Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Wo gut zu wohnen sei.
Und nicht die Billigkeit den rechten Werth be-
schreibt;
Wo man die Wageschal nur blos zum Vortheil
hänget,
Der Ellen Maaß verkürzt, die kurze Waar ver-
länget.
Das Leben ist da gut, wo auf dem freien Feld,
Des Schöpfers Vorsehung den Seegen aufgestellt;
Wo in der freien Lufft gesunde Winde wehen,
Die Aecker woll beflanzt, von Früchten trächtig
stehen;
Wo stille Einfalt wohnt, wo alte Redlichkeit,
An stat des falschen Schwurs, die Hand zur Treue
beut.
Das Leben taugt da nicht, da wo die Erden Wür-
mer,
So ungebärdig sein, als wie die Himmelsstürmer,
Wo untern groben Tuch, ein gröbers Herze stekt,
Und sich der Bosheit Grim mit Lämmerfellen dekt,
Die eine Liverei der wahren Einfalt heisset;
Wo Tumheit, Unverstand mit Wollffes Zähnen
beisset:
Da taugt die Wohnung nicht; obgleich dem stillen
Land,
Der Vorzug öffters wird vor Städten zuerkant.
Das Land ist da nicht still, wo der besoffne Bauer,
Jn seinem Kruge schreit, als wie ein Gassenhauer,
Wenn ihn der heisse Trank, den er wie Wasser säufft
Die Kehle aufgesperrt, und das Gehirn ergreifft:
Alsdenn stürmt er das Dorff, und läst die Hunde
rasen,
Durch sein Geschrei erhizt, als würd zur Jagd ge-
blasen.
Das Leben taugt da nicht, wo man den Ehrentag,
Der
N 5
Wo gut zu wohnen ſei.
Und nicht die Billigkeit den rechten Werth be-
ſchreibt;
Wo man die Wageſchal nur blos zum Vortheil
haͤnget,
Der Ellen Maaß verkuͤrzt, die kurze Waar ver-
laͤnget.
Das Leben iſt da gut, wo auf dem freien Feld,
Des Schoͤpfers Vorſehung den Seegen aufgeſtellt;
Wo in der freien Lufft geſunde Winde wehen,
Die Aecker woll beflanzt, von Fruͤchten traͤchtig
ſtehen;
Wo ſtille Einfalt wohnt, wo alte Redlichkeit,
An ſtat des falſchen Schwurs, die Hand zur Treue
beut.
Das Leben taugt da nicht, da wo die Erden Wuͤr-
mer,
So ungebaͤrdig ſein, als wie die Himmelsſtuͤrmer,
Wo untern groben Tuch, ein groͤbers Herze ſtekt,
Und ſich der Bosheit Grim mit Laͤmmerfellen dekt,
Die eine Liverei der wahren Einfalt heiſſet;
Wo Tumheit, Unverſtand mit Wollffes Zaͤhnen
beiſſet:
Da taugt die Wohnung nicht; obgleich dem ſtillen
Land,
Der Vorzug oͤffters wird vor Staͤdten zuerkant.
Das Land iſt da nicht ſtill, wo der beſoffne Bauer,
Jn ſeinem Kruge ſchreit, als wie ein Gaſſenhauer,
Wenn ihn der heiſſe Trank, den er wie Waſſer ſaͤufft
Die Kehle aufgeſperrt, und das Gehirn ergreifft:
Alsdenn ſtuͤrmt er das Dorff, und laͤſt die Hunde
raſen,
Durch ſein Geſchrei erhizt, als wuͤrd zur Jagd ge-
blaſen.
Das Leben taugt da nicht, wo man den Ehrentag,
Der
N 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0217" n="201"/>
          <fw place="top" type="header">Wo gut zu wohnen &#x017F;ei.</fw><lb/>
          <l>Und nicht die Billigkeit den rechten Werth be-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chreibt;</hi> </l><lb/>
          <l>Wo man die Wage&#x017F;chal nur blos zum Vortheil</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ha&#x0364;nget,</hi> </l><lb/>
          <l>Der Ellen Maaß verku&#x0364;rzt, die kurze Waar ver-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">la&#x0364;nget.</hi> </l><lb/>
          <l>Das Leben i&#x017F;t da gut, wo auf dem freien Feld,</l><lb/>
          <l>Des Scho&#x0364;pfers Vor&#x017F;ehung den Seegen aufge&#x017F;tellt;</l><lb/>
          <l>Wo in der freien Lufft ge&#x017F;unde Winde wehen,</l><lb/>
          <l>Die Aecker woll beflanzt, von Fru&#x0364;chten tra&#x0364;chtig</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tehen;</hi> </l><lb/>
          <l>Wo &#x017F;tille Einfalt wohnt, wo alte Redlichkeit,</l><lb/>
          <l>An &#x017F;tat des fal&#x017F;chen Schwurs, die Hand zur Treue</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">beut.</hi> </l><lb/>
          <l>Das Leben taugt da nicht, da wo die Erden Wu&#x0364;r-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">mer,</hi> </l><lb/>
          <l>So ungeba&#x0364;rdig &#x017F;ein, als wie die Himmels&#x017F;tu&#x0364;rmer,</l><lb/>
          <l>Wo untern groben Tuch, ein gro&#x0364;bers Herze &#x017F;tekt,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ich der Bosheit Grim mit La&#x0364;mmerfellen dekt,</l><lb/>
          <l>Die eine Liverei der wahren Einfalt hei&#x017F;&#x017F;et;</l><lb/>
          <l>Wo Tumheit, Unver&#x017F;tand mit Wollffes Za&#x0364;hnen</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">bei&#x017F;&#x017F;et:</hi> </l><lb/>
          <l>Da taugt die Wohnung nicht; obgleich dem &#x017F;tillen</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Land,</hi> </l><lb/>
          <l>Der Vorzug o&#x0364;ffters wird vor Sta&#x0364;dten zuerkant.</l><lb/>
          <l>Das Land i&#x017F;t da nicht &#x017F;till, wo der be&#x017F;offne Bauer,</l><lb/>
          <l>Jn &#x017F;einem Kruge &#x017F;chreit, als wie ein Ga&#x017F;&#x017F;enhauer,</l><lb/>
          <l>Wenn ihn der hei&#x017F;&#x017F;e Trank, den er wie Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;a&#x0364;ufft</l><lb/>
          <l>Die Kehle aufge&#x017F;perrt, und das Gehirn ergreifft:</l><lb/>
          <l>Alsdenn &#x017F;tu&#x0364;rmt er das Dorff, und la&#x0364;&#x017F;t die Hunde</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ra&#x017F;en,</hi> </l><lb/>
          <l>Durch &#x017F;ein Ge&#x017F;chrei erhizt, als wu&#x0364;rd zur Jagd ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">bla&#x017F;en.</hi> </l><lb/>
          <l>Das Leben taugt da nicht, wo man den Ehrentag,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">N 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0217] Wo gut zu wohnen ſei. Und nicht die Billigkeit den rechten Werth be- ſchreibt; Wo man die Wageſchal nur blos zum Vortheil haͤnget, Der Ellen Maaß verkuͤrzt, die kurze Waar ver- laͤnget. Das Leben iſt da gut, wo auf dem freien Feld, Des Schoͤpfers Vorſehung den Seegen aufgeſtellt; Wo in der freien Lufft geſunde Winde wehen, Die Aecker woll beflanzt, von Fruͤchten traͤchtig ſtehen; Wo ſtille Einfalt wohnt, wo alte Redlichkeit, An ſtat des falſchen Schwurs, die Hand zur Treue beut. Das Leben taugt da nicht, da wo die Erden Wuͤr- mer, So ungebaͤrdig ſein, als wie die Himmelsſtuͤrmer, Wo untern groben Tuch, ein groͤbers Herze ſtekt, Und ſich der Bosheit Grim mit Laͤmmerfellen dekt, Die eine Liverei der wahren Einfalt heiſſet; Wo Tumheit, Unverſtand mit Wollffes Zaͤhnen beiſſet: Da taugt die Wohnung nicht; obgleich dem ſtillen Land, Der Vorzug oͤffters wird vor Staͤdten zuerkant. Das Land iſt da nicht ſtill, wo der beſoffne Bauer, Jn ſeinem Kruge ſchreit, als wie ein Gaſſenhauer, Wenn ihn der heiſſe Trank, den er wie Waſſer ſaͤufft Die Kehle aufgeſperrt, und das Gehirn ergreifft: Alsdenn ſtuͤrmt er das Dorff, und laͤſt die Hunde raſen, Durch ſein Geſchrei erhizt, als wuͤrd zur Jagd ge- blaſen. Das Leben taugt da nicht, wo man den Ehrentag, Der N 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/217
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/217>, abgerufen am 06.05.2024.