er in unbekehrten Stande, durch Aergernis
geschadet hat.

Hat GOtt nun Unrecht hier gethan, daß er die
Straffe aufgehoben,

Weil er im Licht zuvor gesehn, des Sünders Herz
und Beßrungs-Proben?

Verlezzet er sein heilges Wesen, wenn er das Bö-
se lange trägt,

Damit das Gute nicht verderbe, was es dabei
noch in sich hegt?

Wie wendet ihr dagegen ein: Ob GOtt auch wie
man zwar gedenket,

Das Böse würklich in der That, zu einen guten
Zwek gelenket:

So sehet nur in die Geschichte der alten Zeit, und
neuen Welt,

Da werden uns viel tausend Proben, dies zu be-
weisen, vorgestellt.

Doch
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bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Das Gute mit dem Boͤſen tilgen, aus heilgen Ei-
fer ſich verſehn.

Des ewgen Weſens heilge Guͤt ertraͤgt gar oft die
boͤſen Suͤnder,

Warum? weil er aus Langmuth liebt, die von ihm
weggelofnen Kinder

Er ſucht ſie wieder anzulokken, durch ſein erbar-
mendes Bemuͤhn,

Wenn ſie wie wild und ſcheuche Rehen, in wilde
Dornen-Hekken fliehn,

Er faͤhet ſie durch ſeinen Zug, ſie kehren um in
Reu und Buſſe,

Und fallen dem, den ſie erzuͤrnt, in tief gebeugten
Sinn zu Fuſſe;

Der Suͤnder aͤndert ſeinen Wandel, er nuͤzt nun-
mehr dem Kirchenſtaat,

Den er in unbekehrten Stande, durch Aergernis
geſchadet hat.

Hat GOtt nun Unrecht hier gethan, daß er die
Straffe aufgehoben,

Weil er im Licht zuvor geſehn, des Suͤnders Herz
und Beßrungs-Proben?

Verlezzet er ſein heilges Weſen, wenn er das Boͤ-
ſe lange traͤgt,

Damit das Gute nicht verderbe, was es dabei
noch in ſich hegt?

Wie wendet ihr dagegen ein: Ob GOtt auch wie
man zwar gedenket,

Das Boͤſe wuͤrklich in der That, zu einen guten
Zwek gelenket:

So ſehet nur in die Geſchichte der alten Zeit, und
neuen Welt,

Da werden uns viel tauſend Proben, dies zu be-
weiſen, vorgeſtellt.

Doch
F 5
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[89/0101] bei der Zulaſſung des Boͤſen. Das Gute mit dem Boͤſen tilgen, aus heilgen Ei- fer ſich verſehn. Des ewgen Weſens heilge Guͤt ertraͤgt gar oft die boͤſen Suͤnder, Warum? weil er aus Langmuth liebt, die von ihm weggelofnen Kinder Er ſucht ſie wieder anzulokken, durch ſein erbar- mendes Bemuͤhn, Wenn ſie wie wild und ſcheuche Rehen, in wilde Dornen-Hekken fliehn, Er faͤhet ſie durch ſeinen Zug, ſie kehren um in Reu und Buſſe, Und fallen dem, den ſie erzuͤrnt, in tief gebeugten Sinn zu Fuſſe; Der Suͤnder aͤndert ſeinen Wandel, er nuͤzt nun- mehr dem Kirchenſtaat, Den er in unbekehrten Stande, durch Aergernis geſchadet hat. Hat GOtt nun Unrecht hier gethan, daß er die Straffe aufgehoben, Weil er im Licht zuvor geſehn, des Suͤnders Herz und Beßrungs-Proben? Verlezzet er ſein heilges Weſen, wenn er das Boͤ- ſe lange traͤgt, Damit das Gute nicht verderbe, was es dabei noch in ſich hegt? Wie wendet ihr dagegen ein: Ob GOtt auch wie man zwar gedenket, Das Boͤſe wuͤrklich in der That, zu einen guten Zwek gelenket: So ſehet nur in die Geſchichte der alten Zeit, und neuen Welt, Da werden uns viel tauſend Proben, dies zu be- weiſen, vorgeſtellt. Doch F 5

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/101>, abgerufen am 27.04.2024.