Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.eines Kirschbaums. Drum sprach ich bei mir selbst, Mein GOtt!wie oft verwandelst du die Zier, An einen solchen Baum, der weiß, denn grünn, denn wieder gelb gekleidet, Der Augen rege Neubegier, mit wandelbahren Schmukke weidet. Doch endlich kam die Zeit herbei, da dies verän- derte Gewand, Der Blätter gar im Wind verflog, und in der Er- den Staub verschwand. Da ward der Kirschbaum wie zuerst, da seine schö- ne Pracht verheert Zu einer rauhen Winters Zeit, in seinen ersten Stand verkehrt, Der Stamm war kahl, die Zweige glatt, die Rei- ser waren durch den Norden, Und seinen stürmerischen Braus, zu dürr gesognen Ruthen worden. Dies kam mir als ein Sinnbild vor, von unserer Vergänglichkeit, Wir wachsen in dem Frühling auf, wir blühen wie zur Sommers Zeit, Wenn uns der Jugend Schönheit ziert, wir neh- men ab mit unsern Jahren, Das Blut des Lebens Saft erstarrt, bis wir zur Grabes Höle fahren. Doch wie am Kirschbaum wiederum, der Knospen neue Saat entsteht; Wenn dessen Früchte abgestreift, und seiner Blät- ter Schmuk vergeht: So zeigt des Glaubens Zuversicht, daß wenn gleich unsre Leiber sterben, Wir doch im Tode wiederum, durch GOttes Macht das Leben erben. Die
eines Kirſchbaums. Drum ſprach ich bei mir ſelbſt, Mein GOtt!wie oft verwandelſt du die Zier, An einen ſolchen Baum, der weiß, denn gruͤnn, denn wieder gelb gekleidet, Der Augen rege Neubegier, mit wandelbahren Schmukke weidet. Doch endlich kam die Zeit herbei, da dies veraͤn- derte Gewand, Der Blaͤtter gar im Wind verflog, und in der Er- den Staub verſchwand. Da ward der Kirſchbaum wie zuerſt, da ſeine ſchoͤ- ne Pracht verheert Zu einer rauhen Winters Zeit, in ſeinen erſten Stand verkehrt, Der Stamm war kahl, die Zweige glatt, die Rei- ſer waren durch den Norden, Und ſeinen ſtuͤrmeriſchen Braus, zu duͤrr geſognen Ruthen worden. Dies kam mir als ein Sinnbild vor, von unſerer Vergaͤnglichkeit, Wir wachſen in dem Fruͤhling auf, wir bluͤhen wie zur Sommers Zeit, Wenn uns der Jugend Schoͤnheit ziert, wir neh- men ab mit unſern Jahren, Das Blut des Lebens Saft erſtarrt, bis wir zur Grabes Hoͤle fahren. Doch wie am Kirſchbaum wiederum, der Knospen neue Saat entſteht; Wenn deſſen Fruͤchte abgeſtreift, und ſeiner Blaͤt- ter Schmuk vergeht: So zeigt des Glaubens Zuverſicht, daß wenn gleich unſre Leiber ſterben, Wir doch im Tode wiederum, durch GOttes Macht das Leben erben. Die
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eines Kirſchbaums.
Drum ſprach ich bei mir ſelbſt, Mein GOtt!
wie oft verwandelſt du die Zier,
An einen ſolchen Baum, der weiß, denn gruͤnn,
denn wieder gelb gekleidet,
Der Augen rege Neubegier, mit wandelbahren
Schmukke weidet.
Doch endlich kam die Zeit herbei, da dies veraͤn-
derte Gewand,
Der Blaͤtter gar im Wind verflog, und in der Er-
den Staub verſchwand.
Da ward der Kirſchbaum wie zuerſt, da ſeine ſchoͤ-
ne Pracht verheert
Zu einer rauhen Winters Zeit, in ſeinen erſten
Stand verkehrt,
Der Stamm war kahl, die Zweige glatt, die Rei-
ſer waren durch den Norden,
Und ſeinen ſtuͤrmeriſchen Braus, zu duͤrr geſognen
Ruthen worden.
Dies kam mir als ein Sinnbild vor, von unſerer
Vergaͤnglichkeit,
Wir wachſen in dem Fruͤhling auf, wir bluͤhen wie
zur Sommers Zeit,
Wenn uns der Jugend Schoͤnheit ziert, wir neh-
men ab mit unſern Jahren,
Das Blut des Lebens Saft erſtarrt, bis wir zur
Grabes Hoͤle fahren.
Doch wie am Kirſchbaum wiederum, der Knospen
neue Saat entſteht;
Wenn deſſen Fruͤchte abgeſtreift, und ſeiner Blaͤt-
ter Schmuk vergeht:
So zeigt des Glaubens Zuverſicht, daß wenn gleich
unſre Leiber ſterben,
Wir doch im Tode wiederum, durch GOttes Macht
das Leben erben.
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